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George Thousand Names hob die Hände. »Natürlich hat der Dämon diese Gegenstände nicht selbst dorthin gebracht. Aber ich nehme an, dass sein Einfluss auf das Haus seit Jahrzehnten schon sehr stark war. Die Menschen, die unglücklicherweise dort gelebt haben, taten wahrscheinlich viele unbewusste Dinge, um den Weg für eine spätere Rückkehr des Dämons vorzubereiten. Ich vermute, dass der Türklopfer, den Sie geschildert haben, Ähnlichkeit mit dem Gesicht des Dämons besitzt.«

»Und die Bilder.«

»Tja, wer weiß?«, meinte er. »Aber vergessen Sie nicht, dass die alten Indianer Bilder von wichtigen Orten aus vielen verschiedenen Blickwinkeln zu malen pflegten, damit sie versteckte Bodenschätze oder unterirdische Quellen entdecken konnten. Diese ganzen Zeichnungen vom Mount Taylor und Cabezon Peak könnten eine sehr intellektuelle Bildersprache sein – wenn Sie sie alle zusammenlegen, dann könnten Sie vielleicht herausfinden, dass sie zu einem Punkt führen, wo der Erste, der Worte zur Gewalt benutzte, irgendetwas Wichtiges versteckt hat.«

»Was könnte das sein?«, fragte Jane. »Ich meine, was immer es wäre, es muss sehrwichtig sein.«

George Thousand Names lächelte sie wohlwollend an. »Ich mag es eigentlich nicht, Hypothesen aufzustellen, meine Liebe, aber ich vermute, dass diese Bilder den Weg zum abgeschnittenen Haar von Big Monster weisen. Der Erste, der Worte zur Gewalt benutzte, hat Big Monsters Haare abgeschnitten, weil sie magische Eigenschaften hatten … Sie machten den Träger gegenüber menschlichen und übernatürlichen Waffen unverwundbar. Es wird erzählt, es sei so grau wie Eisen, das Haar, und so kräftig wie eine Peitsche. Falls ich mich richtig erinnere, so heißt es in der Legende, dass der Erste, der Worte zur Gewalt benutzte, das Haar in New Mexico versteckte, im Gebiet der Acoma und Canoncito, damit die Zwillingsgötter, die Big Monster getötet haben, es nie finden können. Aber es wurde gefunden und fortgezaubert; niemand weiß, wohin. Ohne das Haar sei der Dämon angreifbar und würde niemals die Stärke erreichen, die er braucht, um in der Welt der Menschen und lebenden Geister verweilen zu können.«

Ich lehnte mich zurück in das Kissen. George Thousand Names war so ruhig, so selbstbeherrscht, dass ich nicht länger annehmen konnte, dass er sich über uns lustig machte. Seine Ausführungen erforderten allerdings eine äußerst starke Vorstellungskraft, um sie zu glauben. Ich war mir nicht einmal sicher, sie grundsätzlich glauben zu können, auch wenn er sie noch so ernsthaft vortrug. Wenn Dan, Bryan und Seymour Wallis nicht gewesen wären, dann hätte ich meinen Kaffee höflich ausgetrunken und wäre gegangen. Aber zwei von ihnen waren krank und der dritte lag tot im Leichenhaus, und was der Indianer uns erzählt hatte, war bisher die einzige Erklärung, die man uns gegeben hatte.

»Wie lautet denn der gebräuchliche Name für den Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte?«, fragte Jane.

George Thousand Names hob eine Augenbraue. »Den haben Sie wahrscheinlich schon gehört. Der Dämon wird gewöhnlich Coyote genannt. Die Hunde der Wüste wurden nach ihm benannt. Dieser Name bedeutet List und Schmeichelei und gemeines Täuschen.«

Ich hustete. »Besteht irgendeine Möglichkeit festzustellen, ob er wirklich herumgeistert? Gibt es ein Zeichen, irgendein Merkmal, an dem wir ihn erkennen können?«

»Wie Poltergeister, die sich vor Feuer fürchten? Oder Vampire?«, meinte Jane.

»Coyote kommt in vielerlei Gestalt, aber Sie können ihn immer erkennen. Er hat das Gesicht eines dämonischen Wolfes und sein Erscheinen wird immer angekündigt von Zeichen des Unheils.«

»Und welche?«

»Etwa Unwetter oder Krankheit oder besondere Vögel oder andere Tiere.«

Ich spürte das vertraute eiskalte Gefühl auf meiner Kopfhaut.

»Graue Vögel?«, fragte ich den Medizinmann. »Graue Vögel, die einfach dasitzen und nie singen?«

George Thousand Names nickte. »Die grauen Vögel sind die ständigen Begleiter Coyotes. Er benutzt ihre Federn, um seine Pfeile zu befiedern. Das ist etwas, was ein indianischer Krieger niemals getan hätte, weil diese grauen Vögel Boten des Verderbens und der Panik sind.«

»Ich habe sie gesehen.«

Zum ersten Mal lehnte sich George Thousand Names vor, sein Gesicht gespannt und bleich. »Sie haben sie gesehen?«

»Tausende von ihnen, wirklich Tausende. Sie sitzen alle auf dem Dach des Krankenhauses, in das Dan Machin, Bryan Corder und Seymour Wallis eingeliefert worden sind. Meine eigene Abteilung der Gesundheitsbehörde war gestern dort, um sie zu vertreiben, aber sie wollen nicht verschwinden.«

»Sind sie immer noch da?«, fragte er, als könne er nicht glauben, was ich sagte. »Sie haben sie mit Ihren eigenen Augen gesehen?«

Ich nickte.

George Thousand Names schaute ins Nirgendwo. Seine Augen, glühend und hell zwischen den vielen Falten seiner Haut, schienen in unsichtbarer weiter Entfernung etwas zu suchen. Er flüsterte mehr zu sich selbst als zu Jane und mir: »Coyote … Es wird also geschehen.«

Ich befeuchtete unsicher meine Lippen. »Mr. Thousand Names«, sagte ich, wobei ich versuchte nicht zu sehr wie ein weißer Tourist zu klingen, der wegen Indianerdecken verhandelt, »können wir irgendetwas tun? Oder gibt es irgendetwas, was Sie tun können, um uns zu helfen?«

Er wandte seinen Kopf ruckartig zu mir und starrte mich an, als ob ich von allen Geistern verlassen wäre. »Ich? Was kann ichdenn angesichts eines Dämons wie Coyote ausrichten?«

»Das weiß ich nicht genau. Aber wenn Sienichts tun können, was zum Teufel können wirdann noch tun?«

George Thousand Names stand auf und ging zu dem offenen Fenster hinüber. Es war jetzt fast fünf Uhr und die Sonne würde höchstens noch zwei Stunden über den Baumspitzen stehen. Er ging hinaus auf die Terrasse.

Jane und ich sahen uns besorgt an, während George Thousand Names stumm dastand und über die Hügel und Flüsse des Round Valleys blickte. Ich stand auf und folgte ihm an die frische Luft. Sie roch nach frischen Tannen und Holzrauch und in der Ferne hörte man, wie jemand Holz hackte.

»Irgendjemand hat dieses alte Übel wieder zum Leben erweckt.« Seine Stimme klang rau. »Irgendwie. Coyote ist wieder eins geworden.«

»Ich verstehe nicht.«

Der Medizinmann drehte sich um und schaute mich an. »Die Götter und die Medizinmänner haben dafür gesorgt, dass Coyote in mehrere Stücke in die Unterwelt gelangte und dass es ihm nicht möglich war, diese Zerlegung rückgängig zu machen. Die ersten vier Male, als er starb, hatte er einen Feuerstein an seinem Körper versteckt, damit er seinen Atem, sein Blut und seinen Herzschlag wiederbeleben konnte. Das letzte Mal, als er starb, versicherten sich die Götter, dass er keinen Feuerstein und keine Axt bei sich trug. Die Einzige, die ihn unter Umständen wieder beschworen haben kann, ist das Bärenmädchen.«

»Mr. Thousand Names«, sagte ich, »ich möchte nicht als dumm gelten, aber diese Legenden sind mir etwas zu hoch. Ich meine, es fällt mir schwer, sie zu akzeptieren.«

Er drehte sich um. »Das ist ganz klar«, meinte er mit flacher Stimme, die weder irritiert noch ungeduldig klang. »Was meinen Sie, was ichempfunden habe, als ich das erste Mal hörte, dass Jesus Christus über das Wasser geschritten ist?«

Jane, die am offenen Fenster stand, sagte: »Erzählen Sie uns etwas über dieses Bärenmädchen. Bitte.«

George Thousand Names massierte müde seinen Nasenrücken mit Finger und Daumen. »Das Bärenmädchen war eine wunderschöne Jungfrau, nach der Coyote gierte. Er hat zigmal versucht, sie zu verführen, aber jedes Mal widerstand sie ihm. Sie war es, die ihn die ersten Male in die Unterwelt schickte, damit er beweisen konnte, dass er glücklich für sie sterben würde. Schließlich unterlag sie doch seinen sexuellen Anstürmen und er schenkte ihr eine Liebesnacht, die sie ihm völlig gefügig machte.

Von diesem Augenblick an flößte Coyote ihr böse Gedanken ein und so veränderte sie sich nach und nach von einer Frau in einen Bären. Ihre Zähne wurden länger, ihre Nägel schärfer und dunkle Haare wuchsen ihren Nacken hinunter. Es wurde ihr größtes Vergnügen, Menschen mit ihren mächtigen Zähnen den Nacken zu zerfleischen.«

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