Wir streiten immer öfter, und ich ertappe mich bei dem Gedanken, daß ich so nicht bis an mein Lebensende weitermachen will. Wir arbeiten, und er steht da und motzt die Leute oder mich an, wenn er nicht gerade zu Hause mit einigen Kriegern eine Ziege schlachtet und ich später den Boden vol Blut und Knochen vorfinde.
Ein- bis zweimal wöchentlich fahre ich nach Baragoi, das wesentlich näher liegt als Maralal, um die fehlenden Lebensmittel zu ersetzen. Wieder einmal fehlt Zucker, da ein großes Hochzeitsfest eines Kriegers bevorsteht. Er allein will dreihundert Kilo kaufen und möchte ihn gegen Aufpreis in einen entlegenen Kral gebracht haben. Es ist kurz nach Mittag, und ich hetze los. Ein Weg dauert nur etwa eineinhalb Stunden.
Ohne Probleme erreiche ich Baragoi. Ich kaufe nur sechshundert Kilo Zucker, da ich immerhin zwei Flüsse überqueren muß und meinen Wagen nicht unnötig strapazieren wil.
Das Auto ist beladen, und ich wil starten. Doch der Motor springt nicht an, und nach einigen Versuchen funktioniert gar nichts mehr. Innerhalb kurzer Zeit bin ich von Turkana-Leuten umgeben, die al e neugierig in den Wagen schauen. Der Besitzer des Shops kommt heraus und fragt nach meinem Problem. Einige versuchen, den Wagen anzuschieben, doch auch dieser Versuch scheitert. Der Ladenbesitzer schlägt vor, ich solle etwa dreihundert Meter weiter unten nach einem Zelt Ausschau halten, denn da seien andere Mzungus, die ein Fahrzeug haben.
Tatsächlich treffe ich auf ein junges englisches Paar, dem ich mein Problem schildere. Der Mann packt einen Werkzeugkasten und untersucht mein Auto. Schnel stel t er fest, daß die Batterie völlig leer ist. Er probiert einiges, doch ohne Erfolg. Als ich erkläre, daß ich heute noch nach Barsaloi muß, da ich ein Baby zu Hause habe, bietet er mir an, mir die Batterie aus seinem Wagen zu leihen. Da sie aber in zwei Tagen nach Nairobi aufbrechen wol en, muß ich versprechen, sie bis dahin zurückzubringen. Beeindruckt von diesem Vertrauen versichere ich, rechtzeitig zurückzukommen. Meine defekte Batterie lasse ich da.
Zu Hause erzähle ich meinem Mann, was vorgefal en ist, da er wieder mißtrauisch nachfragt, warum ich so lange weg war. Natürlich bin ich auch sehr betrübt, weil schon wieder eine Ausgabe fällig ist und unser erwirtschaftetes Geld ständig im Auto verschwindet. Als nächstes brauche ich dringend vier neue Reifen. Es ist zum Verzweifeln, wir kommen so auf keinen grünen Zweig, und mir graut davor, morgen schon wieder nach Maralal zu fahren.
Da kommt mir ein glücklicher Zufall zu Hilfe, denn ein Wagen der Bauarbeiter fährt hinunter, um Lebensmittel und Bier zu holen. Ich bitte Lketinga, mitzufahren und die Batterie mitzunehmen. In Maralal sol er eine neue besorgen und mit dem öffentlichen Matatu nach Baragoi zu den Engländern fahren. Sie werden ihn sicherlich bis Barsaloi zurückbringen.
Eindringlich erkläre ich ihm, wie wichtig es ist, daß diese Leute morgen ihre Batterie zurückbekommen. Er versichert mir, daß das kein Problem sei, und fährt im Landrover der Arbeiter durch den Urwald nach Maralal mit. Ich bin beunruhigt, ob alles klappt, aber er hat es mir fest versprochen und war auch richtig stolz, daß er etwas Wichtiges al ein erledigen soll. Er muß einmal übernachten und frühmorgens das einzige Matatu nach Baragoi nehmen.
Ich bin zu Hause und später im Shop, um James beim Verkauf des Zuckers zu helfen. Jeden Moment erwarten wir Lketinga zurück. Doch es wird neun Uhr abends, ehe wir in der Ferne endlich Licht entdecken. Beruhigt koche ich Chai, damit er gleich etwas zu trinken bekommt. Nach einer weiteren halben Stunde hält der Landrover der Engländer unten bei unserem Shop. Ich eile zu ihnen und frage erstaunt, wo mein Mann sei. Der junge Mann sieht mich verärgert an und meint, er wisse nicht, wer mein Mann sei, doch er wolle seine Batterie haben, denn sie müssen heute noch auf den Weg nach Nairobi, morgen abend geht ihr Flug nach England. Mir wird ganz elend, und ich schäme mich, daß mein Versprechen nicht eingehalten wurde.
Es ist mir sehr unangenehm, ihnen mitteilen zu müssen, daß die Batterie mit meinem Mann unterwegs sei und er heute eigentlich in Baragoi bei ihnen vorbeikommen sol te. Der Engländer regt sich natürlich auf. Jetzt hat er unsere alte Batterie eingesetzt, doch diese funktioniert nur solange, bis sie erneut leer ist, denn sie lädt sich nicht mehr auf.
Ich bin verzweifelt und wütend auf Lketinga. Das Matatu sei wohl gekommen, aber kein Krieger sei dabei gewesen. Es ist mittlerweile halb zehn, und ich biete ihnen Tee an, um gemeinsam zu überlegen, was zu tun ist.
Während wir den Tee trinken, höre ich das Motorengeräusch eines Lasters. Er hält auf der Höhe unseres Hauses. Gleich darauf kommt Lketinga daher. Keuchend stellt er die beiden schweren Stromspeicher auf den Boden. Ich fahre ihn an, wo er so lange war, diese Leute wollten schon längst weiterfahren. Mißmutig wechselt der Engländer die Batterien, und kurz darauf sind sie weg. Ich bin zornig, weil ich mich von Lketinga im Stich gelassen fühle. Er behauptet, das Matatu verpaßt zu haben, doch ich rieche eine Alkoholfahne. Geld hat er auch keines mehr, im Gegenteil, er braucht noch 150 Franken, um den Fahrer des Lastwagens zu bezahlen. Mir verschlägt es fast die Sprache über soviel Rücksichtslosigkeit. Die Batterie hat bereits 350 Franken gekostet, und jetzt das noch dazu, nur weil er in den Bars Bier getrunken hat und deswegen den billigen, öffentlichen Bus verpaßte. Das bedeutet, der gesamte Gewinn dieses und des nächsten Monats ist schon wieder weg.
Grimmig gehe ich ins Bett. Zu allem Ärger und Frust ist mein Mann entschlossen, mit mir zu schlafen. Als ich ihm klarmache, daß ich heute nicht einmal den Versuch gestatte, regt er sich wieder furchtbar auf. Es ist mittlerweile fast Mitternacht, und außer unserem lauten Wortgefecht ist es überal totenstill. Wieder unterstel t er mir einen Liebhaber, den ich letzte Nacht sicher getroffen hätte. Dies sei wohl auch der Grund, weshalb er nach Maralal geschickt wurde. Ich kann es nicht mehr hören und versuche, die inzwischen aufgewachte Napirai zu trösten.
Ende des 3. Bandes
Es folgt Band 4
Verzweifelte Lage
Mein Entschluß steht fest. Ich wil hier weg. So oder so haben wir keine Überlebenschance. Meine Finanzen schwinden. Mein Mann macht mich nur noch lächerlich, und die Leute ziehen sich von uns zurück, da er hinter jedem Mann einen Liebhaber vermutet. Andererseits ist mir klar, wenn ich ihn verlasse, wird er mir unsere Tochter wegnehmen. Er liebt sie auch, und rechtmäßig gehört sie ihm beziehungsweise seiner Mutter. Mit ihr wegzukommen ist aussichtslos. Verzweifelt überlege ich, wie unsere Ehe zu retten ist, denn ohne Napirai gehe ich nicht weg.
Ständig ist er jetzt um uns, als spüre er etwas. Denke ich an mein Zuhause in der Schweiz, so merkt er es sofort. Es ist, als könnte er meine Gedanken lesen. Er gibt sich große Mühe mit Napirai und spielt den ganzen Tag mit ihr. Hin- und hergerissen von meinen Gefühlen wünsche ich mir nichts sehnlicher, als mit der größten Liebe meines Lebens eine intakte Familie zu bilden, andererseits stirbt in mir diese Liebe langsam ab, weil er kein Vertrauen hat. Ich bin es müde, dieses Vertrauen immer wieder aufzubauen und gleichzeitig al ein die Verantwortung für unser Überleben zu tragen. Er sitzt nur da und ist mit sich selbst oder seinen Freunden beschäftigt.
Es bringt mich zur Weißglut, wenn Männer zu Besuch kommen, meine kleine, acht Monate alte Tochter betrachten und mit Lketinga über spätere eventuelle Heiratspläne sprechen. Wohlwollend nimmt er die Angebote entgegen. Im Guten oder auch im Zorn versuche ich, dies zu unterbinden. Unsere Tochter wird sich ihren Ehernann selbst aussuchen und zwar den, den sie einmal liebt! Ich bin nicht bereit, sie einem alten Mann als zweite oder dritte Frau zu verkaufen. Auch die Beschneidung des Mädchens führt oft zum Streit. In diesem Punkt stoße ich bei meinem Mann auf Unverständnis, obwohl es noch in weiter Ferne liegt.