Im Laden ist nur Wil iam, der mir vergnügt entgegenkommt und erzählt, er habe für 800 Schillinge Ware verkauft. Ich freue mich mit ihm. Da wir die Vitrine nicht ausladen können, geht er zum Strand, um Freunde zu suchen, die uns helfen. Nach einer halben Stunde erscheint er mit drei Massai, die vorsichtig die schwere Vitrine ausladen und aufstellen. Zum Dank gebe ich al en ein Soda und jedem 10 Schillinge.
Ich räume die Vitrine mit Modeschmuck ein, während die anderen vor dem Shop zusammen mit dem Kindermädchen und Napirai ihre Sodas trinken.
Wie immer, wenn eine Arbeit getan ist, erscheint auch mein Mann. In seiner Begleitung ist der Ehemann unseres Kindermädchens. Böse herrscht er seine junge Frau an, und ich sehe die fremden Massai abziehen. Erschrocken frage ich, was los ist, und erfahre von William, der Ehemann wolle nicht, daß seine Frau mit anderen Männern zusammensitzt. Wenn er sie nochmals erwischt, darf sie nicht mehr hier arbeiten. Leider darf ich mich nicht einmischen und muß froh sein, daß nicht auch Lketinga zu schimpfen beginnt. Über den Ehemann des Mädchens bin ich entsetzt, und sie tut mir leid, denn sie steht mit gesenktem Kopf etwas abseits.
Gott sei Dank kommen Kunden, und Wil iam stürzt sich mit Eifer auf sie. Nachdem ich aus dem Gespräch höre, daß es Schweizer sind, spreche ich sie an. Sie sind aus Biel. Neugierig möchte ich etwas aus meiner Heimatstadt erfahren. Wir unterhalten uns, und nach einer Weile wollen sie mich auf ein Bier an der China-Bar einladen.
Ich frage Lketinga, ob er einverstanden ist. „Why not, Corinne, no problem, if you know these people“,
erklärt er großzügig. Natürlich kenne ich das Pärchen nicht, das etwa in meinem Alter ist und vielleicht ehemalige Freunde von mir kennt.
Wir bleiben eine Stunde an der Bar, ehe wir uns verabschieden. Kaum bin ich zurück, fängt die Fragerei wieder an. Woher ich diese Leute kenne? Warum ich mit dem Mann soviel gelacht habe? Ob er ein Freund von Marco sei oder gar einmal mein Freund war? Fragen über Fragen und immer: „Corinne, you can tell me. I know, no problem, now this man has another lady. Please tell me, before you come to Kenya, maybe you sleep with him?“
Ich kann es nicht mehr hören und halte mir die Ohren zu, während mir die Tränen über das Gesicht rol en. Vor Wut könnte ich ihn nur noch anschreien.
Endlich ist Feierabend, und wir gehen nach Hause. Natürlich hat Wil iam al es mitangehört und es Priscil a erzählt. Jedenfalls kommt sie zu uns und fragt, ob wir Probleme haben. Ich kann es nicht für mich behalten und berichte ihr von dem Vorfall. Sie versucht, Lketinga ins Gewissen zu reden, und ich gehe mit Napirai schlafen. In zwei Wochen kommt meine Schwester und, wenn ich Glück habe, ist mein Mann nicht mehr hier. Die Streitereien nehmen zu, und von den guten Vorsätzen nach dem Besuch meines Bruders ist nichts mehr zu spüren.
Jeden Morgen stehe ich um sieben auf, um bis neun Uhr im Geschäft zu sein. Nun kommen fast täglich Vertreter, die Schnitzereien oder Goldschmuck anbieten. Diese Art von Nachschubbeschaffung ist eine große Erleichterung. Ich kann sie jedoch nur nutzen, wenn Lketinga nicht im Laden ist, denn er benimmt sich unmöglich. Jeder Vertreter spricht zuerst mich an, und das erträgt mein Mann überhaupt nicht. Er schickt sie fort und meint, sie sollen wiederkommen, wenn sie wissen, wem das Geschäft gehört, schließlich sei hier Sidais-Massai-Shop angeschrieben.
William hingegen ist eine echte Hilfe. Er schleicht sich davon und sagt den Vertretern, sie sollten wiederkommen, wenn mein Mann nachmittags in Ukunda ist.
So verstreicht noch eine ganze Woche, bis er endlich nach Hause fährt. Er wil in drei Wochen zurück sein, so daß er Sabine während ihrer letzten Ferienwoche kennenlernen kann.
Jeden Tag fahren William und ich zusammen ins Geschäft. Das Kindermädchen ist meistens schon da, oder wir treffen sie auf dem Weg zum Shop. Mittlerweile kommen bereits morgens mehrere Touristen. Oft sind es Italiener, Amerikaner, Engländer oder Deutsche. Es gefäl t mir gut, mich mit allen so unbekümmert unterhalten zu können. Wil iam springt ohne Aufforderung zur Straße, und dieses Locken funktioniert immer besser. Es gibt Tage, an denen wir unter anderem bis zu drei Goldkettchen mit dem Keniawappen verkaufen. Ein Händler besucht uns wöchentlich zweimal, so daß ich auch Kundenwünsche weitergeben kann.
Mittags schließen wir regelmäßig für eineinhalb Stunden und gehen zu Sophia.
Sorglos kann ich nun bei ihr Spaghetti und Salat essen. Ihr Restaurant ist seit kurzem eröffnet, obwohl sie selbst immer noch nicht arbeiten darf. Sie freut sich jedesmal, wenn unsere Mädchen zusammen spielen. Natürlich bezahle ich auch das Essen von William, weil es fast die Hälfte seines Monatsgehaltes ausmacht. Als er das zum ersten Mal bemerkt, wil er nicht mehr mitkommen. Aber ohne ihn könnte ich mit Napirai nicht hinfahren. Da er so eifrig arbeitet, lade ich ihn gerne ein.
Das Kindermädchen geht zum Essen täglich nach Hause. Inzwischen nehme ich so viel ein, daß ich jeden Mittag Geld zur Bank bringen muß. Autoprobleme gibt es auch keine mehr. Einmal die Woche fahre ich nach Mombasa und kaufe ein, den Rest beziehe ich von fahrenden Händlern. Ich fühle mich wohl als Geschäftsfrau. Es sind die ersten harmonischen Tage im Shop.
In der zweiten Augustwoche trifft Sabine im Africa-Sea-Lodge ein. Am Tag ihrer Ankunft gehe ich mit Priscilla und Napirai zum Hotel, während Wil iam den Laden versorgt. Die Wiedersehensfreude ist groß. Es sind ihre ersten Ferien auf einem anderen Kontinent. Leider habe ich nicht viel Zeit, da ich bald wieder im Geschäft sein möchte. Sie liegt sowieso erst mal den ganzen Tag in der Sonne. Am Abend nach Geschäftsschluß verabreden wir uns an der Hotelbar. Ich nehme sie gleich mit zu uns ins Vil age, und auch sie wundert sich, wie wir hausen, obwohl es ihr gefällt.
Nebenan sind einige Krieger zu Hause. Neugierig fragen sie, wer dieses Mädchen ist, und es dauert nicht lange, bis jeder um meine Schwester buhlt. Auch sie scheint von ihnen fasziniert zu sein. Ich warne sie mit guten Ratschlägen und erzähle von meiner Misere mit Lketinga. Sie kann sich das nicht so recht vorstel en und ist enttäuscht, daß er nicht da ist.
Sie will zurück ins Hotel, weil es Abendessen gibt. Ich fahre sie mit dem Wagen hin, und einige Krieger nutzen ebenfal s die Fahrgelegenheit. Vor dem Hotel lade ich alle aus und verabrede mich mit Sabine für morgen abend an der Bar. Während ich losfahre, unterhält sie sich noch mit den Massai. Ich gehe zu Priscil a, um mit ihr zu essen. Jetzt, wo Lketinga nicht da ist, wechseln wir uns mit dem Kochen ab. Sabine erscheint am nächsten Nachmittag überraschend mit Edy im Geschäft. Sie haben sich gestern in der Bush-Baby-Disco kennengelernt. Sie ist erst achtzehn und will das Nachtleben genießen. Mir schwant nichts Gutes beim Anblick der beiden, obwohl ich Edy gut leiden kann. Die meiste Zeit hängen sie am Pool herum, der zur Anlage gehört.
Ich arbeite im Shop und sehe meine Schwester selten, sie ist mit Edy viel unterwegs. Ab und zu treffe ich sie in unserem Vil age zum Chai. Natürlich will sie mit mir in die Disco, doch wegen Napirai geht das nicht. Außerdem gäbe es große Probleme, wenn Lketinga wieder erscheint. Meine Schwester kann mich nicht verstehen, weil ich immer ein so selbständiger Mensch war. Aber sie hat ja meinen Mann noch nicht kennengelernt.
Bittere Enttäuschung
Acht Tage später ist es soweit. William und ich sind im Laden. Es ist drückend heiß, und deshalb ist nicht viel los. Dennoch können wir zufrieden sein mit unserem Umsatz, von dem Sophia im Moment nur träumen kann. Ich sitze auf der Eingangsstufe zum Shop, und Napirai trinkt trotz ihrer dreizehn Monate zufrieden an meiner Brust, als plötzlich ein großer Mann hinter dem Inderladen hervortritt und auf uns zukommt.
Ein paar Sekunden brauche ich, bevor ich Lketinga erkenne. Ich warte auf ein freudiges Gefühl in mir, aber ich bleibe wie erstarrt. Sein Anblick verwirrt mich. Seine langen, roten Haare hat er kurz geschoren, einiges vom Kopfschmuck fehlt. Dies könnte ich noch akzeptieren, doch seine Kleidung sieht lächerlich aus. Er trägt ein altmodisches Hemd und dunkelrote Jeans, die viel zu eng und zu kurz sind. Seine Füße stecken in billigen Plastikhalbschuhen, und sein sonst schwebender Gang wirkt hölzern und steif. „Corinne, why you not tel me hello? You are not happy I’m here?“