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Die Antwort erfolgte auf der Stelle.

[Laß mich gehen. Das ist die Antwort. Die einzige Antwort. Ich lasse euch in Ruhe, alle beide. Ich überlasse euch dem Plan. Ihr werdet noch zehn Jahre leben, verdammt, vielleicht zwanzig, unmöglich wäre es nicht. Du und deine kleine Lady müßt euch nur zurückziehen. Geht heim. Und wenn der große Knall kommt, seht ihn euch in den Nachrichten im Fernsehen an.]

Ralph versuchte sich anzuhören, als würde er ernsthaft darüber nachdenken.

[»Und du würdest uns in Ruhe lassen? Versprichst du, daß du uns in Ruhe lassen wirst?«]

[Ja!]

Atropos’ Gesicht hatte einen Ausdruck der Hoffnung angenommen, und Ralph konnte die ersten Spuren einer Aura um den kleinen Dreckskerl herum erkennen. Sie hatte dieselbe häßliche rote Farbe wie das pulsierende Leuchten, welches die Behausung erhellte.

[»Weißt du was, Mr. A.?«]

Atropos, hoffnungsvoller denn je: [Nein, was?]

Ralph streckte eine Hand aus, packte Atropos’ linkes Handgelenk und drehte es brutal herum. Atropos schrie vor Schmerzen auf. Er ließ den Griff des Skalpells los, worauf Ralph es so mühelos an sich nehmen konnte wie ein professioneller Taschendieb eine Brieftasche.

[»Ich glaube dir.«]

[Gib es mir zurück! Gib es mir zurück! Gib es -]

In seiner Hysterie hätte Atropos vielleicht stundenlang so weitergeschrien, daher bereitete Ralph ihm auf die direkteste Art und Weise ein Ende, die er kannte. Er beugte sich nach vorne und fügte dem großen kahlen Hinterkopf, der aus Lois’ Slip herausragte, einen flachen vertikalen Schnitt zu. Keine unsichtbare Hand versuchte, ihn daran zu hindern, und seine eigene Hand bewegte sich mühelos. Blut - eine erschreckende Menge - quoll aus dem Schnitt. Die Aura um Atropos hatte das dunkle und abscheuliche Rot einer entzündeten Wunde angenommen. Er schrie wieder.

Ralph beugte sich nach vorne und flüsterte ihm freundschaftlich ins Ohr.

[»Vielleicht kann ich dich nicht töten, aber ich kann dir auf jeden Fall die Hölle heiß machen, richtig? Und dazu muß ich nicht mit psychischem Saft aufgeladen sein. Dieses kleine Werkzeug hier genügt voll und ganz.«]

Er kreuzte mit der Klinge den ersten Schnitt, den er beigebracht hatte, und schrieb ein kleines t auf Atropos’ Kopf. Atropos kreischte und schlug wie wild um sich. Ralph stellte zu seiner Betroffenheit fest, daß ein Teil von ihm - der vergnügte Troll -einen Heidenspaß dabei hatte.

[»Wenn du willst, daß ich dich weiter aufschlitze, mußt du dich nur weiter wehren. Wenn du möchtest, daß ich aufhöre, dann mußt du aufhören.«]

Atropos wurde augenblicklich still.

[»Okay. Ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen. Ich glaube, es wäre in deinem Interesse, wenn du sie beantwortest.«]

[Frag mich ruhig! Was du willst! Nur schneid mich nicht mehr!] [»Das ist die richtige Einstellung, Freundchen, aber ich glaube, man kann sie immer noch verbessern, du nicht? Mal sehen.«]

Ralph stieß wieder zu, und diesmal fügte er der Seite von Atropos’ Kopf einen langen Schnitt zu. Ein Hautfetzen löste sich wie schlecht angeklebte Tapete. Atropos heulte. Ralph verspürte vor lauter Ekel einen Krampf in der Magengegend und war richtig erleichtert darüber… aber als er zu Atropos sprach/dachte, gab er sich große Mühe, sich dieses Gefühl nicht anmerken zu lassen.

[»Okay, das war meine Lektion in Motivation, Doc. Wenn ich sie wiederholen mußt, wirst du Sekundenkleber brauchen, damit deine Kopfhaut bei starkem Wind nicht davonweht. Hast du verstanden?«]

[Ja! Ja!]

[»Und glaubst du mir?«]

[Ja! Dreckiges, altes, weißhaariges Aas, JA!]

[»Okay, das ist gut. Hier ist meine Frage Mr. A.: Wenn du ein Versprechen gibst, bist du dann verpflichtet, es einzuhalten?«]

Atropos antwortete zögernd, ein gutes Zeichen. Ralph drückte ihm die flache Seite des Skalpells an die Wange, um ihn anzuspornen. Er wurde mit einem weiteren Schrei und sofortiger Kooperation belohnt.

[Ja! Ja! Schneid mich nicht mehr! Bitte schneid mich nicht mehr!]

Ralph nahm das Skalpell weg. Der Umriß der Schneide brannte auf der glatten Wange der kleinen Kreatur wie ein Muttermal.

[»Okay, Sonnenschein, dann hör gut zu. Du mußt mir versprechen, daß du mich und Lois in Ruhe lassen wirst, bis die Veranstaltung im Bürgerhaus vorbei ist. Keine Verfolgung mehr, kein Durchschneiden, kein Quatsch. Versprich mir das.«]

[Verpiß dich! Nimm dein Versprechen und schieb es dir in den Arsch!]

Das erboste Ralph nicht; sein Lächeln wurde sogar noch breiter. Denn Atropos hatte nicht gesagt: Das werde ich nicht, und noch wichtiger, er hatte nicht gesagt: Das kann ich nicht. Er hatte nur nein gesagt. Ein kleiner Ausrutscher, mit anderen Worten, der sich leicht korrigieren ließ.

Ralph wappnete sich und strich mit dem Skalpell die ganze Länge von Atropos’ Rücken entlang. Der Slip klaffte auf, die schmutzige weiße Tunika darunter klaffte auf, und die Haut unter der Tunika auch. Eine ekelhafte Menge Blut quoll heraus, und Atropos’ gellender, gequälter Schrei hallte in Ralphs Ohren.

Er beugte sich nach vorne und flüsterte wieder in das kleine Ohr, während er gleichzeitig das Gesicht verzog, weil warmes Blut den Stoff seiner Hose tränkte.

[»Ich tu das nicht gern, Freundchen - noch etwa zwei Schnitte, und ich muß wieder kotzen -, aber du sollst wissen, daß ich es kann und auch tun werde, bis du mir entweder das Versprechen gegeben hast oder die Macht, die mich daran gehindert hat, dich zu erwürgen, mich wieder aufhält. Ich glaube, wenn du darauf wartest, wirst du höllische Schmerzen erleiden müssen. Also, was meinst du? Gibst du mir das Versprechen, oder soll ich dich schälen wie eine Apfelsine?«]

Atropos blubberte. Es war ein ekelerregender, schrecklicher Laut.

[Du verstehst nicht! Wenn es dir gelingt, zu verhindern, was begonnen worden ist - die Chancen sind nicht groß, aber es wäre möglich -, werde ich von dem Wesen bestraft werden, das du den Scharlachroten König nennst!]

Ralph biß die Zähne zusammen und stieß wieder zu, wobei er die Lippen so fest zusammenpreßte, daß sein Mund wie eine längst verheilte Narbe aussah. Er spürte einen leichten Widerstand, als die Schneide des Skalpells durch Knorpel glitt, und dann fiel das linke Ohr von Atropos auf den Boden. Blut spritzte aus dem Loch in seinem kahlen Kopf, und diesmal war sein Schrei so laut, daß er Ralph in den Ohren weh tat.

Sie sind wirklich und wahrhaftig keine Götter, was? dachte Ralph. Ihm war übel vor Grauen und Ekel. Der einzige Unterschied zwischen ihnen und uns besteht darin, daß sie länger leben und nicht so leicht zu sehen sind. Und ich schätze, ich bin kein guter Soldat - wenn ich das viele Blut nur sehe, könnte ich schon umkippen. Scheiße.

[Ja, gut, ich verspreche es! Hör auf, mich zu schneiden! Nicht mehr! Bitte, nicht mehr!]

[»Das ist immerhin ein Anfang, aber du wirst schon etwas deutlicher werden müssen. Ich möchte hören, wie du mir versprichst, daß du von mir und Los wegbleibst, und von Ed auch, bis die Veranstaltung im Bürgerzentrum vorbei ist.«]

Er rechnete mit weiteren Ausflüchten und Gegenwehr, aber Atropos überraschte ihn.

[Ich verspreche es! Ich verspreche, daß ich mich von dir fernhalte, und von dem Weibsstück, mit dem du dich herumtreibst -]

[»Lois. Sag ihren Namen. Lois.«]

[»Ja, ja - sie - Lois Chasse! Ich verspreche, daß ich nicht in ihre Nähe kommen, und auch nicht in die von Deepneau. Ich halte mich von euch allen fern, wenn du nur versprichst, daß du mich nicht mehr schneidest. Bist du nun zufrieden? Ist das gut genug? Gottverdammt!]

Ralph entschied, daß er zufrieden war… so zufrieden ein Mann nur sein kann, den seine Methoden und sein eigenes Vorgehen zutiefst abstoßen. Er glaubte nicht, daß es Stolperfallen in Atropos’ Versprechen gab; der kleine Mann wußte, später würde er vielleicht einen hohen Preis dafür bezahlen müssen, daß er jetzt nachgegeben hatte, aber letzten Endes hatte das die Schmerzen und die Angst nicht übertreffen können, die Ralph über ihn gebracht hatte.

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