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Ich bin überzeugt, daß al es klappt. Doch als wir schließlich an der Reihe sind, bemängelt der Prüfer sofort die geflickte Batterie und den fehlenden Aufkleber. Ich erkläre ihm, daß wir gerade umziehen und noch nicht wissen, welche Adresse wir in Mombasa haben werden. Es interessiert ihn nicht im geringsten. Ich bekomme keinen Aufkleber ohne feste Adresse. Wir fahren wieder weg, und mir wird das Ganze zu dumm. Ich verstehe nicht, warum es auf einmal so kompliziert ist und fahre einfach weiter. Zwei Tage haben wir gewartet und Geld ausgegeben für nichts. Ich wil nach Mombasa. Wir fahren einige Stunden, um kurz hinter Nairobi in einem Dörfchen ein Lodging zu beziehen. Ich bin völlig erledigt von der Fahrerei, da mich der Linksverkehr viel Konzentration kostet. Jetzt muß ich Windeln waschen und Napirai stillen. Zum Glück schläft sie auf den ungewohnt glatten Straßen viel.

Am nächsten Tag erreichen wir nach sieben Stunden Mombasa. Hier ist das Klima tropisch heiß. Erschöpft stel en wir uns in die Kolonne der wartenden Autos, um mit der Fähre auf die Südseite zu gelangen. Ich krame den Brief von Sophia hervor, den sie mir vor einigen Monaten kurz nach ihrer Ankunft in Mombasa zukommen ließ.

Ihre Adresse ist nahe bei Ukunda. Meine ganze Hoffnung, für den heutigen Abend ein Dach über dem Kopf zu haben, liegt bei ihr.

Nach nochmals gut einer Stunde finden wir den Neubau, in dem Sophia jetzt lebt.

Aber niemand öffnet in dem feudalen Haus. Ich klopfe nebenan, und es erscheint eine Weiße, die mir berichtet, Sophia sei für zwei Wochen nach Italien gereist. Meine Enttäuschung ist groß, und ich überlege, wo wir noch Unterkunft finden könnten.

Eigentlich kommt nur noch Priscilla in Frage, aber mein Mann weigert sich, da er lieber an die Nordküste will. Damit bin ich nicht einverstanden, weil ich dort so schlechte Erfahrungen gemacht habe. Die Stimmung ist gereizt, deshalb fahre ich einfach zu unserem alten Village. Dort stellen wir fest, daß von den fünf Häuschen nur noch eines bewohnbar ist. Wenigstens erfahren wir, daß Priscilla in das nächste Village, fünf Minuten mit dem Wagen entfernt, gezogen ist.

Sehr schnell erreichen wir das Kamau-Village, das hufeisenförmig angelegt ist. Die Gebäude sind aneinander gebaute Zimmer wie die Lodgings in Maralal, in der Mitte mit einem großen Shop. Sofort bin ich begeistert von diesem Vil age. Als wir aus dem Wagen steigen, erscheinen neugierig die ersten Kinder, und aus dem Shop lugt der Besitzer. Plötzlich kommt Priscil a auf uns zu. Sie kann es kaum glauben, uns hier zu sehen. Ihre Freude ist groß, besonders als sie Napirai entdeckt. Auch sie hat in der Zwischenzeit noch einen Jungen bekommen, der etwas älter als Napirai ist. Gleich nimmt sie uns in ihr Zimmer mit, kocht Tee, und wir müssen erzählen. Als sie erfährt, daß wir in Mombasa bleiben wollen, ist sie überglücklich. Sogar Lketinga lässt sich zum ersten Mal seit der Abreise von ihrer Freude anstecken. Sie bietet uns ihr Zimmer an und sogar ihr Wasser, das auch hier in großen Kanistern aus dem Brunnen geholt wird. Heute abend wird sie bei einer Freundin schlafen, und morgen wil sie uns etwas Eigenes organisieren. Wieder einmal bin ich überwältigt, wie unkompliziert und gastfreundlich sie ist.

Nach der anstrengenden Fahrt gehen wir früh schlafen. Am nächsten Morgen hat Priscil a für uns bereits ein Zimmer am Anfang der Reihe aufgetrieben, damit unser Wagen nebenan stehen kann. Der Raum ist etwa drei mal drei Meter. Alles ist aus Beton, nur das Dach ist aus Stroh. Heute sehen wir auch einige der anderen Bewohner. Es sind alles Samburu-Krieger, die wir zum Teil sogar noch kennen.

Lketinga spricht und lacht schon bald mit ihnen, während er Napirai stolz bei sich hat.

Neue Hoffnung

Als ich zum ersten Mal den Shop besichtige, fühle ich mich wie im Paradies. Hier bekomme ich einfach al es, sogar Brot, Milch, Butter, Eier, Früchte, und das zweihundert Meter von der Wohnung entfernt! In bezug auf eine neue Existenz in Mombasa wächst meine Zuversicht.

James will endlich das Meer sehen, und wir machen uns zusammen auf den Weg.

Zu Fuß erreichen wir den Strand in knapp einer halben Stunde. Der Anblick des Meeres erfüllt mich mit Freude und einem Gefühl der Freiheit. Was ich allerdings nicht mehr gewohnt bin, sind die weißen Touristen in ihren knappen Badehosen.

James, der das noch nie gesehen hat, schaut verschämt darüber hinweg und bestaunt die Wassermasse. Er ist, wie damals sein älterer Bruder, völlig irritiert.

Dafür spielt Napirai freudig im Sand unter schattenspendenden Palmen. Hier kann ich mir mein Leben in Kenia wieder vorstel en.

Wir gehen in eine für Europäer errichtete Beach-Bar, um unseren Durst zu stillen.

Alle starren uns an, und ich komme mir in meinem geflickten, wenn auch sauberen Rock unter den neugierigen Blicken etwas verloren vor. Von meinem früheren Selbstvertrauen ist nicht viel übriggeblieben. Als mich eine Deutsche anspricht und wissen will, ob Napirai mein Baby sei, fehlen mir sogar die Worte, um zu antworten.

Zu lange habe ich kein Deutsch oder gar Schweizerdeutsch mehr gesprochen. Ich komme mir wie eine Idiotin vor, als ich in Englisch antworten muß.

Lketinga fährt am nächsten Tag an die Nordküste. Dort wil er ein paar Schmuckstücke einkaufen, um bei den Massai-Tänzen mit anschließendem Schmuckverkauf mitmachen zu können. Ich freue mich, daß auch er sich fürs Geldverdienen interessiert. Zu Hause wasche ich Windeln, während James mit Napirai spielt. Zusammen mit Priscilla schmieden wir Zukunftspläne. Sie ist begeistert, als ich ihr eröffne, daß ich einen Laden suche, um mit den Touristen ins Geschäft zu kommen. Da James nicht länger als einen Monat bleiben kann, weil er wegen seiner großen Beschneidungszeremonie nach Hause muß, beschließe ich, mit Priscilla die Hotels abzuklappern, um eventuell einen freien Laden zu finden.

In den feudalen Hotels werden wir von den Geschäftsführern zum Teil skeptisch empfangen, um dann auch gleich eine Absage zu bekommen. Beim fünften Hotel ist mein ohnehin geringes Selbstvertrauen geschwunden, und ich komme mir wie eine Bettlerin vor. Natürlich sehe ich nicht wie eine ordentliche Geschäftsfrau aus mit meinem rotkarierten Rock und dem Baby auf dem Rücken. Per Zufall hört ein Inder an einer Rezeption unser Gespräch und schreibt mir eine Telefonnummer auf, unter der ich seinen Bruder erreichen kann. Schon am nächsten Tag fahren mein Mann, James und ich nach Mombasa, um uns mit diesem Mann zu treffen. Er hat in der Nähe eines Supermarktes in einer neu erstel ten Siedlung etwas frei, al erdings für umgerechnet 700 Franken Miete im Monat. Zuerst wil ich schon abwinken, da mir dieser Betrag viel zu hoch erscheint doch dann lasse ich mir das Gebäude zeigen.

Das Geschäft liegt ganz feudal etwas abseits der Hauptstraße am Diani-Beach. Mit dem Auto sind es fünfzehn Minuten von zu Hause. Im Gebäude ist bereits ein riesiger, indischer Souvenirshop und gegenüber ein neu eröffnetes Chinarestaurant, der Rest steht leer. Da das Ganze treppenförmig angelegt ist, sieht man von der Straße den Laden nicht. Trotzdem ergreife ich diese Möglichkeit, obwohl es nur etwa 60 Quadratmeter sind. Der Raum ist absolut kahl, und Lketinga versteht nicht, warum ich soviel Geld für einen leeren Laden ausgebe. Er geht weiterhin zu den Touristenaufführungen, doch das erwirtschaftete Geld verschwindet beim anschließenden Bier- oder Miraakonsum, was zu unschönen Auseinandersetzungen führt.

Während Einheimische nach meinen Plänen die Holzgestelle bauen, organisiere ich mit James in Ukunda Holzpfähle und bringe sie mit dem Wagen zum Shop.

Tagsüber arbeiten wir wie die Wilden, während mein Mann mit anderen Kriegern in Ukunda herumhängt.

Am Abend koche und wasche ich meistens noch, und wenn Napirai schläft, unterhalte ich mich mit Priscil a. Lketinga nimmt bei Anbruch der Nacht den Wagen und fährt die Krieger zu den verschiedenen Aufführungsplätzen. Mir ist dabei nicht wohl, weil er keinen Führerschein hat und außerdem Bier trinkt. Wenn er nachts wieder erscheint, weckt er mich und will wissen, mit wem ich mich unterhalten habe.

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