Eines Abends kommt der Wildhüter vorbei, ein ruhiger, stattlicher Mann, der mir sofort sympathisch ist. Leider spricht auch er nur spärlich Englisch. Er unterhält sich lange mit Lketinga. Nach geraumer Zeit bin ich neugierig und frage nach. Mein Mann erklärt mir, daß uns der Wildhüter seinen neu erstellten Shop, der außer als Lager für Pater Giulianos Mais ungenutzt ist, vermieten will. Aufgeregt frage ich, was er denn kosten würde.
Er schlägt vor, morgen gemeinsam den Shop zu besichtigen und anschließend zu verhandeln. In dieser Nacht schlafe ich unruhig, denn Lketinga und ich haben schon Pläne geschmiedet. Nach dem morgendlichen Waschen am Fluß schlendern wir durch das Dorf zum Shop. Mein Mann spricht mit jeder entgegenkommenden Person. Es geht um unsere Hochzeit. Sogar die Somalis kommen aus ihren Geschäften und fragen, wann es soweit ist. Aber wir wissen von den Alten immer noch nichts Genaues. Im Moment wil ich nur den Shop sehen und dränge Lketinga weiter.
Der Wildhüter erwartet uns schon im geöffneten, leeren Haus. Ich bin sprachlos.
Es ist ein gemauertes Gebäude in der Nähe der Mission, von dem ich immer dachte, es gehöre Pater Giuliano. Der Shop ist riesig, mit einem Tor, das sich nach vorne öffnet. Links und rechts davon sind Fenster. In der Mitte steht so etwas wie eine Verkaufstheke, und an der hinteren Wand sind richtige Holzgestelle. Hinter einer Zwischentür befindet sich ein gleich großer Raum, der als Lager oder Wohnung dienen könnte. Ich kann mir gut vorstellen, hier mit etwas Geschick den schönsten Laden in ganz Barsaloi und Umgebung zu betreiben. Aber ich muß meine Begeisterung verbergen, wenn ich den Mietzins nicht in die Höhe treiben will. Wir einigen uns auf umgerechnet 50 Franken, sofern Lketinga die Shop-Lizenz bekommt.
Vorher will ich mich noch nicht festlegen, zu schlecht sind meine Ämtererfahrungen.
Der Wildhüter ist einverstanden, und wir kehren zur Mama zurück. Lketinga erzählt ihr alles, und sie geraten in eine Auseinandersetzung. Danach übersetzt er mir lachend: „Mama hat Angst, daß es Probleme mit den Somalis geben könnte, weil die Leute nicht mehr in ihre Läden gehen würden. Die Somalis sind gefährlich und könnten uns Böses anwünschen. Erst will sie unsere Hochzeit hinter sich haben.“
Dann schaut Mama mich lange, sehr lange an und meint, ich solle meinen Oberkörper besser bekleiden, damit nicht jeder sieht, daß ich ein Baby im Bauch trage. Als Lketinga versucht, mir dies zu übersetzen, bin ich sprachlos. Ich und schwanger? Doch nach längerem Überlegen wird mir klar, daß meine Periode schon fast drei Wochen ausgeblieben ist, was mir nicht bewußt war. Aber schwanger?
Nein, das würde ich doch merken!
Warum Mama das denke, frage ich Lketinga. Sie kommt zu mir und zeichnet mit dem Finger die Linien der Adern nach, die zu den Brüsten führen. Dennoch kann ich es nicht recht glauben und weiß im Moment nicht, ob es mir mit dem geplanten Shop auch passen würde. Abgesehen davon wünsche ich mir natürlich von meinem Mann Kinder, vor allem eine Tochter. Mama ist überzeugt, daß ihre Prognose stimmt und mahnt Lketinga, er müsse mich nun in Ruhe lassen. Überrascht frage ich: „Why?“
Mühsam erklärt er mir, wenn eine schwangere Frau mit einem Mann Verkehr habe, würden die Kinder später eine verstopfte Nase bekommen. Obwohl er es offensichtlich ernst meint, muß ich lachen. Solange ich selbst nicht sicher bin, möchte ich nicht ohne Sex leben.
Zwei Tage später, als wir vom Fluß kommen, sitzen mehrere Personen unter Mamas Baum und palavern. Wir bleiben in Mamas Hütte. Unsere ist in drei Tagen bezugsfertig, was bedeutet, daß ich selbst Feuer machen muß und für das Brennholz verantwortlich bin. Wasser kann ich mit dem Wagen vom Fluß holen, sofern niemand für etwas Kleingeld dies erledigen wil. Da ich jedoch mit fünf Litern schlecht auskomme, möchte ich einen Zwanzig-Liter-Kanister im Haus haben.
Mama kommt in die Manyatta und spricht mit Lketinga. Er wirkt aufgewühlt, und ich frage: „What's the problem?“ „Corinne, we have to make the ceremony in five days, because the moon is good.“
In fünf Tagen soll also bereits die Hochzeit sein? Da müssen wir sofort nach Maralal, um Reis, Tabak, Tee, Süßigkeiten, Getränke und andere Waren zu besorgen!
Lketinga ist unglücklich, weil er seine Haare nicht mehr neu flechten lassen kann.
Dies dauert Tage von früh bis spät. Selbst Mama ist hektisch, weil sie Unmengen Maisbier brauen muß, was auch knapp eine Woche dauert. Eigentlich will sie uns nicht mehr weglassen, doch im Dorf gibt es keinen Zucker und keinen Reis, nur Maismehl. Ich gebe ihr Geld, damit sie mit dem Bierbrauen beginnen kann, Lketinga und ich fahren los.
In Maralal kaufen wir fünf Kilo Kautabak, der für die Alten unbedingt vorhanden sein muß, hundert Kilo Zucker, ohne den der Tee unvorstellbar wäre, sowie zwanzig Liter H-Milch, weil ich nicht weiß, wie viele Frauen Milch mitbringen werden, was eigentlich üblich ist. Ich will kein Risiko eingehen, es soll ein schönes Fest werden, auch wenn viel eicht nur wenige Leute erscheinen. Dann brauchen wir noch Reis, doch den gibt es im Moment nicht. Ich fasse Mut, bei der Maralal-Mission darum zu bitten. Zum Glück verkauft uns der Missionar seinen letzten Zwanzig-Kilo-Sack.
Schließlich müssen wir zur Schule, um James zu informieren. Der Headmaster erklärt uns, die Schüler hätten ab dem 15. Dezember Ferien, und da wir unser Fest am 17. Dezember veranstalten, sei es für ihn kein Problem, dabei zu sein. Ich freue mich auf ihn. Zuletzt beschließe ich, ein altes Benzinfaß zu kaufen, damit wir es gereinigt als Wassertank benutzen können. Als wir außerdem Süßigkeiten für die Kinder im Wagen verstaut haben, ist es bereits nach fünf Uhr.
Dennoch entscheiden wir, sofort wieder zurückzufahren, so können wir das gefährliche Waldstück gerade noch vor dem Dunkelwerden passieren. Mama ist über unsere Rückkehr erleichtert. Die Nachbarn kommen gleich, um Zucker zu erbetteln, aber Lketinga ist diesmal hart. Er schläft im Auto, damit nichts wegkommt.
Es folgen einige Bilder:
• Lketinga
• Meine wichtigsten Aufenthaltsorte in Kenia (Landkarte mit den bekannten Orten)
• Lketinga mit Kopfschmuck und frisch gefärbten roten Haaren
• Am Fluß beim Wasserholen
• In diesem ersten Zuhause lebte ich gemeinsam mit Lketinga und seiner Mutter mehr als ein Jahr lang
• Vor seiner neuen Manyatta
• Meine Samburu-Hochzeit in Weiß
• Unsere Tochter Napirai mit ihren stolzen Eltern
• Bei der Herde
• Beim Schlachten einer Kuh im Busch, in der Bildmitte Lketingas Schwester
• Mama Masulani, Lketingas Mutter, mit Saguna und drei weiteren Enkelkindern
Am nächsten Tag zieht er los, um einige Ziegen zu kaufen, die wir schlachten müssen. Unsere will ich nicht töten, da ich inzwischen jede kenne. Ein Ochse muß auch her. Am Fluß versuche ich, das alte Benzinfaß vom Geruch zu befreien, was nicht so einfach ist. Den ganzen Morgen rolle ich das mit Omo und Sand gefül te Faß hin und her, bis es einigermaßen sauber ist. Drei Kinder helfen mir, mit Büchsen das Faß mit Wasser zu fül en. Mama steckt den ganzen Tag im Busch und braut Bier, weil das im Dorf verboten ist. Gegen Abend suche ich die Mission auf, verkünde die Nachricht von unserem Fest und frage um einige Kirchenbänke und Eßgeschirr nach. Pater Giuliano zeigt sich nicht überrascht, weil er es von seiner Angestellten schon vernommen hat, und sichert mir zu, daß ich am Tage unserer Hochzeit die gewünschten Sachen abholen darf. Da ich vor einiger Zeit, als ich meine Benzinfässer einstel en durfte, auch mein Brautkleid bei der Mission deponierte, damit es in der Manyatta nicht schwarz wird, bitte ich ihn, mich in der Mission umziehen zu dürfen. Er ist überrascht über meine Absicht, hier in Weiß zu heiraten, doch er ist einverstanden.
Nur noch zwei Tage, und Lketinga ist immer noch nicht zurück von seiner