Verspreche dir zugleich, in kurzer Zeit
Erhältst du abgeschrieben dein Gedicht.
Es bleibt von deiner Hand in meinen Händen,
Damit ich seiner erst mit meinen Schwestern
Mich recht erfreuen möge. Bringst du es
Vollkommner dann zurück; wir werden uns
Des höheren Genusses freun, und dich
Bey mancher Stelle nur als Freunde warnen.
Tasso .
Ich wiederhohle nur beschämt die Bitte:
Laß mich die Abschrift eilig haben, ganz
Ruht mein Gemüth auf diesem Werke nun.
Nun muß es werden was es werden kann.
Alphons .
Ich billige den Trieb der dich beseelt!
Doch, guter Tasso, wenn es möglich wäre,
So solltest du erst eine kurze Zeit
Der freyen Welt genießen, dich zerstreuen,
Dein Blut durch eine Cur verbessern. Dir
Gewährte dann die schöne Harmonie
Der hergestellten Sinne, was du nun
Im trüben Eifer nur vergebens suchst.
Tasso .
Mein Fürst, so scheint es; doch, ich bin gesund,
Wenn ich mich meinem Fleiß ergeben kann,
Und so macht wieder mich der Fleiß gesund.
Du hast mich lang' gesehn, mir ist nicht wohl
In freyer Üppigkeit. Mir läßt die Ruh'
Am mind'sten Ruhe. Dieß Gemüth ist nicht
Von der Natur bestimmt, ich fühl' es leider,
Auf weichem Element der Tage froh
In's weite Meer der Zeiten hinzuschwimmen.
Alphons .
Dich führet alles, was du sinnst und treibst,
Tief in dich selbst. Es liegt um uns herum
Gar mancher Abgrund, den das Schicksal grub;
Doch hier in unserm Herzen ist der tiefste,
Und reitzend ist es sich hinab zu stürzen.
Ich bitte dich, entreiße dich dir selbst!
Der Mensch gewinnt, was der Poet verliert.
Tasso .
Ich halte diesen Drang vergebens auf,
Der Tag und Nacht in meinem Busen wechselt.
Wenn ich nicht sinnen oder dichten soll,
So ist das Leben mir kein Leben mehr.
Verbiethe du dem Seidenwurm zu spinnen,
Wenn er sich schon dem Tode näher spinnt.
Das köstliche Geweb' entwickelt er
Aus seinem Innersten, und läßt nicht ab,
Bis er in seinen Sarg sich eingeschlossen.
O geb' ein guter Gott uns auch dereinst
Das Schicksal des beneidenswerthen Wurms,
Im neuen Sonnenthal die Flügel rasch
Und freudig zu entfalten!
Alphons . Höre mich!
Du gibst so vielen doppelten Genuß
Des Lebens, lern', ich bitte dich,
Den Werth des Lebens kennen, das du noch
Und zehnfach reich besitzest. Lebe wohl!
Je eher du zu uns zurücke kehrst,
Je schöner wirst du uns willkommen seyn.
Tasso allein .
So halte fest, mein Herz, so war es recht!
Es wird dir schwer, es ist das erstemal,
Daß du dich so verstellen magst und kannst.
Du hörtest wohl, das war nicht sein Gemüth,
Das waren seine Worte nicht; mir schien,
Als klänge nur Antonio's Stimme wieder.
O gib nur Acht! Du wirst sie nun so fort
Von allen Seiten hören. Fest, nur fest!
Um einen Augenblick ist's noch zu thun.
Wer spät im Leben sich verstellen lernt,
Der hat den Schein der Ehrlichkeit voraus,
Es wird schon gehn, nur übe dich mit ihnen.
Nach einer Pause.
Du triumphirst zu früh, dort kommt sie her!
Die holde Fürstinn kommt! O welch Gefühl!
Sie tritt herein, es lös't in meinem Busen
Verdruß und Argwohn sich in Schmerzen auf
Prinzessinn . Tasso .
Gegen das Ende des Auftritts Die Übrigen .
Prinzessinn .
Du denkst uns zu verlassen, oder bleibst
Vielmehr in Belriguardo noch zurück,
Und willst dich dann von uns entfernen, Tasso?
Ich hoffe, nur auf eine kurze Zeit.
Du gehst nach Rom?
Tasso . Ich richte meinen Weg
Zuerst dahin, und nehmen meine Freunde
Mich gütig auf, wie ich es hoffen darf,
So leg' ich da mit Sorgfalt und Geduld
Vielleicht die letzte Hand an mein Gedicht.
Ich finde viele Männer dort versammelt,
Die Meister aller Art sich nennen dürfen.
Und spricht in jener ersten Stadt der Welt
Nicht jeder Platz nicht jeder Stein zu uns?
Wie viele tausend stumme Lehrer winken
In ernster Majestät uns freundlich an!
Vollend' ich da nicht mein Gedicht, so kann
Ich's nie vollenden. Leider, ach, schon fühl' ich,
Mir wird zu keinem Unternehmen Glück!
Verändern werd' ich es, vollenden nie.
Ich fühl', ich fühl' es wohl, die große Kunst,
Die jeden nährt, die den gesunden Geist
Stärkt und erquickt, wird mich zu Grunde richten,
Vertreiben wird sie mich. Ich eile fort!
Nach Napel will ich bald!
Prinzessinn . Darfst du es wagen?
Noch ist der strenge Bann nicht aufgehoben,
Der dich zugleich mit deinem Vater traf
Tasso .
Du warnest recht, ich hab' es schon bedacht.
Verkleidet geh' ich hin, den armen Rock
Des Pilgers oder Schäfers zieh' ich an.
Ich schleiche durch die Stadt, wo die Bewegung
Der Tausende den Einen leicht verbirgt.
Ich eile nach dem Ufer, finde dort
Gleich einen Kahn mit willig guten Leuten,
Mit Bauern, die zum Markte kamen, nun
Nach Hause kehren, Leute von Sorrent;
Denn ich muß nach Sorrent hinüber eilen.
Dort wohnet meine Schwester, die mit mir
Die Schmerzensfreude meiner Eltern war.
Im Schiffe bin ich still, und trete dann
Auch schweigend an das Land, ich gehe sacht
Den Pfad hinauf, und an dem Thore frag' ich:
Wo wohnt Cornelia? Zeigt mir es an!
Cornelia Sersale? Freundlich deutet
Mir eine Spinnerinn die Straße, sie
Bezeichnet mir das Haus. So steig' ich weiter.
Die Kinder laufen nebenher und schauen
Das wilde Haar, den düstern Fremdling an.
So komm' ich an die Schwelle. Offen steht
Die Thüre schon, so tret' ich in das Haus —
Prinzessinn .
Blick' auf, o Tasso, wenn es möglich ist,
Erkenne die Gefahr, in der du schwebst!
Ich schone dich; denn sonst würd' ich dir sagen:
Ist's edel so zu reden, wie du sprichst?
Ist's edel nur allein an sich zu denken,
Als kränktest du der Freunde Herzen nicht?
Ist's dir verborgen wie mein Bruder denkt?
Wie beyde Schwestern dich zu schätzen wissen?
Hast du es nicht empfunden und erkannt?
Ist alles denn in wenig Augenblicken
Verändert? Tasso! Wenn du scheiden willst,
So laß uns Schmerz und Sorge nicht zurück.
Tasso wendet sich weg.
Prinzessinn .
Wie tröstlich ist es einem Freunde, der
Auf eine kurze Zeit verreisen will,
Ein klein Geschenk zu geben, sey es nur
Ein neuer Mantel, oder eine Waffe!
Dir kann man nichts mehr geben, denn du wirfst
Unwillig alles weg, was du besitzest.
Die Pilgermuschel und den schwarzen Kittel,
Den langen Stab erwählst du dir, und gehst
Freywillig arm dahin, und nimmst uns weg,
Was du mit uns allein genießen konntest.
Tasso .
So willst du mich nicht ganz und gar verstoßen?
O süßes Wort, o schöner, theurer Trost,
Vertritt mich! Nimm in deinen Schutz mich auf! -
Laß mich in Belriguardo hier, versetze
Mich nach Consandoli, wohin du willst!
Es hat der Fürst so manches schöne Schloß,
So manchen Garten, der das ganze Jahr
Gewartet wird, und ihr betretet kaum
Ihn Einen Tag, vielleicht nur Eine Stunde.
Ja wählet den entferntsten aus, den ihr
In ganzen Jahren nicht besuchen geht,
Und der vielleicht jetzt ohne Sorge liegt,
Dort schickt mich hin! Dort laßt mich euer seyn!
Wie will ich deine Bäume pflegen! Die Citronen
Im Herbst mit Bretern und mit Ziegeln decken,
Und mit verbund'nem Rohre wohl verwahren!
Es sollen schöne Blumen in den Beeten
Die breiten Wurzeln schlagen, rein und zierlich
Soll jeder Gang und jedes Fleckchen seyn.
Und laßt mir auch die Sorge des Pallastes!
Ich will zur rechten Zeit die Fenster öffnen,
Daß Feuchtigkeit nicht den Gemählden schade;
Die schön mit Stuckatur verzierten Wände
Will ich mit einem leichten Wedel säubern,
Es soll das Estrich blank und reinlich glänzen,
Es soll kein Stein, kein Ziegel sich verrücken,
Es soll kein Gras aus einer Ritze keimen!
Prinzessinn .
Ich finde keinen Rath in meinem Busen,
Und finde keinen Trost für dich und — uns.
Mein Auge blickt umher, ob nicht ein Gott
Uns Hülfe reichen möchte? Möchte mir
Ein heilsam Kraut entdecken, einen Trank,
Der deinem Sinne Frieden brächte, Frieden uns.
Das treuste Wort, das von der Lippe fließt,
Das schönste Heilungsmittel wirkt nicht mehr.
Ich muß dich lassen, und verlassen kann
Mein Herz dich nicht.
Tasso . Ihr Götter, ist sie's doch,
Die mit dir spricht und deiner sich erbarmt?
Und konntest du das edle Herz verkennen?
War's möglich, daß in ihrer Gegenwart
Der Kleinmuth dich ergriff und dich bezwang?
Nein, nein, du bist's! und nun ich bin es auch.
O fahre fort, und laß mich jeden Trost
Aus deinem Munde hören! Deinen Rath
Entzieh' mir nicht! O sprich: was soll ich thun?
Damit dein Bruder mir vergeben könne,
Damit du selbst mir gern vergeben mögest,
Damit ihr wieder zu den Euren mich
Mit Freuden zählen möget. Sag' mir an.
Prinzessinn .
Gar wenig ist's, was wir von dir verlangen;
Und dennoch scheint es allzu viel zu seyn.
Du sollst dich selbst uns freundlich überlassen.
Wir wollen nichts von dir, was du nicht bist,
Wenn du nur erst dir mit dir selbst gefällst.
Du machst uns Freude, wenn du Freude hast,
Und du betrübst uns nur, wenn du sie fliehst;
Und wenn du uns auch ungeduldig machst,
So ist es nur, daß wir dir helfen möchten,
Und, leider! sehn, daß nicht zu helfen ist;
Wenn du nicht selbst des Freundes Hand ergreifst,
Die, sehnlich ausgereckt, dich nicht erreicht.
Tasso .
Du bist es selbst, wie du zum erstenmal,
Ein heil'ger Engel, mir entgegen kamst!
Verzeih' dem trüben Blick des Sterblichen,
Wenn er auf Augenblicke dich verkannt.
Er kennt dich wieder! Ganz eröffnet sich
Die Seele, nur dich ewig zu verehren.
Es füllt sich ganz das Herz von Zärtlichkeit -
Sie ist's, sie steht vor mir. Welch ein Gefühl!
Ist es Verirrung, was mich nach dir zieht?
Ist's Raserey? Ist's ein erhöhter Sinn,