Sind nebenan schon einige Krieger zu Hause, ist er überzeugt, daß ich mit ihnen gesprochen habe. Ich warne ihn eindringlich, er sol e nicht wieder al es kaputt machen mit seiner Eifersucht. Auch James versucht, ihn zu beruhigen.
Endlich ist Sophia zurück. Es ist eine große Wiedersehensfreude. Sie kann kaum glauben, daß wir bereits dabei sind, ein Geschäft aufzubauen. Sie ist schon seit fünf Monaten hier und hat ihr Caféhaus immer noch nicht eröffnet. Allerdings wird meine Euphorie gebremst, als sie mir von all der Bürokratie, die auf mich zukommt, erzählt.
Im Gegensatz zu uns wohnt sie komfortabel. Fast täglich sehen wir uns kurz, was meinem Mann eines Tages nicht mehr gefäl t. Er versteht nicht, was wir uns mitzuteilen haben, und nimmt an, ich erzähle von ihm. Sophia versucht ihn zu beruhigen und schlägt ihm vor, er solle doch weniger Bier trinken.
Seit dem Mietabschluß für den Shop sind vierzehn Tage vergangen, und die Einrichtung steht bereits. Ich möchte Ende des Monats eröffnen, und wir müssen die Verkaufslizenz und meine Arbeitsbewilligung beantragen. Die Lizenz erhält man in Kwale, weiß Sophia, die sich mit uns und ihrem Freund auf den Weg macht. Wieder heißt es Formulare ausfül en und warten. Zuerst wird Sophia aufgerufen und verschwindet mit ihrem Begleiter im Office. Nach fünf Minuten sind beide wieder draußen. Es hat nicht geklappt, weil sie nicht verheiratet sind. Bei uns sieht es nicht besser aus, was ich nicht glauben will. Doch der Officer meint, ohne Arbeitsbewil igung gibt es keine Lizenz, es sei denn, ich überschreibe bei einem Notar alles meinem Mann. Außerdem müsse auch der Name des Shops zuerst in Nairobi registriert werden.
Wie ich diese Stadt mittlerweile hasse! Und nun müssen wir schon wieder dorthin.
Als wir enttäuscht und ratlos zum Wagen marschieren, kommt uns der Officer nach und meint, ohne Lizenz gäbe es auch keine Arbeitsbewilligung. Aber vielleicht könne man Nairobi irgendwie umgehen, wenn er darüber nachdenke. Er sei um 16 Uhr in Ukunda, dann könne er uns bei Sophia besuchen. Natürlich ist uns allen sofort klar, worum es geht: Schmiergeld! Mir steigt die Gal e hoch, aber Sophia bekundet sofort ihre Bereitschaft, auf diesem Weg die Lizenz zu bekommen. Wir warten bei ihr zu Hause, und ich bin stinksauer, daß ich nicht allein mit Lketinga nach Kwale gefahren bin. In der Tat erscheint der Typ und schleicht sich unauffällig ins Haus. Er kommt umständlich zur Sache und sagt, morgen sei die Lizenz bereit, sofern jede von uns 5
000 Schillinge in einem Kuvert mitbringt. Sophia willigt sofort ein, und mir bleibt nichts anderes übrig, als ebenfal s zu nicken.
Nun erhalten wir ohne Probleme die Lizenz. Der erste Schritt ist getan. Mein Mann könnte bereits verkaufen, doch ich darf mich nur im Laden aufhalten und nicht einmal ein Verkaufsgespräch führen. Ich weiß, daß es so nicht geht, und überrede meinen Mann, mit mir nach Nairobi zu fahren, um die Arbeitsbewilligung sowie den Namen des Geschäftes zu beantragen. Wir taufen den Laden auf „Sidais-Massai-Shop“, was zu großen Diskussionen mit Lketinga führt. Sidai ist sein zweiter Name. Aber Massai wil er nicht anschreiben. Da aber die Lizenz nunmal ausgestellt ist, gibt es kein Zurück mehr.
Im zuständigen Amt in Nairobi werden wir nach mehreren Stunden Wartezeit aufgefordert mitzukommen. Ich weiß, daß es um sehr viel geht und mache dies meinem Mann eindringlich klar. Einmal ein Nein bleibt ein Nein. Wir werden ausgefragt, warum und wieso ich eine Arbeitserlaubnis brauche. Mühsam erkläre ich der Sachbearbeiterin, daß wir eine Familie sind, und da mein Mann keine Schule besucht hat, bleibe mir nichts anderes übrig, als zu arbeiten. Dieses Argument sieht sie ein. Aber ich habe zu wenig Devisen gebracht, und mir fehlen fast 20000
Franken, um zusammen mit der vorgezeigten Lizenz die Bewilligung zu bekommen.
Ich verspreche, dieses Geld aus der Schweiz einzuführen und mich wieder zu melden. Vol er Hoffnung verlasse ich das Office. Geld brauche ich nun sowieso, damit ich Ware einkaufen kann. Erschöpft begeben wir uns auf die weite Heimreise.
Als wir todmüde zu Hause eintreffen, sind einige Krieger daheim und präparieren Speere für den Verkauf. Edy ist auch dabei. Wir freuen uns sehr, uns nach so langer Zeit wiederzusehen. Während wir uns über früher unterhalten, krabbelt Napirai freudig auf ihn zu.
Da es schon spät ist und ich müde bin, erlaube ich mir, Edy für morgen zum Tee einzuladen. Schließlich war er es, der mir damals, als ich verzweifelt Lketinga suchte, geholfen hat.
Kaum sind die Krieger weg, fängt mein Mann an, mich mit Vorwürfen und Vermutungen über Edy zu quälen. Unter anderem wisse er nun, warum ich drei Monate allein in Mombasa war und ihn nicht vorher gesucht habe. Es ist unglaublich, was er mir unterstellt, und ich will einfach weg, damit ich diese häßlichen Anschuldigungen nicht ertragen muß. Ich packe meine schlafende Napirai auf den Rücken und laufe in die dunkle Nacht hinaus.
Ziel os streife ich durch die Gegend und stehe auf einmal vor dem Africa-Sea-Lodge-Hotel. Da überkommt mich das Bedürfnis, meine Mutter anzurufen, um ihr zum ersten Mal mitzuteilen, wie es um unsere Ehe steht. Schluchzend erzähle ich meiner überraschten Mutter einen Teil meines Elends. In so kurzer Zeit einen Rat zu geben ist schwierig, und so bitte ich sie, zu veranlassen, daß jemand von unserer Familie nach Kenia kommt. Ich brauche einen vernünftigen Rat und seelische Unterstützung, und vielleicht hilft es auch Lketinga, mir endlich mehr zu vertrauen.
Wir vereinbaren, morgen um dieselbe Zeit wieder zu telefonieren. Nach dem Gespräch geht es mir besser, und ich stolpere zu unserem Häuschen zurück.
Mein Mann ist natürlich noch streitsüchtiger geworden und wil wissen, woher ich komme. Als ich ihm von meinem Telefongespräch und dem anstehenden Besuch eines Familienmitglieds erzähle, wird er sofort ruhig.
Zu meiner Erleichterung erfahre ich am nächsten Abend, daß mein ältester Bruder bereit ist zu kommen. Er wird bereits in einer Woche mit meinem benötigten Geld hier sein.
Lketinga ist gespannt, noch jemanden von meiner Familie kennenzulernen. Da es mein ältester Bruder ist, hat er schon jetzt Respekt und behandelt mich freundlicher.
Als Geschenk näht er ihm ein Massai-Armband mit seinem Vornamen aus bunten Glasperlen. Irgendwie rührt es mich, wie wichtig dieser Besuch für ihn und James ist.
Mein Bruder Marc ist im Hotel „Two Fishes“
eingetroffen. Die Freude ist al gemein groß, obwohl er nur eine Woche bleiben kann. Er lädt uns oft zum Essen ins Hotel ein. Es ist herrlich, obwohl ich nicht an seine Rechnungen denken darf. Natürlich erlebt er meinen Mann von der besten Seite. In dieser Woche geht er nie weg, um Bier oder Miraa zu konsumieren, und weicht meinem Bruder nicht von der Seite. Als Marc uns zu Hause besucht, staunt er, wie seine früher so elegante Schwester haust. Doch vom Shop ist er begeistert und gibt mir noch ein paar gute Tips. Die Woche ist viel zu schnell vorbei, und am letzten Abend spricht er ausführlich mit meinem Mann. James übersetzt ihm jedes Wort. Als er ehrfürchtig und kleinlaut verspricht, mich nicht mehr mit seiner Eifersucht zu quälen, sind wir überzeugt, daß dieser Besuch ein vol er Erfolg war.
Auch James muß zwei Tage später nach Hause. So begleiten wir ihn nach Nairobi und gehen wegen der Arbeitsbewilligung nochmals ins Nyayo-Gebäude. Die Stimmung unter uns ist gut, und deshalb bin ich sicher, daß es gelingen wird. Der Name ist registriert worden, und wir haben alle Papiere beisammen. Wieder sind wir im Office und stehen derselben Dame gegenüber wie vor zweieinhalb Wochen. Als sie das eingeführte Geld sieht, ist alles klar. Ich bekomme meine Arbeitserlaubnis.
Dafür streicht sie mir die Niederlassung, die ich die nächsten zwei Jahre nicht benötige. Bis dahin muß ich den Namen meines Mannes im Paß führen und Napirai einen kenianischen Ausweis haben. Mir ist das gleichgültig, Hauptsache ich habe meine Arbeitserlaubnis für die nächsten zwei Jahre. Viele warten jahrelang auf diesen Stempel, der mich al erdings 2000 Franken kostet.