Sie wirft sich in einen Sessel.
Madame Sommer.
Wenden Sie Ihre Gedanken von den traurigen Szenen.
Stella.
Nein! Wohl, sehr wohl ist mir's, daß mein Herz sich wieder öffnen, daß ich das alles losschwätzen kann, was mich so drängt! — Ja, wenn ich euch einmal anfange, von ihm zu erzählen, der mir alles war! — der — Ihr sollt sein Porträt sehn! — sein Porträt — O, mich dünkt immer, die Gestalt des Menschen ist der beste Text zu allem, was sich über ihn empfinden und sagen läßt.
Lucie.
Ich bin neugierig.
Stella eröffnet ihr Kabinett und führt sie hinein.
Hier, meine Lieben, hier!
Madame Sommer.
Gott!
Stella.
So! — So! — Und doch nicht den tausendsten Teil, wie er war. Diese Stirn, diese schwarze Augen, diese braune Locken, dieser Ernst — Aber ach, er hat nicht ausdrücken können die Liebe, die Freundlichkeit, wenn seine Seele sich ergoß! O mein Herz, das fühlst du allein!
Lucie.
Madame, ich erstaune!
Stella.
Es ist ein Mann!
Lucie.
Ich muß Ihnen sagen, heut aß ich drüben mit einem Offizier im Posthause, der diesem Herrn gleicht — O er ist es selbst! ich will mein Leben wetten.
Stella.
Heute? Du betrügst dich! Du betrügst mich!
Lucie.
Heute! Nur war jener älter, brauner verbrannt von der Sonne. Er ist's! Er ist's!
Stella zieht die Schelle.
Lucie, mein Herz zerspringt! Ich will hinüber!
Lucie.
Es wird sich nicht schicken.
Stella.
Schicken? O mein Herz! —
Bedienter kommt.
Stella.
Wilhelm, hinüber ins Posthaus! hinüber! Ein Offizier ist drüben, der soll — der ist — Lucie, sag's ihm — Er soll herüberkommen.
Lucie.
Kannte Er den gnädigen Herrn?
Bedienter.
Wie mich selbst.
Lucie.
So geh Er ins Posthaus; es ist ein Offizier drüben, der ihm außerordentlich gleicht. Seh Er, ob ich mich betrüge. Ich schwöre, er ist's.
Stella.
Sag ihm, er soll kommen, kommen! geschwind! geschwind! — Wär das überstanden! — Hätt ich ihn in diesen, in — Du betrügst dich! Es ist unmöglich. — Laßt mich, ihr Lieben, laßt mich allein! —
Sie schließt das Kabinett hinter sich.
Lucie.
Was fehlt Ihnen, meine Mutter? Wie blaß!
Madame Sommer.
Das ist der letzte Tag meines Lebens! Das trägt mein Herz nicht! Alles, alles auf einmal.
Lucie.
Großer Gott!
Madame Sommer.
Der Gemahl — Das Bild — Der Erwartete — Geliebte! — Das ist mein Gemahl! — Es ist dein Vater!
Lucie.
Mutter! beste Mutter!
Madame Sommer.
Und der ist hier! — wird in ihre Arme sinken, in wenig Minuten! — Und wir? — Lucie, wir müssen fort!
Lucie.
Wohin Sie wollen.
Madame Sommer.
Gleich!
Lucie.
Kommen Sie in den Garten. Ich will ins Posthaus. Wenn nur der Wagen noch nicht fort ist, so können wir ohne Abschied in der Stille — inzwischen sie, berauscht von Glück —
Madame Sommer.
In aller Wonne des Wiedersehens ihn umfassend — Ihn! Und ich in dem Augenblick, da ich ihn wieder finde — auf ewig! auf ewig!
Fernando, Bedienter kommen.
Bedienter.
Hierher! Kennen Sie ihr Kabinett nicht mehr? Sie ist außer sich! Ach! daß Sie wieder da sind!
Fernando vorbei, über sie hinsehend.
Madame Sommer.
Er ist's! Er ist's! — Ich bin verloren!