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Die Augen sind starr gegen den Himmel gerichtet, er hat Schaum vor dem Mund. Es sieht grauenhaft aus. Ich hoffe nur, daß so etwas nicht Lketinga passiert. Außer den zwei Bewachern kümmert sich niemand um ihn, das Fest geht weiter. Auch ich schaue bald wieder Lketinga zu, wie er elegant in die Höhe schnel t. Noch einmal genieße ich diesen Anblick, denn offiziel ist das Fest heute nacht beendet.

Mama sitzt angetrunken in der Manyatta. Die Burschen lassen den Recorder laufen, und al es ist in heller Aufregung. Neugierig versammeln sich die Krieger um das Gerät, das James auf den Boden stellt. Lketinga erfaßt es als erster und strahlt über das ganze Gesicht, als er die einzelnen Morans am Schrei oder am Gesang erkennt. Während es die einen reglos mit aufgerissenen Augen anstarren, tasten andere das Gerät ab. Lketinga schultert stolz den Recorder, und einige Morans beginnen von neuem zu tanzen.

Langsam wird es kühl, und ich gehe in die Manyatta zurück. James wird bei einem Freund schlafen, und mein Darling zieht mit den anderen in den Busch. Wieder höre ich von überall Geräusche. Der Eingang der Hütte ist nicht zugedeckt, so daß ich noch ab und zu Beine vorbeihuschen sehe. Ich freue mich, wieder nach Barsaloi zu ziehen. Meine Kleider sind rauchig und schmutzig. Auch mein Körper sol te mit Wasser in Berührung kommen, von meinen Haaren ganz zu schweigen.

Die Burschen sind morgens früher als Lketinga in der Manyatta. Mama kocht Chai, als Lketinga den Kopf zur Hütte hereinstreckt. Beim Anblick der Burschen spricht er zornig auf sie ein. Mama erwidert etwas, und die Burschen verlassen unsere Manyatta ohne Chai. Dafür setzen sich Lketinga und ein zweiter Moran in die Hütte.

„What's the problem, darling?“

frage ich etwas verstört. Nach einer längeren Pause erklärt er mir, daß dies eine Kriegerhütte sei, und die unbeschnittenen Jungen hier nichts zu suchen hätten.

James müsse Essen und Trinken in einer anderen Hütte einnehmen, wo die Mama keinen Sohn im Moranalter, sondem in seinem Alter hat. Mama schweigt verbissen.

Ich bin enttäuscht, auf die englische Unterhaltung verzichten zu müssen, und empfinde gleichzeitig Mitleid mit den vertriebenen Burschen. Aber ich muß diese Gesetze akzeptieren.

Wie lange wir noch hier bleiben, frage ich. Etwa zwei bis drei Tage, ist die Antwort, dann geht jede Familie an ihren alten Platz zurück. Ich bin entsetzt, hier so lange aushalten zu müssen ohne Wasser, mit lästigen Kuhfladen und den Fliegen. Erneut beschleicht mich der Gedanke an die Schweiz. Ich fühle mich nach wie vor sehr schwach. Weiter als ein paar Meter in den Busch, um meine Notdurft zu verrichten, gehe ich nie. Auch möchte ich wieder ein normales Leben mit meinem Freund führen.

Nachmittags schaut Giuliano vorbei und bringt mir einige Bananen und einen Brief von meiner Mutter. Der Brief richtet mich auf, obwohl sich meine Mutter große Sorgen macht, weil sie lange nichts mehr von mir gehört hat. Der Pater und ich wechseln ein paar Worte, dann ist er schon wieder weg. Ich nutze die Zeit, einen Antwortbrief zu schreiben. Meine Krankheit erwähne ich nur beiläufig und verharmlose sie, um meine Mutter nicht zu beunruhigen. Allerdings deute ich an, daß ich eventuell bald in die Schweiz kommen werde. Den Brief wil ich bei unserer Rückkehr in der Mission abgeben. Meine Mutter wird drei Wochen auf ihn warten müssen.

Endlich brechen wir auf. Alles ist schnell verpackt. Möglichst viel wird im Landrover verstaut, den Rest bindet Mama auf die zwei Esel. Wir sind natürlich lange vor Mama in Barsaloi, und so fahre ich direkt zum Fluß. Da Lketinga den Wagen nicht unbewacht abstellen will, fahren wir im ausgetrockneten Bachbett weiter, bis wir ungestört sind. Ich entledige mich der rauchigen Kleider, und wir waschen uns ausgiebig. Der Seifenschaum läuft mir schwarz am Körper herunter. Auf meiner Haut hatte sich eine richtige Rußschicht gebildet. Geduldig wäscht mir Lketinga die Haare in mehreren Gängen.

Lange habe ich mich nicht mehr nackt betrachtet, deshalb fallen mir jetzt meine dünnen Beine auf. Nach dem Waschen fühle ich mich wie neu geboren. Ich wickle mich in einen Kanga und beginne mit dem Waschen der Kleider. Wie immer ist es mühsam, den Schmutz mit kaltem Wasser auszuwaschen, doch mit genügend Omo gelingt es einigermaßen. Lketinga hilft mir dabei und beweist, wie sehr er mich liebt, indem er meine Röcke, T-Shirts und sogar Unterwäsche mitwäscht. Kein anderer Mann würde die Kleider einer Frau waschen.

Unsere Zweisamkeit genieße ich sehr. Die nassen Kleider hängen wir über Büsche oder auf die heißen Felsen. Wir setzen uns in die Sonne, ich im Kanga, Lketinga völlig nackt. Er holt seinen kleinen Taschenspiegel hervor und beginnt sein gewaschenes Gesicht kunstvoll in orangefarbenem Ocker mit einem kleinen Hölzchen zu bemalen. Er macht dies mit seinen langen, eleganten Fingern so exakt, daß es für mich eine Freude ist, ihn zu beobachten. Er sieht phantastisch aus.

Endlich fühle ich wieder ein aufsteigendes Begehren. Er schaut zu mir und lacht:

„Why you look always to me, Corinne?“ „Beautiful, it's very nice“, erkläre ich. Doch Lketinga schüttelt den Kopf und meint, so etwas darf man nicht sagen, das bringt einem Menschen Unglück.

Die Kleider trocknen schnell, wir packen alles zusammen und brechen auf. Im Dorf halten wir an und besuchen das Chaihaus, in dem es neben Tee auch Mandazi, kleine Maisfladen, gibt. Das Gebäude ist eine Mischung zwischen Baracke und einer großen Manyatta. Am Boden befinden sich zwei Feuerstel en mit kochendem Chai.

Entlang den Wänden dienen Bretter als Bänke. Drei alte Männer und zwei Morans sitzen dort. Man begrüßt sich: „Supa Moran!“ „Supa“, ist die Antwort. Wir bestellen Tee, und während mich die zwei Krieger mustern, beginnt Lketinga das Gespräch mit den immer gleichen Anfangssätzen, die ich inzwischen verstehen kann. Man fragt hier jeden Unbekannten nach dem Geschlechtsnamen, dem Wohngebiet, wie es seiner Familie und seinen Tieren geht, woher man gerade kommt und wohin man wil. Dann bespricht man Begebenheiten, die stattgefunden haben. So funktioniert im Busch, was in der Stadt die Zeitung oder das Telefon leisten. Wenn wir zu Fuß unterwegs sind, wird mit jeder entgegenkommenden Person auf diese Weise gesprochen. Die beiden Morans wol en al erdings noch wissen, wer diese Mzungu sei. Dann ist das Gespräch beendet, und wir verlassen das Teehaus.

Mama ist angekommen und mit dem Flicken und Ausbessern unserer alten Manyatta beschäftigt. Das Dach wird wieder mit Pappkarton oder Sisalmatten zugestopft. Kuhmist ist momentan nicht vorhanden. Lketinga geht mit James in den Busch, um weitere Dornenbüsche zu schlagen. Sie wollen die Umzäunung ausbessern und erhöhen. Die Menschen, die in Barsaloi geblieben waren, wurden vor ein paar Tagen von zwei Löwen heimgesucht, die Ziegen gerissen haben. Sie kamen nachts und sprangen über den Dornenzaun. Dann schnappten sie die Ziegen und verschwanden spurlos in der Finsternis. Da keine Krieger hier waren, wurde die Verfolgung nicht aufgenommen. Doch die Zäune wurden daraufhin erhöht. Die ganze Gegend spricht von diesem Vorfal. Man muß auf der Hut sein, denn sie werden wiederkommen. In unserem Kral werden sie es schwieriger haben, denn wir beschließen, den Landrover neben der Hütte stehenzulassen, so ist der halbe Platz schon versperrt.

Gegen Abend kehren unsere Tiere zurück. Wegen der Schweizer Kuhglocke hören wir sie von weitem, und Lketinga und ich gehen ihnen entgegen. Es ist ein schönes Schauspiel, wenn die Tiere nach Hause drängen. Vorab die Ziegen, hinter ihnen die Kühe.

Unser Nachtessen besteht aus Ugali, das Lketinga erst spät in der Nacht ißt, wenn alles schläft. Endlich können wir uns lieben. Es muß geräuschlos vor sich gehen, da Mama und Saguna anderthalb Meter von uns entfernt schlafen. Trotzdem ist es schön, seine seidige Haut und sein Begehren zu spüren. Nach diesem Liebesspiel flüstert Lketinga: „Now you get a baby.“

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