Die Prinzessin wunderte sich zwar über solche Reden, aber sie zeigte es nicht. Sie war ja froh, dass ein Mann um ihre Hand anhielt, der reich war, zwar etwas älter, aber von angenehmem Äußeren und nicht geizig.
Man war sich schnell einig. Das Hochzeitsfest wurde eher bescheiden gefeiert, weil es der Prinzessin doch irgendwie peinlich war, ihren jungen Freundinnen den alten Bräutigam zu präsentieren.
Nach der Hochzeit fuhren die Jungvermählten in Detlefs Heimatland. Als sie in seinem Schloss ankamen, betrachtete Selina alles aufmerksam und freute sich. Der König hatte sie nicht belogen, alles war so, wie er es geschildert hatte: ein riesiges Schloss, umgeben von großen Parks und schönen, gepflegten Gärten mit unzähligen Vögeln und anderen Tieren.
Kurz darauf sprach Detlef zu seiner schönen Selina:
„Nächste Woche möchte ich Mama besuchen und ihr meine junge Frau vorstellen. Darum habe ich eine große Bitte an dich: Zieh dich schön an und zeige dich freundlich und sanft.“
„Bin ich denn zu Hause nicht freundlich und sanft genug?“
„Doch, doch, aber es ist wichtig, dass Mama dich so liebgewinnt, dass sie dich königlich beschenkt.“
„Wozu brauchst du ihre Geschenke?“, verwunderte sich Selina. „Du bist doch selbst reich. Du bist König, wohnst in einem prächtigen Schloss und hast alles, was du brauchst.“
„Ja, ich lebe gut, allerdings habe ich Schulden. Jeden Tag kommen Leute, die Geld von mir wollen, aber woher soll ich es nehmen? Die Staatskasse ist leer.“
Selina war bestürzt über dieses Geständnis. Eine Weile schwieg sie und dachte über die verfahrene Situation nach, in die sie durch ihre Heirat mit diesem Mann ganz unerwartet geraten war. Schließlich fragte sie:
„Warum hast du, ein alter Mann, mich, eine junge Frau, geheiratet, wenn du gar kein Geld hast, um meine Wünsche zu erfüllen? Du wusstest doch, dass ich keine Mitgift habe. Warum hast du nicht eine andere geheiratet, die Geld hat?“
„Die mit Geld sind alle alt oder langweilig, und sie trachten bloß danach, ihren Mann zu unterdrücken. Ich aber möchte ein freier Mann sein, nach meinem Willen leben und mein Glück genießen. Mit dir bin ich glücklich: Du bist jung, schön, fröhlich, deine Reden sind süß und deine Liebe noch süßer. Wie hätte ich so einen Schatz ausschlagen können? Dass wir kein Geld haben, ist nicht schlimm. Mama wird uns schon etwas zum Überbrücken geben. Im Herbst bringen die Bauern die Ernte ein und zahlen mir Ackerzins, dann sind wir unsere Sorgen wieder los und können das Leben in vollen Zügen genießen. Sind das keine guten Aussichten? Und du, meine Liebe, könntest auch mal darüber nachdenken, wie wir unsere Kassen auffüllen können. Du bist jetzt meine Frau, also sind wir ein Zweigespann und müssen alles miteinander teilen.“
Die junge Königin wurde wütend. „Ich habe doch nicht einen alten Mann geheiratet, um nun auch noch für ihn arbeiten zu müssen! Ich will dich nicht mehr, morgen fahre ich zurück zu meinen Eltern.“
König Detlef lächelte. „Du wirst weder morgen noch übermorgen irgendwohin fahren“, sagte er. „Ich habe deinen Eltern meinen letzten Sack Gold gegeben, unter der Bedingung, dass du bei mir bleibst. Sie werden dich nicht aufnehmen, wenn du zurückkommen solltest. Ich aber liebe dich, also bleib bei mir, wir werden glücklich sein zusammen. Wenn meine Mama stirbt, werden wir viel Geld erben. Dann zahlen wir alle Schulden zurück, und für uns wird auch noch einiges übrigbleiben.“
Selina war tief getroffen von Detlefs Verrat und haderte eine Zeitlang mit ihrem Schicksal. Doch dann begann sie zu überlegen, wie sie aus der Situation das Beste machen könnte. Viele Tage lang schloss sie sich in ihr separates Schlafgemach ein, um nicht von Detlef gestört zu werden, und dachte nach.
Schließlich traf sie eine Entscheidung. Sie ging zu ihrem Mann und sprach:
„Du hast mich belogen. Aber dafür werde nicht ich dich bestrafen, sondern das Leben selbst.“
„Ich habe dich nicht belogen“, antwortete Detlef, der alle Frauen für dumm und sich selbst für gescheit hielt. „Ich habe bloß nicht alles gesagt. Du hast ja auch nicht gefragt, ob ich genug Geld habe. Wenn du mich gefragt hättest, hätte ich dir alles ehrlich erzählt.“
„Damals hast du mich belogen“, beharrte Selina, „und nun versuchst du mit faulen Ausreden, dich selbst zu belügen. Aber das ist jetzt egal, ich möchte nicht mit dir darüber streiten. Ich habe mir inzwischen überlegt, wie wir weiter leben werden. Wir fahren deine Mama besuchen. Ich werde alles Geld nehmen, das sie mir geben mag. Aber du bekommst davon keinen Heller. Ich werde die Dinge selbst in die Hand nehmen, deine Finanzen verwalten und deine Schulden abbezahlen, denn zu dir habe ich kein Vertrauen mehr. Solltest du mein Vertrauen zurückgewinnen, kannst du dein Königreich wieder selbst regieren. Bis dahin werde ich mich um alles kümmern und versuchen, deine Fehler auszugleichen.“
„Damit bin ich nicht einverstanden!“, rief König Detlef wütend. „Du bist meine Ehefrau! Du sollst hier nicht das große Wort führen, sondern Kinder zur Welt bringen und nur dann den Mund aufmachen, wenn man dich fragt, und nicht, wenn dir danach ist! Ich bin der König, ich regiere allein und werde nicht zulassen, dass du dich in meine Angelegenheiten einmischst!“
„Wenn du so weiterregieren willst wie bisher, nur zu!“ antwortete die kluge Selina, die beim Wutausbruch des Königs ganz ruhig blieb, obwohl sie innerlich kochte vor gerechtem Zorn. „Aber dann verlasse ich dich. Ich gehe zu deiner Mama und werde ihre treue Krankenpflegerin. Keine Sorge, ich werde ihr schon gefallen. Dann verdiene ich mir mein Brot selbst, und sie erfährt dabei eine spannende Geschichte über ihren Sohn. Du darfst wählen, was dir lieber ist. Dafür hast du noch ein bisschen Zeit, wir fahren ja erst in zwei Tagen zu deiner Mutter. Wie du es bestimmst, so wird es sein. Entweder ich bleibe bei deiner Mutter oder ich bleibe in unserem Haus und regiere als Königin.“
Nach diesen Worten wollte Selina das Zimmer verlassen, doch auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um und sagte:
„Gemeinsame Kinder kannst du vergessen. Solange die Geschäfte nicht ordentlich laufen, bin ich keine Ehefrau für dich. Du hast mich mit einer Lüge hierhergelockt. Nun musst du den Preis dafür zahlen.“
Zwei Tage lang hing König Detlef bitteren Gedanken nach. Er bemitleidete sich selbst zutiefst, aber er wollte auch die schöne Selina nicht verlieren. Schließlich ging er widerwillig zu ihr, um ihr seine Entscheidung mitzuteilen:
„Ich verstehe zwar meine Schuld dir gegenüber nicht und begreife nicht, was ich falsch gemacht haben soll. Doch ich will unter keinen Umständen, dass Mama etwas von meinen Schulden erfährt. Also werden wir es so machen, wie du vorgeschlagen hast. Ich gebe alle Macht in deine Hand, aber nicht für immer, sondern nur für drei Jahre. Dabei habe ich zwei Bedingungen. Erstens darf keiner wissen, dass in Wahrheit du das Land regierst, denn sonst würde ich nicht nur die Achtung meiner Freunde, sondern auch die meiner Feinde verlieren. Zweitens habe ich nicht eine junge Schönheit geheiratet, um an der Tür ihres Schlafgemachs abgewiesen zu werden. Ich möchte weiterhin nachts zu dir kommen, sonst verliere ich meine männliche Würde.“ Nach diesen Worten senkte König Detlef den Kopf, da er eine harte Antwort befürchtete.
Selina sah ihn eine Weile an und überlegte. Dann erwiderte sie:
„Dass mein Mann kein Mann ist, möchte ich natürlich nicht. Ich werde mich deiner Liebe nicht entziehen, sonst würdest du zu Dirnen gehen, und das möchte ich nicht. Die Macht übernehme ich jedoch nicht für drei, sondern für sieben Jahre. Ohne deine Hilfe werde ich es allerdings nicht schaffen. Darum bitte ich dich, mich in der ersten Zeit zu unterstützen, bis ich weiß, was falsch läuft. Lass uns so einig werden, dass wir den Schein wahren und einander nicht benachteiligen. Jeder von uns soll sein Schlafgemach behalten, aber wenn mein junger Körper sich nach deiner Liebe sehnt, komme ich zu dir. Und eine Frau will nur dann geliebt werden, wenn sie einen starken und erfolgreichen Mann neben sich weiß. Denk darüber nach!“