Wenn das Vertrauen heilt, so heil' ich bald;
Ich hab' es rein und hab' es ganz zu dir.
Ach, meine Freundinn! Zwar ich bin entschlossen,
Er scheide nur! allein ich fühle schon
Den langen ausgedehnten Schmerz der Tage, wenn
Ich nun entbehren soll, was mich erfreute.
Die Sonne hebt von meinen Augenliedern
Nicht mehr sein schön verklärtes Traumbild auf,
Die Hoffnung ihn zu sehen füllt nicht mehr
Den kaum erwachten Geist mit froher Sehnsucht;
Mein erster Blick hinab in unsre Gärten
Sucht ihn vergebens in dem Thau der Schatten.
Wie schön befriedigt fühlte sich der Wunsch
Mit ihm zu seyn an jedem heitern Abend!
Wie mehrte sich im Umgang das Verlangen
Sich mehr zu kennen, mehr sich zu verstehn,
Und täglich stimmte das Gemüth sich schöner
Zu immer reinern Harmonien auf.
Welch eine Dämmrung fällt nun vor mir ein!
Der Sonne Pracht, das fröhliche Gefühl
Des hohen Tags, der tausendfachen Welt
Glanzreiche Gegenwart, ist öd' und tief
Im Nebel eingehüllt, der mich umgibt.
Sonst war mir jeder Tag ein ganzes Leben;
Die Sorge schwieg, die Ahndung selbst verstummte,
Und glücklich eingeschifft trug uns der Strom
Auf leichten Wellen ohne Ruder hin:
Nun überfällt in trüber Gegenwart
Der Zukunft Schrecken heimlich meine Brust.
Leonore .
Die Zukunft gibt dir deine Freunde wieder,
Und bringt dir neue Freude, neues Glück.
Prinzessinn .
Was ich besitze, mag ich gern bewahren:
Der Wechsel unterhält, doch nutzt er kaum.
Mit jugendlicher Sehnsucht griff ich nie
Begierig in den Loostopf fremder Welt,
Für mein bedürfend unerfahren Herz
Zufällig einen Gegenstand zu haschen.
Ihn mußt' ich ehren, darum liebt' ich ihn;
Ich mußt' ihn lieben, weil mit ihm mein Leben
Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt;
Erst sagt' ich mir, entferne dich von ihm!
Ich wich und wich und kam nur immer näher,
So lieblich angelockt, so hart bestraft!
Ein reines, wahres Gut verschwindet mir,
Und meiner Sehnsucht schiebt ein böser Geist
Statt Freud' und Glück verwandte Schmerzen unter.
Leonore .
Wenn einer Freundinn Wort nicht trösten kann;
So wird die stille Kraft der schönen Welt,
Der guten Zeit dich unvermerkt erquicken.
Prinzessinn .
Wohl ist sie schön die Welt! in ihrer Weite
Bewegt sich so viel Gutes hin und her.
Ach daß es immer nur um Einen Schritt
Von uns sich zu entfernen scheint,
Und unsre bange Sehnsucht durch das Leben
Auch Schritt vor Schritt bis nach dem Grabe lockt!
So selten ist es, daß die Menschen finden,
Was ihnen doch bestimmt gewesen schien,
So selten, daß sie das erhalten, was
Auch einmal die beglückte Hand ergriff!
Es reißt sich los, was erst sich uns ergab,
Wir lassen los, was wir begierig faßten.
Es gibt ein Glück, allein wir kennen's nicht:
Wir kennen's wohl, und wissen's nicht zu schätzen.
Leonore allein .
Wie jammert mich das edle, schöne Herz!
Welch traurig Loos, das ihrer Hoheit fällt!
Ach sie verliert — und denkst du zu gewinnen?
Ist's denn so nöthig, daß er sich entfernt?
Machst du es nöthig, um allein für dich
Das Herz und die Talente zu besitzen,
Die du bisher mit einer andern theilst
Und ungleich theilst? Ist's redlich so zu handeln?
Bist du nicht reich genug? Was fehlt dir noch?
Gemahl und Sohn und Güter, Rang und Schönheit,
Das hast du alles, und du willst noch ihn
Zu diesem allen haben? Liebst du ihn?
Was ist es sonst, warum du ihn nicht mehr
Entbehren magst? Du darfst es dir gestehn.
Wie reitzend ist's, in seinem schönen Geiste
Sich selber zu bespiegeln! Wird ein Glück
Nicht doppelt groß und herrlich, wenn sein Lied
Uns wie auf Himmels-Wolken trägt und hebt?
Dann bist du erst beneidenswerth! Du bist,
Du hast das nicht allein, was viele wünschen,
Es weiß, es kennt auch jeder, was du hast!
Dich nennt dein Vaterland und sieht auf dich,
Das ist der höchste Gipfel jedes Glücks.
Ist Laura denn allein der Name, der
Von allen zarten Lippen klingen soll?
Und hatte nur Petrarch allein das Recht,
Die unbekannte Schöne zu vergöttern?
Wo ist ein Mann, der meinem Freunde sich
Vergleichen darf? Wie ihn die Welt verehrt,
So wird die Nachwelt ihn verehrend nennen.
Wie herrlich ist's, im Glanze dieses Lebens
Ihn an der Seite haben! so mit ihm
Der Zukunft sich mit leichtem Schritte nahn!
Alsdann vermag die Zeit, das Alter nichts
Auf dich, und nichts der freche Ruf.
Der hin und her des Beyfalls Woge treibt:
Das was vergänglich ist, bewahrt sein Lied.
Du bist noch schön, noch glücklich, wenn schon lange
Der Kreis der Dinge dich mit fortgerissen.
Du mußt ihn haben, und ihr nimmst du nichts:
Denn ihre Neigung zu dem werthen Manne
Ist ihren andern Leidenschaften gleich.
Sie leuchten, wie der stille Schein des Monds
Dem Wandrer spärlich auf dem Pfad zu Nacht;
Sie wärmen nicht, und gießen keine Lust
Noch Lebensfreud' umher. Sie wird sich freuen,
Wenn sie ihn fern, wenn sie ihn glücklich weiß,
Wie sie genoß, wenn sie ihn täglich sah.
Und dann, ich will mit meinem Freunde nicht
Von ihr und diesem Hofe mich verbannen;
Ich komme wieder, und ich bring' ihn wieder.
So soll es seyn! — Hier kommt der rauhe Freund;
Wir wollen sehn, ob wir ihn zähmen können.
Leonore . Antonio .
Leonore .
Du bringst uns Krieg statt Frieden; scheint es doch,
Du kommst ans einem Lager, einer Schlacht,
Wo die Gewalt regiert, die Faust entscheidet,
Und nicht von Rom, wo feierliche Klugheit
Die Hände segnend hebt, und eine Welt
Zu ihren Füßen sieht, die gern gehorcht.
Antonio .
Ich muß den Tadel, schöne Freundinn, dulden,
Doch die Entschuld'gung liegt nicht weit davon.
Es ist gefährlich, wenn man allzu lang'
Sich klug und mäßig zeigen muß. Es lauert
Der böse Genius dir an der Seite,
Und will gewaltsam auch von Zeit zu Zeit
Ein Opfer haben. Leider hab' ich's dießmal
Auf meiner Freunde Kosten ihm gebracht.
Leonore .
Du hast um fremde Menschen dich so lang'
Bemüht und dich nach ihrem Sinn gerichtet:
Nun, da du deine Freunde wieder siehst,
Verkennst du sie, und rechtest wie mit Fremden.
Antonio .
Da liegt, geliebte Freundinn, die Gefahr!
Mit fremden Menschen nimmt man sich zusammen,
Da merkt man auf, da sucht man seinen Zweck
In ihrer Gunst, damit sie nutzen sollen.
Allein bey Freunden läßt man frey sich gehn,
Man ruht in ihrer Liebe, man erlaubt
Sich eine Laune, ungezähmter wirkt
Die Leidenschaft, und so verletzen wir
Am ersten die, die wir am zärtsten lieben.
Leonore .
In dieser ruhigen Betrachtung find' ich dich
Schon ganz, mein theurer Freund, mit Freuden wieder.
Antonio .
Ja, mich verdrießt — und ich bekenn' es gern -
Daß ich mich heut so ohne Maß verlor.
Allein gestehe, wenn ein wackrer Mann
Mit heißer Stirn von saurer Arbeit kommt,
Und spät am Abend in ersehnten Schatten
Zu neuer Mühe auszuruhen denkt,
Und findet dann von einem Müßiggänger
Den Schatten breit besessen, soll er nicht
Auch etwas menschlich's in dem Busen fühlen?
Leonore .
Wenn er recht menschlich ist, so wird er auch
Den Schatten gern mit einem Manne theilen,
Der ihm die Ruhe süß, die Arbeit leicht
Durch ein Gespräch, durch holde Töne macht.
Der Baum ist breit, mein Freund, der Schatten gibt,
Und keiner braucht den andern zu verdrängen.
Antonio .
Wir wollen uns, Eleonore, nicht
Mit einem Gleichniß hin und wieder spielen.
Gar viele Dinge sind in dieser Welt,
Die man dem andern gönnt und gerne theilt;
Jedoch es ist ein Schatz, den man allein
Dem Hochverdienten gerne gönnen mag,
Ein andrer, den man mit dem Höchstverdienten
Mit gutem Willen niemals theilen wird -
Und fragst du mich nach diesen beyden Schätzen;
Der Lorber ist es und die Gunst der Frauen.
Leonore .
Hat jener Kranz um unsers Jünglings Haupt
Den ernsten Mann beleidigt? Hättest du
Für seine Mühe, seine schöne Dichtung
Bescheid'nern Lohn doch selbst nicht finden können.
Denn ein Verdienst, das außerirdisch ist,
Das in den Lüften schwebt, in Tönen nur,
In leichten Bildern unsern Geist umgaukelt,
Es wird denn auch mit einem schönen Bilde,
Mit einem holden Zeichen nur belohnt;
Und wenn er selbst die Erde kaum berührt,
Berührt der höchste Lohn ihm kaum das Haupt.
Ein unfruchtbarer Zweig ist das Geschenk,
Das der Verehrer unfruchtbare Neigung
Ihm gerne bringt, damit sie einer Schuld
Aufs leicht'ste sich entlade. Du mißgönnst
Dem Bild des Märtyrers den goldnen Schein
Um's kahle Haupt wohl schwerlich; und gewiß,
Der Lorberkranz ist, wo er dir erscheint,
Ein Zeichen mehr des Leidens als des Glücks.
Antonio .
Will etwa mich dein liebenswürd'ger Mund
Die Eitelkeit der Welt verachten lehren?
Leonore .
Ein jedes Gut nach seinem Werth zu schätzen,
Brauch' ich dich nicht zu lehren. Aber doch,
Es scheint von Zeit zu Zeit bedarf der Weise,
So sehr wie andre, daß man ihm die Güter,
Die er besitzt, im rechten Lichte zeige.
Du, edler Mann, du wirst an ein Phantom
Von Gunst und Ehre keinen Anspruch machen.
Der Dienst, mit dem du deinem Fürsten dich,
Mit dem du deine Freunde dir verbindest,
Ist wirkend, ist lebendig, und so muß
Der Lohn auch wirklich und lebendig seyn.
Dein Lorber ist das fürstliche Vertraun,
Das auf den Schultern dir, als liebe Last,
Gehäuft und leicht getragen ruht; es ist
Dein Ruhm das allgemeine Zutraun.
Antonio .
Und von der Gunst der Frauen sagst du nichts,
Die willst du mir doch nicht entbehrlich schildern?
Leonore .
Wie man es nimmt. Denn du entbehrst sie nicht,
Und leichter wäre sie dir zu entbehren,
Als sie es jenem guten Mann nicht ist.
Denn sag', geläng' es einer Frau, wenn sie
Nach ihrer Art für dich zu sorgen dächte,