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Verwalter.

Die uns bei mancher Freude manche Not brachten. Ich erinnere mich noch an alles genau: wie wir Cäcilien so liebenswürdig fanden, uns ihr aufdrangen, unsere jugendliche Freiheit nicht geschwind genug loswerden konnten.

Fernando.

Es war doch eine schöne, glückliche Zeit!

Verwalter.

Wie sie uns ein munteres, lebhaftes Töchterchen brachte, aber zugleich von ihrer Munterkeit, von ihrem Reiz manches verlor.

Fernando.

Verschone mich mit dieser Lebensgeschichte.

Verwalter.

Wie wir hie und da, und da und dort uns umsahn, wie wir endlich diesen Engel trafen, wie nicht mehr von Kommen und Gehen die Rede war, sondern wir uns entschließen mußten, entweder die eine oder die andere unglücklich zu machen; wie wir es endlich so bequem fanden, daß sich eben eine Gelegenheit zeigte, die Güter zu verkaufen, wie wir mit manchem Verlust uns davonmachten, den Engel raubten, und das schöne, mit sich selbst und der Welt unbekannte Kind hierher verbannten.

Fernando.

Wie es scheint, bist du noch immer so lehrreich und geschwätzig wie vor alters.

Verwalter.

Hatte ich nicht Gelegenheit, was zu lernen? War ich nicht der Vertraute Ihres Gewissens? Als Sie auch von hier, ich weiß nicht, ob so ganz aus reinem Verlangen, Ihre Gemahlin und Ihre Tochter wiederzufinden, oder auch mit aus einer heimlichen Unruhe, sich wieder wegsehnten, und wie ich Ihnen von mehr als einer Seite behülflich sein mußte —

Fernando.

Soweit für diesmal.

Verwalter.

Bleiben Sie nur, dann ist alles gut.

Ab.

Bedienter kommt.

Bedienter.

Madame Sommer!

Fernando.

Bring sie herein.

Bedienter ab.

Fernando allein

Dies Weib macht mich schwermütig. Daß nichts ganz, nichts rein in der Welt ist! Diese Frau! — Ihrer Tochter Mut hat mich zerstört; was wird ihr Schmerz tun?

Madame Sommer tritt auf.

Fernando vor sich.

O Gott! und auch ihre Gestalt muß mich an mein Vergehen erinnern! Herz! Unser Herz! o, wenn's in dir liegt, so zu fühlen und so zu handeln, warum hast du nicht auch Kraft, dir das Geschehene zu verzeihen? — Ein Schatten der Gestalt meiner Frau! — O wo seh ich den nicht!

Laut.

Madame!

Madame Sommer.

Was befehlen Sie, mein Herr?

Fernando.

Ich wünschte, daß Sie meiner Stella Gesellschaft leisten wollten und mir. Setzen Sie sich!

Madame Sommer.

Die Gegenwart des Elenden ist dem Glücklichen zur Last, und ach! der Glückliche dem Elenden noch mehr.

Fernando.

Ich begreife Sie nicht. Können Sie Stella verkannt haben? sie, die ganz Liebe, ganz Gottheit ist?

Madame Sommer.

Mein Herr! ich wünschte, heimlich zu reisen! Lassen Sie mich — Ich muß fort. Glauben Sie, daß ich Gründe habe! Aber ich bitte, lassen Sie mich!

Fernando vor sich.

Welche Stimme! Welche Gestalt!

Laut.

Madame!

Er wendet sich ab.

— Gott, es ist meine Frau! —

Laut.

Verzeihen Sie!

Eilend ab.

Madame Sommer allein.

Er erkennt mich! — Ich danke dir, Gott, daß du in diesen Augenblicken meinem Herzen so, viel Stärke gegeben hast! — Bin ich's? die Zerschlagene! die Zerrissene! die in der bedeutenden Stunde so ruhig, so mutig ist? Guter, ewiger Vorsorger, du nimmst unserm Herzen doch nichts, was du ihm nicht aufbewahrtest, bis zur Stunde, wo es dessen am meisten bedarf.

Fernando kommt zurück.

Fernando vor sich.

Sollte sie mich kennen? —

Laut.

Ich bitte Sie, Madame, ich beschwöre Sie, eröffnen Sie mir Ihr Herz!

Madame Sommer.

Ich müßte Ihnen mein Schicksal erzählen; und wie sollten Sie zu Klagen und Trauer gestimmt sein, an einem Tage, da Ihnen alle Freuden des Lebens wiedergegeben sind, da Sie alle Freuden des Lebens der würdigsten weiblichen Seele wiedergegeben haben! Nein, mein Herr! entlassen Sie mich!

Fernando.

Ich bitte Sie!

Madame Sommer.

Wie gern erspart ich's Ihnen und mir! Die Erinnerung der ersten, glücklichen Tage meines Lebens macht mir tödliche Schmerzen.

Fernando.

Sie sind nicht immer unglücklich gewesen?

Madame Sommer.

Sonst würd ich's jetzt in dem Grade nicht sein.

Nach einer Pause, mit erleichterter Brust.

Die Tage meiner Jugend waren leicht und froh. Ich weiß nicht, was die Männer an mich fesselte; eine große Anzahl wünschte mir gefällig zu sein. Für wenige fühlte ich Freundschaft, Neigung; doch keiner war, mit dem ich geglaubt hätte mein Leben zubringen zu können. Und so vergingen die glücklichen Tage der rosenfarbenen Zerstreuungen, wo so ein Tag dem andern freundlich die Hand bietet. Und doch fehlte mir etwas. — Wenn ich tiefer ins Leben sah, und Freud und Leid ahndete, die des Menschen warten, da wünscht ich mir einen Gatten, dessen Hand mich durch die Welt begleitete, der für die Liebe, die ihm mein jugendliches Herz weihen konnte, im Alter mein Freund, mein Beschützer mir statt meiner Eltern geworden wäre, die ich um seinetwillen verließ.

Fernando.

Und nun?

Madame Sommer.

Ach ich sah den Mann! Ich sah ihn, auf den ich in den ersten Tagen unsrer Bekanntschaft all meine Hoffnungen niederlegte! Die Lebhaftigkeit seines Geistes schien mit solch einer Treue des Herzens verbunden zu sein, daß sich ihm das meinige gar bald öffnete, daß ich ihm meine Freundschaft und ach, wie schnell darauf, meine Liebe gab. Gott im Himmel, wenn sein Haupt an meinem Busen ruhte, wie schien er dir für die Stätte zu danken, die du ihm in meinen Armen bereitet hattest! Wie floh er aus dem Wirbel der Geschäfte und Zerstreuungen wieder zu mir, und wie unterstützt ich mich in trüben Stunden an seiner Brust!

Fernando.

Was konnte diese liebe Verbindung stören?

Madame Sommer.

Nichts ist bleibend — Ach, er liebte mich! liebte mich so gewiß als ich ihn. Es war eine Zeit, da er nichts kannte, nichts wußte, als mich glücklich zu sehen, mich glücklich zu machen. Es war, ach! die leichteste Zeit des Lebens, die ersten Jahre einer Verbindung, wo manchmal mehr ein bißchen Unmut, ein bißchen Langeweile uns peinigen, als daß es wirklich Übel wären. Ach, er begleitete mich den leidlichen Weg, um mich in einer öden, fürchterlichen Wüste allein zu lassen.

Fernando , immer verwirrter.

Und wie? Seine Gesinnungen, sein Herz?

Madame Sommer.

Können wir wissen, was in dem Busen der Männer schlägt? — Ich merkte nicht, daß ihm nach und nach das alles ward — wie soll ich's nennen? — nicht gleichgültiger! das darf ich mir nicht sagen. Er liebte mich immer, immer! Aber er brauchte mehr als meine Liebe. Ich hatte mit seinen Wünschen zu teilen, vielleicht mit einer Nebenbuhlerin; ich verbarg ihm meine Vorwürfe nicht, und zuletzt —

Fernando.

Er konnte —?

Madame Sommer.

Er verließ mich. Das Gefühl meines Elends hat keinen Namen! All meine Hoffnungen in dem Augenblick zugrunde! in dem Augenblick, da ich die Früchte der aufgeopferten Blüte einzuernten gedachte — verlassen! — verlassen! — Alle Stützen des menschlichen Herzens: Liebe, Zutrauen, Ehre, Stand, täglich wachsendes Vermögen, Aussicht über eine zahlreiche, wohlversorgte Nachkommenschaft, alles stürzte vor mir zusammen, und ich — und das überbliebene unglückliche Pfand unsrer Liebe — Ein toter Kummer folgte auf die wütenden Schmerzen, und das ausgeweinte, durchverzweifelte Herz sank in Ermattung hin. Die Unglücksfälle, die das Vermögen einer armen Verlassenen ergriffen, achtete ich nicht, fühlte ich nicht, bis ich zuletzt —

Fernando.

Der Schuldige!

Madame Sommer mit zurückgehaltener Wehmut.

Er ist's nicht! — Ich bedaure den Mann, der sich an ein Mädchen hängt.

Fernando.

Madame!

Madame Sommer , gelinde spottend, ihre Rührung zu verbergen.

Nein, gewiß! Ich seh ihn als einen Gefangenen an. Sie sagen ja auch immer, es sei so. Er wird aus seiner Welt in die unsere herübergezogen, mit der er im Grunde nichts gemein hat. Er betrügt sich eine Zeitlang, und weh uns, wenn ihm die Augen aufgehn! — Ich nun gar konnte ihm zuletzt nichts sein als eine redliche Hausfrau, die zwar mit dem festesten Bestreben an ihm hing, ihm gefällig, für ihn sorgsam zu sein; die dem Wohl ihres Hauses, ihres Kindes all ihre Tage widmete, und freilich sich mit so viel Kleinigkeiten abgeben mußte, daß ihr Herz und Kopf oft wüste ward, daß sie keine unterhaltende Gesellschafterin war, daß er mit der Lebhaftigkeit seines Geistes meinen Umgang notwendig schal finden mußte. Er ist nicht schuldig!

Fernando zu ihren Füßen.

Ich bin's!

Madame Sommer mit einem Strom von Tränen an seinem Hals.

Mein! —

Fernando.

Cäcilie! — mein Weib! —

Cäcilie , von ihm sich abwendend.

Nicht mein — Du verlässest mich, mein Herz! —

Wieder an seinem Hals.

Fernando! — wer du auch seist — laß diese Tränen einer Elenden an deinem Busen fließen — Halte mich diesen Augenblick aufrecht, und dann verlaß mich auf ewig! — Es ist nicht dein Weib! — Stoße mich nicht von dir! —

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