«Mr. Swift!«Der junge Mann fuhr zusammen.»Rufen Sie das Boot zurück und wechseln Sie die Mannschaft aus. Es gehört zu Ihren Aufgaben, daran zu denken!«Ross, der große Steuermannsmaat, der auf Bolithos Befehl gleichfalls provisorisch zum Leutnant ernannt worden war,
kam zu ihm geschlendert.
Grollend sagte Herrick:»Und fragen Sie mich jetzt nicht auch, was ich tun werde.»
Ross' Gesicht blieb unbeweglich.»Das war gar nicht meine Absicht, Sir.»
Bei der Pforte war das Scharren von Füßen zu hören, und Swift kam nach achtern gerannt, sein sonnenverbranntes Gesicht zuckte vor Aufregung.
«Sir! Der Wachtposten hat auf der Insel zwei Männer entdeckt. Als ich das Wachtboot anrief, schienen sie aus dem Nichts aufzutauchen.»
Herrick griff rasch nach einem Glas und richtete es auf das Ufer. Einen Augenblick konnte er wegen des tanzenden Dunsts, in dem die niedrigen Hügel wie Gelee zitterten, nichts ausmachen. Dann sah er sie: zwei schwankende, hilflose Gestalten, die sich gegenseitig stützten, manchmal fielen, sich wieder aufrichteten und weiter zum Ufer taumelten. Wie zwei betrunkene Vogelscheuchen, dachte er. Ross meldete laut:»Die Kanus haben sie auch entdeckt,
Sir.»
Herrick schwang das Teleskop herum. Masten, Wanten und dann offenes Wasser fegten durch das Blickfeld der starken Linsen, die sich dann auf das nächste Kanu richteten. Der Abstand betrug eine Meile, aber an seinen Absichten bestanden keine Zweifel. Die Eingeborenen mußten die beiden Männer auf der Insel auch entdeckt haben. Das nächstgelegene Kanu war ein imposantes Fahrzeug mit einem großen, burgähnlichen Aufbau am Heck, mit Kriegsschmuck aus Vogelfedern verziert und reich geschnitzt. Es muß mindestens vierzig Fuß lang sein, dachte er mit fachmännischem Interesse.
Er bellte:»Alarmieren Sie die Besatzung, aber schicken Sie sie nicht auf Gefechtsstation. Mr. Brass soll die
Zwölfpfünder feuerbereit machen. Ich werde nicht dulden,
daß diese Burschen unverschämt werden.»
Pfeifen trillerten unter den Decks, und aus allen Richtungen erschienen Seeleute und Marinesoldaten.
Borlase bemerkte:»Aufjeden Fall sind sie beide Weiße.»
Das Wachtboot, dessen Besatzung die beiden Männer am
Ufer noch nicht wahrgenommen hatte, erreichte dankbar den Schatten der Tempest. Herrick lief zur Gangway, und als er sich aus dem Schatten der Sonnensegel hinaus über die Reling beugte, spürte er die Sonne wie ein Brandeisen im Nacken. Schultz, der deutsche Bootsmannsmaat, blickte zu ihm auf.
Herrick schrie ihm zu:»Fahren Sie zurück zum Ufer. Sagen Sie den beiden Männern, sie sollen zu Ihnen herausschwimmen. Schicken Sie ihnen einen Mann entgegen, wenn es sein muß. Aber bleiben Sie mit dem Boot vom Strand fort.»
Die Köpfe im Boot wandten sich zwischen der Insel und den Kanus hin und her.
Herrick fügte hinzu:»Noch was, Schultz! Überlassen Sie das Anrufen einem anderen.«»Ja, Sir. Ich verstehe. «Er grinste.
«Mein Gott!«Herrick zog sich wieder in den Schatten zurück.»Diese verdammte Hitze!»
Er sah zu den lose aufgegeiten Segeln hinauf, die innerhalb von Minuten gesetzt werden konnten. Die Tempest war jämmerlich unterbemannt, aber so einsatzbereit für einen Kampf, wie ein Schiff es nur sein konnte. Eine Stückpforte wurde geöffnet und einer der Zwölfpfünder knarrend ins Sonnenlicht ausgefahren. Mr. Brass, der Stückmeister, stand, die Hände in die Hüften gestützt, und beobachtete die von ihm bestimmte Mannschaft beim Laden und Einrammen der glänzenden, schwarzen Kugel. Neben dem Stückmeister versuchte Midshipman Romney, klein und zierlich neben den robusten Matrosen, keinem im Weg zu stehen.»Feuerbereit, Sir.»
Herrick nickte. Die Kanus waren jetzt viel näher, die Paddel hoben und senkten sich in vollkommenem Gleichmaß. Er schauderte trotz der Hitze. Er dachte an andere Gelegenheiten, als er sie ohne den Schutz der soliden Schiffsplanken beobachtet hatte.
«Darf ich sprechen, Sir?«Es war ein junger Matrose namens Gwynne, den Herrick von der Eurotas angeworben hatte. Er hatte sich gut eingefügt und schien mit seiner merklich rauheren Umgebung recht zufrieden zu sein.»Ja, Gwynne.»
Der Matrose trat verlegen von einem nackten Fuß auf den anderen, als sich die Offiziere um ihn scharten. Selbst Prideaux war jetzt dabei, obwohl sein Fuchsgesicht Mißbilligung verriet.
«Diese zwei Leute, Sir. Ich kenne sie. Sie sind von der Eurotas. Genau wie ich.»
Herrick fixierte ihn.»Sind Sie sicher, Mann? Nehmen Sie das Glas und sehen Sie noch mal hin.»
Prideaux sagte gedämpft:»Wenn das stimmt, müssen sie
übergelaufen sein, als Tuke das Schiff überfiel.»
«Das weiß ich auch. «Herrick beherrschte mühsam seinen
Ärger.»Bringt sie nach achtern, sobald sie an Bord sind.»
Gwynne nickte nachdrücklich.»Aye, Sir. Sie sind es bestimmt. Der Große heißt Latimer, gehörte zur
Vormastcrew. Ziemlich dummer Kerl. Der andere ist
Mossel, Vollmatrose. «Er schnitt eine Grimasse.»Ein richtiger Galgenvogel.»
Borlase blähte die Wangen auf.»Und genau als das wird er enden.»
Herrick nickte Gwynne zu.»Danke. Das ist eine wertvolle
Hilfe.»
Er sah zu den beiden Gestalten auf der Insel, die jetzt im Wasser wateten und dann plötzlich auf das Boot zuschwammen.
Der Meeresgrund fiel schnell steil ab, wie Herrick festgestellt hatte, als er ankerte. Aber Schultz hatte die beiden Schwimmer schon erreicht.»Die Kanus drehen ab, Sir.»
Herrick spähte zu den schlanken Kanus mit ihren eifrigen Paddlern hinaus. Vielleicht hatten sie darauf gelauert, diese beiden Vogelscheuchen selbst zu fassen. Herrick dachte an das, was Tinah von dem Leutnant der Miliz berichtet hatte: bei lebendigem Leib in Lehm gebacken. Es war zu grausig, auch nur daran zu denken.
Er rief:»Entladen Sie das Geschütz. Es hat keinen Sinn, eine gute Kugel zu vergeuden.»
Brass legte die Hand an die Stirn. Er sah enttäuscht aus, fand
Herrick.
Er sah den Arzt und einen seiner Gehilfen bei der Einstiegspforte warten.
«Schaffen Sie sie zu mir, wenn Sie sie untersucht haben. «Gwyther sah ihn überrascht an.»Aber sie könnten sehr krank sein, Sir. Sie haben selbst gesagt, daß es auf der Insel kein Wasser gibt.»
«Ich sagte >untersucht<, Mr. Gwyther. «Er war nicht bereit, sich noch einmal mit der Frage des» Ausgewogenseins «zu befassen.»Und ich meinte, nicht erst, nachdem sie sich einen Monat lang erholt haben.»
In der Kajüte saß er an Bolithos Schreibtisch, während
Cheadle, der Schreiber, vor einer kleinen Truhe kniete und wie besessen in Papieren wühlte.
Prideaux klopfte an die Tür.»Es ist soweit, Mr. Herrick.»
Die beiden Männer kamen in die Kajüte. Sie blinzelten benommen und wurden von Pearse, dem Schiffskorporal,
und Scollay, dem Schiffsprofoß, halb gestützt.
Gwyther benahm sich wie ein aufgescheuchter Vogel.»Ich schlage vor, daß sie sich setzen dürfen, Sir«, sagte er.
Herrick musterte die beiden Männer kalt.»Wann ich es für richtig halte.»
Sie waren in schlechter Verfassung. Ausgemergelt und mit wilden Augen, die Münder und einen großen Teil der Haut von Schwären bedeckt, die Lippen aufgesprungen vom Durst.
Er erinnerte sich an das, was Gwynne von Mossel gesagt hatte, und wollte es gern glauben. Untersetzt und mit niedriger Stirn wie er war, konnte es nicht viel gekostet haben, um aus ihm einen Piraten zu machen. Herrick sagte:»Ihr seid von der Eurotas.«Er beobachtete den überraschten Blickwechsel.»Ihr könnt mir also das Märchen ersparen, daß ihr Schiffbrüchige wärt und als einzige überlebt hättet. Das haben schon klügere und glaubwürdigere Schurken als ihr versucht. «Der große, schlacksige Matrose namens Latimer versuchte, näher an den Schreibtisch zu treten, aber Scollay knurrte:»Bleib stehen, Kerl.»
Latimer sagte mit heiserer, verängstigter Stimme:»Es war nicht meine Schuld, Sir.»