Zugleich schritt die junge Störchin in wunderlichen Bewegungen durch das Feld. Der Kalif und Mansor sahen ihr verwundert nach. Аls sie aber in malerischer Stellung auf einem Fuβ stand und mit den Flügeln anmutig dazu wedelte, da konnten sich die beiden nicht mehr halten. Ein unaufhaltsames Gelächter brach aus ihren Schnäbeln hervor, von dem sie sich erst nach langer Zeit erholten.
Der Kalif faβte sich zuerst wieder: «Das war einmal ein Spaβ», rief er, «der nicht mit Gold zu bezahlen ist. Schade, daβ die Tiere durch unser Gelächter sich haben verscheuchen lassen, sonst hätten sie gewiβ auch noch gesungen!».
Aber jetzt fiel es dem Groβwesir ein, daβ das Lachen während der Verwandlung verboten war. Er teilte seine Angst deswegen dem Kalifen mit.
«Potz Mekka und Medina! Das wäre ein schlechter Spaβ, wenn ich ein Storch bleiben müβte! Besinne dich doch auf das dumme Wort, ich bring’ es nicht heraus».
«Dreimal gen Osten müssen wir uns bücken und dazu sprechen: Mu – Mu – Mu – ».
Sie stellten sich gegen Osten und bückten sich in einem fort, daβ ihre Schnäbel beinahe die Erde berührten, aber, o Jammer! Das Zauberwort war ihnen entfallen, und so oft sich auch der Kalif bückte, so sehnlich auch sein Wesir «Mu – Mu» dazu rief, jede Erinnerung daran war verschwunden, und der arme Chasid und sein Wesir waren und blieben Störche.
III
Traurig wandelten die Verzauberten durch die Felder, sie wuβten gar nicht, was sie in ihrem Elend anfangen sollten. Aus ihrer Storchenhaut konnten sie nicht heraus, in die Stadt zurück konnten sie auch nicht, um sich zu erkennen zu geben, denn wer hätte einem Storch geglaubt, daβ er der Kalif sei, und wenn man es auch geglaubt hätte, würden die Einwohner von Bagdad einen Storch zum Kalif gewollt haben?
So schlichen sie mehrere Tage umher und ernährten sich kümmerlich von Feldfrüchten, die sie aber wegen ihrer langen Schnäbel nicht gut verspeisen konnten. Auf Eidechsen und Frösche hatten sie übrigens keinen Appetit, denn sie befürchteten, mit solchen Leckerbissen sich den Magen zu verderben. Ihr einziges Vergnügen in dieser traurigen Lage war, daβ sie fliegen konnten, und so flogen sie oft auf die Dächer von Bagdad, um zu sehen, was darin vorging.
In den ersten Tagen bemerkten sie groβe Unruhe und Trauer in den Straβen. Аber ungefähr am vierten Tag nach ihrer Verzauberung saβen sie auf dem Palast des Kalifen, da sahen sie unten in der Straβe einen prächtigen Aufzug. Trommeln und Pfeifen ertönten, ein Mann in einem goldbestickten Scharlachmantel saβ auf einem geschmückten Pferd, umgeben von glänzenden Dienern.
Halb Bagdad sprang ihm nach, und alle schrien: «Heil Mizra, dem Herrscher von Bagdad!».
Da sahen die beiden Störche auf dem Dache des Palastes einander an, und der Kalif Chasid sprach:
«Ahnst du jetzt, warum ich verzaubert bin, Groβwesir? Dieser Mizra ist der Sohn meines Todfeindes, des mächtigen Zauberers Kaschnur, der mir in einer bösen Stunde Rache schwur. Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht auf! Komm mit mir, du treuer Gefährte meines Elends, wir wollen zum Grabe des Propheten Mohamed wandern, vielleicht, daβ an heiliger Stätte der Zauber gelöst wird».
Sie erhoben sich vom Dach des Palastes und flogen der Gegend von Medina zu.
Mit dem Fliegen wollte es aber nicht gar gut gehen, denn die beiden Störche hatten noch wenig Übung.
«Oh Herr», ächzte nach ein paar Stunden der Groβwesir, «ich halte es, mit Eurer Erlaubnis, nicht mehr lange aus, Ihr fliegt gar zu schnell! Auch ist es schon Abend, und wir täten wohl, ein Unterkommen für die Nacht zu suchen».
Chasid gab der Bitte seines Dieners Gehör; und da er unten im Tale eine Ruine erblickte, die ein Obdach zu gewähren schien, so flogen sie dahin. Der Ort, wo sie sich für diese Nacht niedergelassen hatten, schien ehemals ein Schloβ gewesen zu sein. Schöne Säulen ragten unter den Trümmern hervor, mehrere Gemächer, die noch ziemlich erhalten waren, zeugten von der ehemaligen Pracht des Hauses. Chasid und sein Begleiter gingen durch die Gänge umher, um sich ein trockenes Plätzchen zu suchen.
Plötzlich blieb der Storch Mansor stehen. «Herr und Gebieter», flüsterte er leise, «wenn es nur nicht töricht für einen Groβwesir, noch mehr aber für einen Storch wäre, sich vor Gespenstern zu fürchten! Mir ist ganz unheimlich zumute, denn hier neben hat es ganz vernehmlich geseufzt und gestöhnt».
Der Kalif blieb nun auch stehen und hörte ganz deutlich ein leises Weinen, das eher einem Menschen als einem Tiere anzugehören schien.
Voll Erwartung wollte er der Gegend zugehen, woher die Klagetöne kamen. Der Wesir aber packte ihn mit dem Schnabel am Flügel und bat ihn flehentlich, sich nicht in neue, unbekannte Gefahren zu stürzen. Doch vergebens! Der Kalif, dem auch unter dem Storchenflügel ein tapferes Herz schlug, riβ sich mit Verlust einiger Federn los und eilte in einen finsteren Gang. Bald war er an einer Tür angelangt, die nur angelehnt schien, und woraus er deutliche Seufzer mit ein wenig Geheul vernahm. Er stieβ mit dem Schnabel die Türe auf, blieb aber überrascht auf der Schwelle stehen. In dem verfallenen Gemach, das nur durch ein kleines Gitterfenster spärlich erleuchtet war, sah er eine groβe Nachteule am Boden sitzen. Dicke Tränen rollten ihr aus den groβen, runden Augen, und mit heiserer Stimme stieβ sie ihre Klagen zu dem krummen Schnabel heraus. Als sie aber den Kalifen und seinen Wesir, der indes auch herbeigeschlichen war, erblickte, erhob sie ein lautes Freudengeschrei. Zierlich wischte sie mit dem braungefleckten Flügel die Tränen aus dem Auge, und zu dem gröβten Erstaunen der beiden rief sie in gutem menschlichem Arabisch:
«Willkommen, ihr Störche! Ihr seid mir ein gutes Zeichen meiner Errettung, denn durch Störche werde mir ein groβes Glück kommen, ist mir einst prophezeit worden!».
Als sich der Kalif von seinem Erstaunen erholt hatte, bückte er sich mit seinem langen Hals, brachte seine dünnen Füβe in eine zierliche Stellung, und sprach: «Nachteule! Deinen Worten nach darf ich glauben, eine Leidensgefährtin in dir zu sehen. Aber ach! Deine Hoffnung, daβ durch uns deine Rettung kommen werde, ist vergeblich. Du wirst unsere Hilflosigkeit selbst erkennen, wenn du unsere Geschichte hörst».
Die Nachteule bat ihn zu erzählen, was der Kalif sogleich tat.
IV
Als der Kalif der Eule seine Geschichte vorgetragen hatte, dankte sie ihm und sagte:
«Vernimm auch meine Geschichte und höre, wie ich nicht weniger unglücklich bin als du. Mein Vater ist der König von Indien, ich, seine einzige unglückliche Tochter, heiβe Lusa. Jener Zauberer Kaschnur, der euch verzauberte, hat auch mich ins Unglück gestürzt. Er kam eines Tages zu meinem Vater und begehrte mich zur Frau für seinen Sohn Mizra. Mein Vater aber, der ein hitziger Mann ist, lieβ ihn die Treppe hinunterwerfen. Der Elende wuβte sich unter einer anderen Gestalt wieder in meine Nähe zu schleichen, und als ich einst in meinem Garten Erfrischungen zu mir nehmen wollte, brachte er mir, als Sklave verkleidet, einen Trank bei, der mich in diese abscheuliche Gestalt verwandelte. Vor Schrecken ohnmächtig, brachte er mich hierher und rief mir mit schrecklicher Stimme in die Ohren:
«Da sollst du bleiben, häβlich, selbst von den Tieren verachtet, bis an dein Ende, oder bis einer aus freiem Willen dich, selbst in dieser schrecklichen Gestalt, zur Gattin begehrt. So räche ich mich an dir und deinem stolzen Vater».
Seitdem sind viele Monate verflossen. Einsam und traurig lebe ich als Einsiedlerin in diesem Gemäuer, verabscheut von der Welt, selbst den Tieren ein Greuel. Die schöne Natur ist vor mir verschlossen, denn ich bin blind am Tage, und nur, wenn der Mond sein bleiches Licht über dies Gemäuer ausgieβt, fällt der verhüllende Schleier von meinem Auge».
Die Eule hatte geendet und wischte sich mit dem Flügel wieder die Augen aus, denn die Erzählung ihrer Leiden hatte ihr Tränen entlockt.