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Annotation

Corinne Hofmann, 1960 als Tochter einer französischen Mutter und eines deutschen Vaters im Schweizer Kanton Thurgau geboren, gelang mit ihrem Lebensbericht „Die weiße Massai“ über ihre Zeit in Kenia ein internationaler Bestseller, der bereits in 19 Sprachen übersetzt wurde. 2003 erschien ihr zweites Buch „Zurück aus Afrika“, in dem sie von ihrem Neuanfang in der Schweiz erzählt.

Seit einigen Jahren lebt sie mit ihrer Tochter am Luganer See.

Corinne Hofmann

Für Napirai

Auf der Suche

Ein langes halbes Jahr

Das Wiedersehen

Bürokratische Hürden

Abschied und Aufbruch

In der neuen Heimat

Meine Reise mit Priscilla

Begegnung mit Jutta

Glücklich in Maralal

Zurück in Mombasa

Krank im Kopf

You come to my home

Der Landrover

Gefahren im Busch

Pole, pole

Abschied und Willkommen

Standesamt und Hochzeitsreise

Unsere eigene Manyatta

Samburu-Hochzeit

Der Shop

Dschungelpfade

Die Frau des Lehrers

Angst um mein Kind

Am Todeshang

Auszug aus der Manyatta

Flying doctor

Sophia

Napirai

Heimkehr zu dritt

Hunger

Quarantäne

Nairobi

Erholung in der Schweiz

Weiße Gesichter

Wird alles gut?

Mißtrauen

Zuspitzung

Verzweifelte Lage

Ohnmacht und Wut

Die gute Spucke

Neue Hoffnung

Bittere Enttäuschung

Ausweglosigkeit

Flucht

Lieber Lketinga,

Lieber James,

Lieber Pater Giuliano,

Hallo Sophia!

Corinne Hofmann

Die weiße Massai

Knaur Taschenbuch Verlag

Von Corinne Hofmann ist außerdem erschienen:

Zurück aus Afrika

Über die Autorin: www.massai.ch

Besuchen Sie uns im Internet: www.droemer-knaur.de

Für Napirai

Ankunft in Kenia

Herrliche Tropenluft empfängt uns bei der Ankunft auf dem Flughafen Mombasa, und bereits hier ahne und spüre ich: dies ist mein Land, hier werde ich mich wohl fühlen. Doch allem Anschein nach bin nur ich empfänglich für die wunderbare Aura, die uns umgibt, denn mein Freund Marco bemerkt trocken: „Hier stinkt's!“

Nach der Zollabfertigung geht es mit dem Safaribus zu unserem Hotel. Auf dem Weg dorthin müssen wir mit der Fähre einen Fluß überqueren, der die Südküste von Mombasa trennt. Es ist heiß, wir sitzen im Bus und staunen. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, daß diese Fähre drei Tage später mein ganzes Leben verändern, ja auf den Kopf stellen wird.

Auf der anderen Seite des Flusses fahren wir etwa eine Stunde über Landstraßen durch kleine Siedlungen. Die meisten Frauen vor den einfachen Hütten scheinen Moslems zu sein, denn sie sind in schwarze Tücher gehüllt. Endlich erreichen wir unser Hotel, das Africa-Sea-Lodge. Es ist eine moderne, aber noch im afrikanischen Stil erbaute Anlage, in der wir ein kleines Rundhäuschen, das hübsch und gemütlich eingerichtet ist, beziehen. Ein erster Besuch am Strand bestärkt das überwältigende Gefühl: Dies ist das schönste al er Länder, die ich je besucht habe, hier würde ich gerne bleiben.

Nach zwei Tagen haben wir uns gut eingelebt und wol en auf eigene Faust mit dem öffentlichen Bus nach Mombasa und mit der Likoni-Fähre hinüber zu einer Stadtbesichtigung. Unauffällig geht ein Rastaman an uns vorbei, und ich höre:

„Haschisch, Marihuana.“ Marco nickt: „Yes, yes, where we can make a deal?“

Nach einem kurzem Gespräch sollen wir ihm folgen. „Laß das, Marco, es ist zu gefährlich!“ sage ich, doch er achtet nicht auf meine Bedenken. Als wir in eine heruntergekommene, verlassene Gegend kommen, möchte ich das Unternehmen abbrechen, doch der Mann erklärt uns, wir sol en auf ihn warten, und verschwindet daraufhin. Mir ist unbehaglich zumute, und endlich sieht auch Marco ein, daß wir gehen sollten. Wir verziehen uns gerade noch rechtzeitig, bevor der Rastaman in Polizeibegleitung auftaucht. Ich bin wütend und frage aufgebracht: „Siehst du jetzt, was hätte passieren können!?“

Mittlerweile ist es später Nachmittag, wir sollten uns auf den Heimweg machen.

Aber in welche Richtung? Ich weiß nicht mehr, wo diese Fähre ablegt, und auch Marco versagt kläglich. Schon haben wir den ersten handfesten Streit, und erst nach langer Suche sind wir am Ziel, die Fähre ist in Sicht. Hunderte von Menschen mit vollgepackten Kartons, Karren und Hühnern stehen zwischen den wartenden Autos.

Jeder will auf die zweistöckige Fähre.

Endlich sind auch wir an Bord, und das Unfaßbare geschieht. Marco sagt:

„Corinne, schau, da drüben, das ist ein Massai!“ „Wo?“ frage ich und schaue in die gezeigte Richtung. Es trifft mich wie ein Blitzschlag. Da sitzt ein langer, tiefbrauner, sehr schöner, exotischer Mann lässig auf dem Fährengeländer und schaut uns, die einzigen Weißen in diesem Gewühl, mit dunklen Augen an. Mein Gott, denke ich, ist der schön, so etwas habe ich noch nie gesehen. Er ist nur mit einem kurzen, roten Hüfttuch bekleidet, dafür aber reich geschmückt. Seine Stirn ziert ein großer, an bunten Perlen befestigter Perlmuttknopf, der hell leuchtet. Die langen roten Haare sind zu feinen Zöpfchen geflochten, und sein Gesicht ist mit Zeichen bemalt, die bis auf die Brust hinabreichen. Über dieser hängen gekreuzt zwei lange Ketten aus farbigen Perlen, und an den Handgelenken trägt er mehrere Armbänder. Sein Gesicht ist so ebenmäßig schön, daß man fast meinen könnte, es sei das einer Frau.

Aber die Haltung, der stolze Blick und der sehnige Muskelbau verraten, daß er ein Mann ist. Ich kann den Blick nicht mehr abwenden. So, wie er dasitzt in der untergehenden Sonne, sieht er wie ein junger Gott aus.

In fünf Minuten siehst du diesen Menschen nie wieder, denke ich bedrückt, denn dann legt die Fähre an, und al e rennen los, verteilen sich auf die Busse und verschwinden in alle Himmelsrichtungen. Mir wird das Herz schwer, und gleichzeitig bekomme ich kaum noch Luft. Neben mir beendet Marco gerade den Satz „… vor diesen Massai müssen wir uns in acht nehmen, die rauben die Touristen aus.“ Das ist mir im Moment jedoch völlig egal, und ich überlege fieberhaft, wie ich mit diesem atemberaubend schönen Mann in Kontakt kommen kann. Englisch beherrsche ich nicht, und ihn einfach nur anzustarren bringt auch nichts.

Die Ladeklappe wird heruntergelassen, und alle drängen zwischen den abfahrenden Autos an Land. Von dem Massai sehe ich nur noch seinen glänzenden Rücken, als er geschmeidig zwischen den anderen, schwerfällig schleppenden Menschen verschwindet. Aus, vorbei, denke ich und könnte in Tränen ausbrechen.

Weshalb mich das so mitnimmt, weiß ich nicht.

Wir haben wieder festen Boden unter den Füßen und drängen zu den Bussen.

Mittlerweile ist es finster geworden, in Kenia bricht die Dunkelheit innerhalb einer halben Stunde herein. Die vielen Busse füllen sich in kurzer Zeit mit Menschen und Gepäck. Wir stehen ratlos da. Zwar wissen wir den Namen unseres Hotels, aber nicht, an welchem Strand es liegt. Ungeduldig stoße ich Marco an: „Frag doch mal jemanden!“ Das sei meine Sache, meint er, dabei war ich noch nie in Kenia und spreche kein Englisch. Es war ja seine Idee, nach Mombasa zu fahren. Ich bin traurig und denke an den Massai, der sich bereits in meinem Kopf festgesetzt hat.

In völliger Dunkelheit stehen wir da und streiten. Alle Busse sind weg, als hinter uns eine dunkle Stimme „Hello!“ sagt. Wir drehen uns gleichzeitig um, und mir bleibt fast das Herz stehen. „Mein“ Massai! Einen Kopf größer als ich, obwohl ich bereits 1,80 m groß bin. Er schaut uns an und redet in einer Sprache auf uns ein, die wir beide nicht verstehen. Mein Herz scheint aus der Brust zu springen, meine Knie zittern. Ich bin völ ig durcheinander. Marco versucht währenddessen zu erklären, wohin wir müssen. „No problem“, erwidert der Massai, wir sollen warten. Etwa eine halbe Stunde vergeht, in der ich nur diesen schönen Menschen ansehe. Er beachtet mich kaum, Marco hingegen reagiert sehr irritiert. „Was ist eigentlich los mit dir?“ wil er wissen. „Du starrst diesen Mann geradezu penetrant an, ich muß mich schämen.

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