Er wirft sich in einen Sessel.
Cäcilie tritt zu ihm und nimmt ihn bei der Hand.
Es war einmal ein Graf—
Fernando will aufspringen, sie hält ihn.
Cäcilie.
Ein deutscher Graf. Den trieb ein Gefühl frommer Pflicht von seiner Gemahlin, von seinen Gütern, nach dem Gelobten Lande—
Fernando.
Ha!
Cäcilie.
Er war ein Biedermann; er liebte sein Weib, nahm Abschied von ihr, empfahl ihr sein Hauswesen, umarmte sie, und zog. Er zog durch viele Länder, kriegte, und ward gefangen. Seiner Sklaverei erbarmte sich seines Herrn Tochter; sie löste seine Fesseln, sie flohen. Sie geleitete ihn aufs neue durch alle Gefahren des Kriegs — Der liebe Waffenträger! — Mit Sieg bekrönt ging's nun zur Rückreise — zu seinem edeln Weibe! — Und sein Mädchen? — Er fühlte Menschheit! — er glaubte an Menschheit, und nahm sie mit. — Sieh da, die wackre Hausfrau, die ihrem Gemahl entgegeneilt, sieht all ihre Treue, all ihr Vertrauen, ihre Hoffnungen belohnt, ihn wieder in ihren Armen. Und dann daneben seine Ritter, mit stolzer Ehre von ihren Rossen sich auf den vaterländischen Boden schwingend; seine Knechte, abladend die Beute, sie zu ihren Füßen legend; und sie schon in ihrem Sinn das all in ihren Schränken aufbewahrend, schon ihr Schloß mit auszierend, ihre Freunde mit beschenkend — „Edles, teures Weib, der größte Schatz ist noch zurück!" — Wer ist's, die dort — verschleiert mit dem Gefolge naht? Sanft steigt sie vom Pferde — „Hier!" — rief der Graf, sie beider Hand fassend, sie seiner Frau entgegenführend — „hier! sieh das alles — und sie! nimm's aus ihren Händen — nimm mich aus ihren Händen wieder! Sie hat die Ketten von meinem Halse geschlossen, sie hat den Winden befohlen, sie hat mich erworben — hat mir gedient, mein gewartet! — Was bin ich ihr schuldig! — Da hast du sie! Belohn Sie."
Fernando liegt schluchzend mit den Armen übern Tisch gebreitet.
An ihrem Halse rief das treue Weib, in tausend Tränen rief sie: „Nimm alles, was ich dir geben kann! Nimm die Hälfte des, der ganz dein gehört — Nimm ihn ganz! Laß mir ihn ganz! Jede soll ihn haben, ohne der andern was zu rauben — Und", rief Sie an seinem Halse, zu seinen Füßen, „wir sind dein!" — Sie faßten seine Hände, hingen an ihm — Und Gott im Himmel freute sich der Liebe, und sein heiliger Statthalter sprach seinen Segen dazu. Und ihr Glück und ihre Liebe faßte selig Eine Wohnung, Ein Bett, und Ein Grab.
Ab hier gibt es zwei alternative Fassungen. Die frühere im Anschluss, die spätere auf der nächsten Seite.
Fernando.
Gott im Himmel, der du uns Engel sendest in der Not, schenk uns die Kraft, diese gewaltigen Erscheinungen zu ertragen! — Mein Weib! —
Er fällt wieder zusammen.
Cäcilie eröffnet die Türe des Kabinetts und ruft:
Stella!
Stella , ihr um den Hals fallend.
Gott! Gott!
Fernando springt auf in der Bewegung zu fliehen.
Cäcilie faßt ihn.
Stella! nimm die Hälfte des, der ganz dein ist — du hast ihn gerettet — von ihm selbst gerettet — du gibst mir ihn wieder!
Fernando.
Stella!
Er neigt sich zu ihr.
Stella.
Ich faß es nicht!
Cäcilie.
Du fühlst's.
Stella an seinem Hals.
Ich darf? —
Cäcilie.
Dankst du mir's, daß ich dich Flüchtling zurückhielt?
Stella an ihrem Hals.
O du! —
Fernando , beide umarmend.
Mein! Mein!
Stella , seine Hand fassend, an ihm hangend.
Ich bin dein!
Cäcilie , seine Hand fassend, an seinem Hals.
Wir sind dein!
Spätere Fassung mit neuem Titel:
Stella. Ein Trauerspiel.
Und einem neuen Schluss.
Fernando.
Gott im Himmel! Welch ein Strahl von Hoffnung dringt herein!
Cäcilie.
Sie ist da! Sie ist unser!
Nach der Kabinettstüre.
Stella!
Fernando.
Laß sie, laß mich!
Im Begriff wegzugehen.
Cäcilie.
Bleib! Höre mich!
Fernando.
Der Worte sind schon genug. Was werden kann, wird werden. Laß mich! In diesem Augenblick bin ich nicht vorbereitet, vor euch beiden zu stehen.
Ab.
Cäcilie, hernach Lucie, hernach Stella.
Cäcilie.
Der Unglückliche! Immer so einsilbig, immer dem freundlichen, vermittelnden Wort widerstrebend, und sie, ebenso! Es muß mir doch gelingen.
Nach der Türe.
Stella! Höre mich, Stella!
Lucie.
Ruf ihr nicht! Sie ruht, von einem schweren Leiden ruht sie einen Augenblick. Sie leidet sehr; ich fürchte, meine Mutter, mit Willen; ich fürchte, sie stirbt.
Cäcilie.
Was sagst du?
Lucie.
Es war nicht Arzenei, fürcht ich, was sie nahm.
Cäcilie.
Und ich hätte vergebens gehofft? O, daß du dich täuschtest! — Fürchterlich — Fürchterlich!
Stella an der Türe.
Wer ruft mich? Warum weckt ihr mich? Welche Zeit ist es? Warum so frühe?
Lucie.
Es ist nicht frühe, es ist Abend.
Stella.
Ganz recht, ganz wohl, Abend für mich.
Cäcilie.
Und so täuschtest du uns!
Stella.
Wer täuschte dich? Du.
Cäcilie.
Ich brachte dich zurück, ich hoffte.
Stella.
Für mich ist kein Bleibens.
Cäcilie.
Ach hätte ich dich ziehen lassen, reisen, eilen, ans Ende der Welt!
Stella.
Ich bin am Ende.
Cäcilie zu Lucien, die indessen ängstlich hin und wider gelaufen ist.
Was zauderst du? Eile, rufe um Hülfe!
Stella , die Lucien anfaßt.
Nein, verweile.
Sie lehnt sich auf beide, und sie kommen weiter hervor.
An eurem Arm dachte ich durchs Leben zu gehen; so führt mich zum Grabe.
Sie führen sie langsam hervor und lassen sie auf der rechten Seite auf einen Sessel nieder.
Cäcilie.
Fort, Lucie! fort! Hülfe! Hülfe!
Lucie ab.
Stella, Cäcilie, hernach Fernando, hernach Lucie.
Stella.
Mir ist geholfen!
Cäcilie.
Wie anders glaubt ich! Wie anders hofft ich!
Stella.
Du Gute, Duldende, Hoffende!
Cäcilie.
Welch entsetzliches Schicksal!
Stella.
Tiefe Wunden schlägt das Schicksal, aber oft heilbare. Wunden, die das Herz dem Herzen schlägt, das Herz sich selber, die sind unheilbar, und so — laß mich sterben.
Fernando tritt ein.
Übereilte sich Lucie, oder ist die Botschaft wahr? Laß sie nicht wahr sein, oder ich fluche deiner Großmut, Cäcilie, deiner Langmut.
Cäcilie.
Mir wirft mein Herz nichts vor. Guter Wille ist höher als aller Erfolg. Eile nach Rettung, sie lebt noch, sie gehört uns noch.
Stella , die aufblickt und Fernandos Hand faßt.
Willkommen! Laß mir deine Hand,
zu Cäcilien
und du die deine. Alles um Liebe, war die Losung meines Lebens. Alles um Liebe, und so nun auch den Tod. In den seligsten Augenblicken schwiegen wir und verstanden uns,
sucht die Hände beider Gatten zusammenzubringen
und nun laßt mich schweigen und ruhen.
Sie fällt auf ihren rechten Arm, der über den Tisch gelehnt ist.
Fernando.
Ja wir wollen schweigen, Stella, und ruhen.
Er geht langsam nach dem Tische linker Hand.
Cäcilie in ungeduldiger Bewegung.
Lucie kommt nicht, niemand kommt. Ist denn das Haus, ist denn die Nachbarschaft eine Wüste? Fasse dich, Fernando, sie lebt noch. Hunderte sind vom Todeslager aufgestanden, aus dem Grabe sind sie wieder aufgestiegen. Fernando, sie lebt noch. Und wenn uns alles verläßt, und hier kein Arzt ist, keine Arzenei, so ist doch einer im Himmel, der uns hört.
Auf den Knieen, in der Nähe von Stella.
Höre mich! Erhöre mich, Gott! Erhalte sie uns, laß sie nicht sterben!
Fernando hat mit der linken Hand ein Pistol ergriffen und geht langsam ab.
Cäcilie wie vorher, Stellas linke Hand fassend.
Ja sie lebt noch; ihre Hand, ihre liebe Hand ist noch warm. Ich lasse dich nicht, ich fasse dich mit der ganzen Gewalt des Glaubens und der Liebe. Nein, es ist kein Wahn! Eifriges Gebet ist stärker denn irdische Hülfe.
Aufstehend und sich umkehrend.
Er ist hinweg, der Stumme, Hoffungslose. Wohin? O, daß er nicht den Schritt wagt, wohin sein ganzes sturmvolles Leben sich hindrängte. Zu ihm!
Indem sie fort will, wendet sie sich nach Stella.
Und diese laß ich hülflos hier. Großer Gott! und so stehe ich, im fürchterlichsten Augenblick, zwischen zweien, die ich nicht trennen und nicht vereinigen kann.