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»Tja«, meinte er sanft und blies Rauch aus: »Das war nicht gerade Ihr Abend, Mr. Hyatt.«

Ich knurrte: »Das können Sie laut sagen.«

Lieutenant Stroud rauchte eine Weile. »Kannten Sie Mr. Corder gut?«

»Wir haben in derselben Abteilung gearbeitet. Ich habe bei ihm einmal zu Abend gegessen. Moira ist Spezialistin für Nussplätzchen.«

»Nussplätzchen, hmm, das ist auch meine Schwäche. Ich nehme an, Mrs. Corder wird es hart treffen.«

»Ganz bestimmt. Sie ist eine sehr nette Frau.«

Oben wurde klappernd ein Fenster geöffnet und einer der Polizisten steckte den Kopf heraus. »Lieutenant?«

Stroud trat einen Schritt zurück und schaute hinauf. »Was ist los? Haben Sie etwas gefunden?«

»Wir haben den halben verdammten Kamin aufgerissen, Sir, und da ist absolut nichts. Nur getrocknetes Blut.«

»Keine Spuren von Ratten oder Vögeln? Kein Geheimgang?«

»Nichts, Sir. Sollen wir noch weitersuchen?«

»Noch ein wenig, Kollege.«

Das Fenster schloss sich geräuschvoll und Lieutenant Stroud wandte sich erneut der Straße zu. Die Wolken waren fast alle fortgezogen und am klaren Nachthimmel begannen die Sterne zu funkeln. Unten auf der Mission Street sauste und rauschte der Verkehr vorbei und aus dem oberen Fenster des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite ertönten die Klänge eines Halleluja-Chors.

»Sind Sie ein religiöser Mann, Mr. Hyatt?«, fragte Lieutenant Stroud.

»Mehr oder weniger«, antwortete ich vorsichtig. »Eher weniger als mehr, ich glaube, dass ich eher abergläubisch als gläubig bin.«

»Dann glauben Sie das wirklich alles … was Sie mir über das Atmen und die Herzschläge im Haus erzählt haben?«

Ich sah ihn aufmerksam an. Seine Augen glänzten und waren hellwach. Ich schüttelte den Kopf: »Tja.«

»Ich muss eine Reihe Alternativen in Betracht ziehen. Entweder starb Mr. Corder durch einen besonders bizarren und unwahrscheinlichen Unfall oder er wurde von einem Tier angegriffen, das im Kamin gefangen saß, oder aber er wurde von einem unbekannten Mann oder einer Frau angegriffen, die irgendwie in den Kamin gelangt waren. Vielleicht wurde er aber auch von Ihnen und Ihren Freunden getötet.«

Ich starrte auf den nassen Bürgersteig und nickte. »Das ist mir klar.«

»Natürlich gibt es auch noch die Möglichkeit, dass irgendein übernatürliches Ereignis stattfand, das irgendwie mit Ihren okkulten Nachforschungen im Hause zu tun hat.«

Ich schaute auf. »Sie ziehen das als eine Möglichkeit in Betracht?«

Lieutenant Stroud lächelte: »Nur weil ich Polizeibeamter bin, heißt das doch nicht, dass ich den Dingen dieser Welt völlig unaufgeschlossen gegenüberstehe. Und auch denen außerhalbdieser Welt. Eines meiner Hobbys ist Science-Fiction.«

Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich erwidern sollte. Vielleicht versuchte dieser große, höfliche Mann, mein Vertrauen zu gewinnen und mich zu der Aussage zu bringen, dass Dr. Jarvis, Jane und ich Bryan in einer verbotenen Zeremonie der Schwarzen Magie geopfert hätten. Aber sein Gesichtsausdruck verriet nichts. Er wirkte intelligent, aber kühl. Er war der erste kultivierte Polizist, dem ich begegnete, und ich wusste nicht ganz, ob ich diese Erfahrung gern machte.

Ich drehte mich wieder zur Tür um und nickte in Richtung des wölfischen Türklopfers. »Was halten Sie denn davon?«

Er hob eine Augenbraue. »Ich habe ihn bemerkt, als ich eben ankam. Er sieht etwas unheimlich aus, nicht?«

»Mein Freund meinte, dass er wie ein Werwolf aussehe.«

Lieutenant Stroud trat etwas zurück. »Nun, damit kenne ich mich nicht aus, Mr. Hyatt. Ich interessiere mich zwar für Science-Fiction, bin aber kein Experte für Vampire und Dämonen und all diese Sachen. Im Übrigen bevorzugen meine Vorgesetzten Mörder aus Fleisch und Blut, die sie einbuchten können. Ich suche immer erst nach einer natürlichen Antwort, bevor ich an eine übernatürliche denke.«

»Natürlich, Sie sind Polizist.«

Die Haustür öffnete sich und Dr. Jarvis kam heraus. Er war blass und sah aus, als ob er den ganzen Abend Blut gespendet hätte. »John, kann ich Sie mal kurz allein sprechen?«

Lieutenant Stroud gab nickend seine Genehmigung. Dr. Jarvis führte mich in die Diele. Neben der Statue der Bärenfrau drehte er sich um und sah mich mit einem Gesichtsausdruck an, der noch geschockter und ernster war als zuvor.

»Was ist denn los? Sie sehen erschreckend aus.«

Er nahm ein Taschentuch heraus und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich konnte dem Lieutenant davon nichts sagen. Er wird es früher oder später aber doch herausfinden. Aber ich hätte lieber, dass er es von jemand anderem hört, von jemandem, der gerade dort ist.«

In diesem Moment kam Jane die Treppe herunter. Sie sagte: »Sie haben fast das ganze Schlafzimmer auseinandergenommen, aber nicht das Geringste gefunden. John, können wir jetzt gehen? Ich würde meine besten Klamotten für einen Gin-Orangensaft geben.«

»Jane«, sagte Dr. Jarvis. »Sie können ruhig zuhören. Sie waren dabei, als es passiert ist. Sie werden es zumindest glauben.«

Jane fragte stirnrunzelnd: »Was ist denn? Ist etwas passiert?«

Ich nutzte die Gelegenheit, um meinen Arm um sie zu legen und sie männlich beschützend zu drücken. Es ist seltsam, wie die sexuellen Instinkte eines Mannes weiterarbeiten, selbst in Augenblicken der Krise und des Grauens. Aber meine Glut war nicht gerade auf dem Siedepunkt. Und als Dr. Jarvis uns seine Neuigkeiten berichtete, fielen meine Hände zur Seite und ich stand da, erschrocken, erstarrt und erschauernd, überzeugt davon, dass das, was in Seymour Wallis’ Haus vor sich ging, mit jeder vergehenden Stunde düsterer, mächtiger und bedrohlicher wurde.

»Gerade hat das Elmwood angerufen. Sie haben Ihren Freund Bryan Corder sofort ins Leichenhaus gebracht und mit der Leichenöffnung begonnen.«

»Haben sie herausgefunden, woran er gestorben ist?«, fragte Jane.

Dr. Jarvis schluckte verlegen. »Nein, sie konnten es nicht herausfinden. Trotz der Verletzung seines Kopfes ist er klinisch noch nicht tot.«

Mein Unterkiefer klappte dumm herunter. »Er lebt noch?Das kann doch nicht sein!«

»Ich befürchte, dass es aber so ist. Zumindest glauben es die Chirurgen. Verstehen Sie, sein Herz schlägt noch. Sie haben seine Brust abgehorcht, und es schlägt laut und deutlich mit 24 Schlägen pro Minute.«

»24?«, fragte Jane. »Das ist nicht –«

»Nicht menschlich«, fiel Dr. Jarvis ein. »Wirklich nicht menschlich. Aber die Tatsache bleibt bestehen, dass sein Herz schlägt, und solange es noch schlägt, werden sie alles tun, um es weiterschlagen zu lassen.«

Genau in diesem Augenblick meinte ich, ein Flüstern zu hören. Es war wohl einer der Polizisten aus dem ersten Stock. Es war vielleicht auch das Geräusch von Autoreifen auf der nassen Straße. Aber als ich mich unwillkürlich herumdrehte, um zu sehen, woher es rührte, stellte ich fest, dass ich ziemlich nahe an diesem verdammten, widerlichen Türklopfer stand, diesem Türklopfer, auf dem geschrieben war: Rückkehr.

3

Ich wälzte mich einige Stunden auf meinem verschwitzten, zerwühlten Bett hin und her, bis ich um fünf Uhr morgens aufstand und mir eine Kanne starken schwarzen Kaffee machte, den ich mit einem Schuss Calvados verstärkte. Mit diesem Getränk wärmen sich die alten Männer in der Normandie an kalten Dezembertagen auf. Ich stellte mich ans Fenster, schaute auf die verlassene Straße in der Frühe und hatte das Gefühl, dass mein ganzes Leben sich plötzlich seltsam verändert hatte, als ob man mit dem Auto in einer Stadt, die man gut zu kennen glaubt, in die falsche Straße einbiegt und sich dann in einer fremden Gegend wiederfindet, wo die Gebäude dunkel und verfallen sind und die Leute unfreundlich und abweisend.

Um sechs konnte ich meine Neugierde nicht mehr bezwingen und rief das Elmwood Foundation Hospital an, um zu hören, ob Dr. Jarvis seinen Dienst begonnen hatte. Die ausdruckslose Stimme der Sprechstundenhilfe sagte mir, dass Dr. Jarvis keine Gespräche entgegennehme, aber sie notierte sich meine Nummer und versprach, dass er mich zurückrufen würde.

15
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