Samt Trauzeugen und dem älteren Bruder, der noch nie eine große Reise unternommen hat, brechen wir am nächsten Tag auf. Bis Nyahururu fahren wir mit unserem Landrover, dann mit dem Bus nach Nairobi. Der Bruder kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Für mich ist es eine Freude, jemanden zu beobachten, der mit vierzig Jahren das erste Mal eine Stadt besucht. Er ist sprachlos und noch hilfloser als Lketinga. Nicht einmal eine Straße kann er ohne unsere Hilfe überqueren. Wenn ich ihn nicht bei der Hand nehmen würde, bliebe er sicherlich bis zum Abend am selben Fleck stehen, weil ihn der Verkehr und die vielen Autos ängstigen. Beim Anblick der riesigen Wohnblocks versteht er nicht, wie die Leute übereinander leben können. Endlich erreichen wir das Nyayo-Gebäude. Ich stelle mich in die wartende Kolonne, um wieder einige Formulare auszufüllen. Als ich das schließlich geschafft habe, meint die Dame hinter dem Schalter, wir sol en in etwa drei Wochen nachfragen. Protestierend versuche ich ihr klarzumachen, daß wir von sehr weit her kommen und auf keinen Fall ohne gültigen Eintrag im Paß zurückfahren. Fast flehe ich sie an, doch sie sagt höflich, al es habe seinen Weg zu gehen, sie werde versuchen, es in etwa einer Woche hinzukriegen. Da ich merke, daß dies das letzte Wort war, bedanke ich mich.
Draußen besprechen wir die Lage. Wir sind zu viert und müssen eine Woche warten. In Nairobi ist das mit meinen drei Buschmännern unvorstellbar. Deshalb schlage ich vor, nach Mombasa zu fahren, damit der Bruder auch einmal ans Meer kommt. Lketinga ist einverstanden, da er sich in Begleitung sicher fühlt. So treten wir die achtstündige Reise an, sozusagen unsere Hochzeitsreise.
In Mombasa besuchen wir als erstes Priscilla. Über unsere Hochzeit freut sie sich riesig und glaubt auch, daß jetzt al es gut wird. Lketingas Bruder will nun endlich ans Meer, doch als er vor der riesigen Wassermenge steht, muß er sich an uns festhalten. Näher als zehn Meter geht er nicht ans Wasser, und nach zehn Minuten müssen wir den Strand verlassen, zu groß ist seine Furcht. Ich zeige ihm auch ein Touristen-Hotel. Er kann nicht glauben, was er sieht. Einmal fragt er meinen Mann, ob wir wirklich noch in Kenia sind. Es ist ein schönes Gefühl, jemandem, der noch staunen kann, diese Welt zu zeigen. Später gehen wir essen und trinken, wobei er zum ersten Mal Bier trinkt, was ihm nicht gut bekommt. In Ukunda finden wir ein schäbiges Lodging.
Die Tage in Mombasa kosten mich eine Menge Geld. Die Männer trinken Bier, und ich sitze dabei, denn al ein mag ich nicht an den Strand. Langsam werde ich sauer, ständig den Bierkonsum für drei Personen zu bezahlen, und so bleiben die ersten kleinen Streitigkeiten nicht aus. Lketinga, der nun offiziel mein Mann ist, versteht mich nicht und meint, es sei meine Schuld, so lange warten zu müssen, bevor wir nach Nairobi zurück können. Er begreife sowieso nicht, warum ich noch einen Stempel brauche. Schließlich habe er mich geheiratet, und dadurch sei ich eine Leparmorijo und Kenianerin. Die anderen stimmen ihm zu. Ich sitze da und weiß auch nicht, wie ich ihnen den ganzen Bürokram erklären soll.
Nach vier Tagen brechen wir mißmutig auf. Mit Müh und Not bringe ich Lketinga nochmals, und wie er sagt, das letzte Mal, in dieses Office in Nairobi. Inständig hoffe ich, daß ich den Stempel schon heute bekomme. Erneut erkläre ich unser Anliegen und bitte nachzuschauen, ob es geklappt hat. Wieder heißt es warten. Die drei machen sich gegenseitig nervös und mich dazu. Die Leute starren uns ohnehin entgeistert an. Eine Weiße mit drei Massai gibt es nicht al e Tage im Office.
Endlich werden mein Mann und ich aufgerufen, wir sollen einer Dame folgen. Als wir vor einem Personenlift warten, ahne ich bereits, was passiert, wenn Lketinga da hineingehen sol. Die Lifttüre öffnet sich, und eine Menschenmasse quil t heraus.
Erschrocken starrt Lketinga in die leere Kabine und fragt: „Corinne, what's that?“
Ich versuche ihm zu erklären, daß wir mit dieser Kiste in den zwölften Stock fahren.
Die Dame wartet bereits ungeduldig am Lift. Lketinga will nicht. Er hat Angst, in die Höhe zu fahren. „Darling, please, this is no problem, if we are in the 12th floor you go around like now. Please, please come!“
Ich flehe ihn an zuzusteigen, bevor die Dame keine Arbeitslust mehr verspürt.
Tatsächlich steigt er endlich mit großen Augen ein.
Wir werden in ein Büro geführt, wo uns eine strenge Afrikanerin erwartet. Sie fragt mich, ob ich wirklich mit diesem Samburu verheiratet bin. Von Lketinga will sie wissen, ob er in der Lage sei, für mich mit Haus und Essen zu sorgen. Er schaut mich groß an: „Corinne, please, which house I must have?“
Mein Gott, denke ich, sag einfach nur ja! Die Frau schaut zwischen uns hin und her. Meine Nerven sind so angespannt, daß mir der Schweiß aus al en Poren läuft.
Den Blick streng auf mich gerichtet fragt sie: „You want to have children?“ „O yes, two“,
ist meine prompte Antwort. Es folgt Schweigen. Dann endlich geht sie zum Pult und sucht unter verschiedenen Stempeln einen aus. Ich zahle 200 Schilling und bekomme meinen abgestempelten Paß zurück. Vor Freude könnte ich heulen.
Endlich, endlich geschafft! Ich kann in meinem geliebten Kenia bleiben. Jetzt nichts wie raus und nach Barsaloi, nach Hause!
Unsere eigene Manyatta
Mama ist glücklich, daß alles gelungen ist. Nun sei es an der Zeit, die traditionelle Samburu-Heirat zu planen. Außerdem müssen wir eine eigene Manyatta haben, denn nach der Heirat dürfen wir nicht mehr in ihrem Haus wohnen. Da ich geheilt bin von den ewigen Officebesuchen, lasse ich den Gedanken an ein richtiges Haus fal en und bitte Lketinga, nach Frauen auszuschauen, die uns eine große, schöne Manyatta bauen. Ich werde Äste mit dem Landrover holen, doch bauen kann ich die Hütte nicht. Als Lohn wird es eine Ziege geben.
Nach kurzer Zeit erstel en vier Frauen, darunter seine beiden Schwestern, unsere Manyatta. Sie soll doppelt so groß wie die von Mama werden und auch höher, so daß ich fast darin stehen kann.
Die Frauen arbeiten nun schon zehn Tage, und ich kann es kaum erwarten, bis wir einziehen können. Die Hütte wird fünf auf dreieinhalb Meter. Der Umriß wird zuerst mit dicken Pfosten abgesteckt, die dann mit den Weidenästen verflochten werden.
Das Innere teilen wir in drei Plätze auf. Gleich neben dem Eingang ist die Feuerstelle. Darüber hängt ein Gestell für Tassen und Töpfe. Nach anderthalb Metern folgt eine geflochtene Trennwand, die eine Hälfte dahinter ist nur für meinen Darling und mich. Auf den Boden kommt ein Kuhfel, darauf eine Strohmatte und auf diese dann meine gestreifte Schweizer Wolldecke. Über unserem Schlafplatz wird das Moskitonetz hängen. Gegenüber der Schlafstelle ist eine zweite Schlafmöglichkeit für zwei bis drei Besucher geplant. Ganz hinten am Kopfende soll ein Gestell für meine Kleider stehen. Im Groben ist unsere Superhütte schon fertig, nur der Putz, das heißt Kuhmist, muß noch aufgebracht werden. Da aber in Barsaloi keine Kühe sind, fahren wir nach Sitedi zu Lketingas Halbbruder und beladen unseren Landrover mit Kuhfladen. Wir müssen dreimal fahren, bis wir genügend zusammen haben.
Zwei Drittel der Hütte werden von innen mit dem Dung verputzt, der in der großen Hitze schnell trocknet. Ein Drittel und das Dach werden von außen verputzt, damit der Rauch durch das poröse Dach entweichen kann. Es ist spannend, den Hausbau zu verfolgen. Die Frauen schmieren den Mist mit bloßen Händen um die Hütte und lachen über meine gerümpfte Nase. Wenn al es fertig ist, können wir in einer Woche einziehen, denn bis dahin ist der Mist steinhart und geruchlos.
Samburu-Hochzeit
Wir verbringen die letzten Tage in Mamas Hütte. Alles dreht sich jetzt um unsere bevorstehende Samburu-Hochzeit. Jeden Tag treffen ältere Männer oder Frauen bei Mama ein, um einen möglichen Termin zu finden. Wir leben ohne Datum oder bestimmte Tage, alles richtet sich nach dem Mond. Ich würde gern zu Weihnachten feiern, doch das kennen die Massai nicht, außerdem wissen sie nicht, wie der Mond dann steht. Aber vorläufig haben wir diesen Termin geplant. Da noch nie Weiß und Schwarz hier geheiratet haben, wissen wir nicht, wie viele Leute kommen werden. Es wird sich von Dorf zu Dorf weitersprechen, und erst am Hochzeitstag werden wir sehen, wer uns die Ehre erweist. Je mehr Menschen, vor allem Alte, kommen, desto mehr Ansehen genießen wir.