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Und als er sah, dass es gut war und dass das ganze Land von seinem göttlichen Grenouillesamen durchtränkt war, da ließ der Große Grenouille einen Weingeistregen herniedergehen, sanft und stetig, und es begann allüberall zu keimen und zu sprießen, und die Saat trieb aus, dass es das Herz erfreute. Schon wogte es üppig auf den Plantagen, und in den verborgenen Gärten standen die Stengel im Saft. Die Knospen der Blüten platzten schier aus ihrer Hülle. Da gebot der Große Grenouille Einhalt dem Regen. Und es geschah. Und er schickte die milde Sonne seines Lächelns über das Land, worauf sich mit einem Schlag die millionenfache Pracht der Blüten erschloss, von einem Ende des Reichs bis zum anderen, zu einem einzigen bunten Teppich, geknüpft aus Myriaden von köstlichen Duftbehältern. Und der Große Grenouille sah, dass es gut war, sehr, sehr gut. Und er blies den Wind seines Odems über das Land. Und die Blüten, liebkost, verströmten Duft und vermischten ihre Myriaden Düfte zu einem ständig changierenden und doch in ständigem Wechsel vereinten universalen Huldigungsduft an Ihn, den Großen, den Einzigen, den Herrlichen Grenouille, und dieser, auf einer goldduftenden Wolke thronend, sog den Odem schnuppernd wieder ein, und der Geruch des Opfers war ihm angenehm. Und er ließ sich herab, seine Schöpfung mehrmals zu segnen, was ihm von dieser mit Jauchzen und Jubilieren und abermaligen herrlichen Duftausstößen gedankt wurde. Unterdessen war es Abend geworden, und die Düfte verströmten sich weiter und mischten sich in der Bläue der Nacht zu immer phantastischeren Noten. Es stand eine wahre Ballnacht der Düfte bevor mit einem gigantischen Brillantduftfeuerwerk.

Der Große Grenouille aber war etwas müde geworden und gähnte und sprach: »Siehe, ich habe ein großes Werk getan, und es gefällt mir sehr gut. Aber wie alles Vollendete beginnt es mich zu langweilen. Ich will mich zurückziehen und mir zum Abschluss dieses arbeitsreichen Tages in den Kammern meines Herzens noch eine kleine Beglückung gönnen.« Also sprach der Große Grenouille und segelte, während das einfache Duftvolk unter ihm freudig tanzte und feierte, mit weitausgespannten Flügeln von der goldenen Wolke herab über das nächtliche Land seiner Seele nach Haus in sein Herz.

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Ach, es war angenehm, heimzukehren! Das Doppelamt des Rächers und Weltenerzeugers strengte nicht schlecht an, und sich danach von der eigenen Brut stundenlang feiern zu lassen, war auch nicht die reinste Erholung. Der göttlichen Schöpfungs- und Repräsentationsverpflichtungen müde, sehnte sich der Große Grenouille nach häuslichen Freuden.

Sein Herz war ein purpurnes Schloss. Es lag in einer steinernen Wüste, getarnt hinter Dünen, umgeben von einer Oase aus Sumpf und hinter sieben steinernen Mauern. Es war nur im Flug zu erreichen. Es besaß tausend Kammern und tausend Keller und tausend feine Salons, darunter einen mit einem einfachen purpurnen Kanapee, auf welchem Grenouille, der nun nicht mehr der Große Grenouille war, sondern Grenouille ganz privat oder einfach der liebe Jean-Baptiste, sich von der Mühsal des Tages auszuruhen pflegte.

In den Kammern des Schlosses aber standen Regale vom Boden bis hinauf an die Decke, und darin befanden sich alle Gerüche, die Grenouille im Laufe seines Lebens gesammelt hatte, mehrere Millionen. Und in den Kellern des Schlosses, da ruhten in Fässern die besten Düfte seines Lebens. Sie wurden, wenn sie gereift waren, auf Flaschen gezogen und lagen dann in kilometerlangen feuchtkühlen Gängen, geordnet nach Jahrgang und Herkunft, und es waren ihrer so viele, dass ein Leben nicht reichte, sie alle zu trinken.

Und als der liebe Jean-Baptiste, endlich heimgekehrt in sein chez soi, im purpurnen Salon auf seinem simplen anheimelnden Sofa lag – die Stiefel, wenn man so will, endlich ausgezogen hatte – , klatschte er in die Hände und rief seine Diener herbei, die unsichtbar, unfühlbar, unhörbar und vor allem unriechbar, also vollständig imaginäre Diener waren, und befahl ihnen, in die Kammern zu gehen und aus der großen Bibliothek der Gerüche diesen oder jenen Band zu besorgen und in den Keller zu steigen und ihm zu trinken zu holen. Es eilten die imaginären Diener, und in peinigender Erwartung krampfte sich Grenouilles Magen zusammen. Es war ihm plötzlich zumute wie einem Trinker, den am Tresen die Angst befällt, man könnte ihm aus irgendeinem Grund das bestellte Glas Schnaps verweigern. Was, wenn die Keller und Kammern mit einem Mal leer, was, wenn der Wein in den Fässern verdorben war? Warum ließ man ihn warten? Warum kam man nicht? Er brauchte das Zeug sofort, er brauchte es dringend, er war süchtig danach, er würde auf dem Fleck sterben, wenn er es nicht bekäme.

Aber ruhig, Jean-Baptiste! Ruhig, Lieber! Man kommt ja, man bringt, was du begehrst. Schon fliegen die Diener herbei. Sie tragen auf unsichtbarem Tablett das Buch der Gerüche, sie tragen in weißbehandschuhten unsichtbaren Händen die kostbaren Flaschen, sie setzen sie ab, ganz behutsam, sie verneigen sich, und sie verschwinden.

Und alleine gelassen, endlich – mal wieder! – allein, greift Jean-Baptiste nach den ersehnten Gerüchen, öffnet die erste Flasche, schenkt sich ein Glas voll bis zum Rand, führt es an die Lippen und trinkt. Trinkt das Glas kühlen Geruchs in einem Zug leer, und es ist köstlich! Es ist so erlösend gut, dass dem lieben Jean-Baptiste vor Wonne das Wasser in die Augen schießt und er sich sofort das zweite Glas dieses Dufts einschenkt: eines Dufts aus dem Jahr 1752, aufgeschnappt im Frühjahr, vor Sonnenaufgang auf dem Pont Royal, mit nach Westen gerichteter Nase, woher ein leichter Wind kam, in dem sich Meergeruch, Waldgeruch und ein wenig vom teerigen Geruch der Kähne mischten, die am Ufer lagen. Es war der Duft der ersten zu Ende gehenden Nacht, die er, ohne Grimals Erlaubnis, in Paris herumstreunend verbracht hatte. Es war der frische Geruch des sich nähernden Tages, des ersten Tagesanbruchs, den er in Freiheit erlebte. Dieser Geruch hatte ihm damals die Freiheit verheißen. Er hatte ihm ein anderes Leben verheißen. Der Geruch jenes Morgens war für Grenouille ein Hoffnungsgeruch. Er verwahrte ihn sorgsam. Und er trank täglich davon.

Nachdem er das zweite Glas geleert hatte, fiel alle Nervosität, fielen Zweifel und Unsicherheit von ihm ab, und es erfüllte ihn eine herrliche Ruhe. Er presste seinen Rücken gegen die weichen Kissen des Kanapees, schlug ein Buch auf und begann, in seinen Erinnerungen zu lesen. Er las von den Gerüchen seiner Kindheit, von den Schulgerüchen, von den Gerüchen der Straßen und Winkel der Stadt, von Menschengerüchen. Und angenehme Schauer durchrieselten ihn, denn es waren durchaus die verhassten Gerüche, die exterminierten, die da beschworen wurden. Mit angewidertem Interesse las Grenouille im Buch der ekligen Gerüche, und wenn der Widerwille das Interesse überwog, so klappte er es einfach zu, legte es weg und nahm ein anderes.

Nebenher trank er ohne Pause von den edlen Düften. Nach der Flasche mit dem Hoffnungsduft entkorkte er eine aus dem Jahre 1744, die gefüllt war mit dem warmen Holzgeruch vor dem Haus der Madame Gaillard. Und nach diesem trank er eine Flasche sommerabendlichen Dufts, parfumdurchweht und blütenschwer, aufgelesen am Rande eines Parks in Saint-Germain-des-Pres anno 1753.

Er war nun mächtig angefüllt von Düften. Die Glieder lagen immer schwerer in den Kissen. Sein Geist benebelte sich wunderbar. Und doch war er noch nicht am Ende des Gelages. Zwar konnten seine Augen nicht mehr lesen, war ihm das Buch längst aus der Hand geglitten – aber er wollte den Abend nicht beschließen, ohne noch die letzte Flasche, die herrlichste, geleert zu haben: Es war der Duft des Mädchens aus der Rue des Marais…

Er trank ihn andachtsvoll und setzte sich zu diesem Zweck aufrecht auf das Kanapee, obwohl ihm das schwerfiel, denn der purpurne Salon schwankte und kreiste um ihn bei jeder Bewegung. In schülerhafter Haltung, die Knie aneinandergepresst, die Füße dicht an dicht gestellt, auf den linken Oberschenkel seine linke Hand gelegt – so trank der kleine Grenouille den köstlichsten Duft aus den Kellern seines Herzens, Glas um Glas, und wurde immer trauriger dabei. Er wusste, dass er zu viel trank. Er wusste, dass er so viel Gutes nicht vertrug. Und trank doch, bis die Flasche leer war: Er ging durch den dunklen Gang von der Straße in den Hinterhof. Er ging auf den Lichtschein zu. Das Mädchen saß und schnitt die Mirabellen auf. Von weit her krachten die Raketen und Petarden des Feuerwerks…

Er stellte das Glas ab und blieb noch, von der Sentimentalität und vom Suff wie versteinert, ein paar Minuten lang sitzen, so lange, bis auch der letzte Nachgeschmack von der Zunge verschwunden war. Er glotzte vor sich hin. In seinem Hirn war es plötzlich so leer wie in den Flaschen. Dann kippte er um, seitlich aufs purpurne Kanapee und versank von einem Moment zum anderen in einen betäubenden Schlaf.

Zur gleichen Zeit schlief auch der äußere Grenouille auf seiner Pferdedecke ein. Und sein Schlaf war ebenso abgrundtief wie der des inneren Grenouille, denn die herkuleischen Taten und Exzesse von diesem hatten jenen nicht weniger erschöpft – schließlich waren beide ja ein und dieselbe Person.

Als er aufwachte allerdings, wachte er nicht auf im purpurnen Salon seines purpurnen Schlosses hinter den sieben Mauern und auch nicht in den frühlingshaften Duftgefilden seiner Seele, sondern einzig und allein im Steinverlies am Ende des Tunnels auf dem harten Boden in der Finsternis. Und ihm war speiübel vor Hunger und Durst und fröstelig und elend wie einem süchtigen Trinker nach durchzechter Nacht. Auf allen vieren kroch er aus dem Stollen.

Draußen war irgendeine Tageszeit, meistens die beginnende oder die endende Nacht, aber selbst bei Mitternacht stach ihm die Helligkeit des Sternenlichts wie Nadeln in die Augen. Die Luft erschien ihm staubig, raß, lungenbrennend, die Landschaft hart, er stieß sich an den Steinen. Und selbst die zartesten Gerüche wirkten streng und beizend auf seine weltentwöhnte Nase. Grenouille, der Zeck, war empfindlich geworden wie ein Krebs, der sein Muschelgehäuse verlassen hat und nackt durchs Meer wandert.

Er ging zur Wasserstelle, leckte die Feuchtigkeit von der Wand, ein, zwei Stunden lang, es war eine Tortur, die Zeit nahm kein Ende, die Zeit, in der ihm die wirkliche Welt auf der Haut brannte. Er riss sich ein paar Fetzen Moos von den Steinen, würgte sie in sich hinein, hockte sich hin, schiss während er fraß schnell, schnell, schnell musste alles gehen – , und wie gejagt, wie wenn er ein kleines weichfleischiges Tier wäre und droben am Himmel kreisten schon die Habichte, lief er zurück zu seiner Höhle bis ans Ende des Stollens, wo die Pferdedecke lag. Hier war er endlich wieder sicher.

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