Литмир - Электронная Библиотека

«Wir greifen von Backbord an, Mr. Savill. «Er machte schmale Augen und starrte zwischen den vollgestopften Hängemattennetzen hindurch. Inzwischen konnte er die französischen Schiffe auch ohne Fernrohr erkennen. Die drei näherten sich gestaffelt, und ihre Masten und Segel, die einander überlappten, bildeten ein gewaltiges Seeungeheuer.

Das dritte Schiff feuerte auf die Brigg. Rapid versuchte abzudrehen, aber die letzte Wasserfontäne der einschlagenden Kugel zeigte, wie knapp es gewesen war.

Inchs Bootsführer kam mit dem Degen seines Kommandanten geeilt. Inch sah sich die Waffe an.»Nein, den neuen. «Er dachte an Bolitho, der in seiner besten Uniform an Deck gestanden hatte, während das Schiff im Donner der Breitseiten erzitterte. Bolitho hatte gewußt, daß er damit auffiel, ein gutes Ziel abgab. Andererseits war es entscheidend, daß seine Männer ihn bis zum Ende sahen. Wann war das gewesen? Es schien eine Ewigkeit her zu sein.

Inch ließ sich von seinem Bootsführer den besten Degen anlegen, den er zur Trauung mit Hannah getragen hatte. Nur der Gedanke an sie tat ihm weh. Aber er verbannte ihn und schrie:»Die nehmen wir mit auf den Grund, was, Jungs?»

Wie er erwartet hatte, brachen sie in Hochrufe aus.

Die Silhouetten der angreifenden Schiffe veränderten sich, als ihre Kommandanten die Segelfläche verringerten und sich auf den Kampf vorbereiteten. Der Dreidecker bot einen prachtvollen, furchterregenden Anblick, als er plötzlich seine Stückpforten öffnete und die schwarzen Rohre seiner Kanonen bleckte.

Inch sah schweigend hinüber. Ihm war, als stünde sein Herz bereits still. Das Schiff, mit mindestens neunzig Kanonen bestückt, hatte eine helle Galionsfigur unterm Burg-spriet, und als Inch sein Teleskop ansetzte, sah er, daß sie einen Leoparden im Sprung darstellte. Das war Jobert, kein Zweifel.

«Backbord-Stückpforten öffnen, Mr. Savill, und ausrennen.»

Noch war Zeit zur Flucht. Sein Herz verhärtete sich.»Boote aussetzen, Mr. Savill.»

Es war immer ein böses Zeichen, wenn man die Boote aussetzte und treiben ließ, bis sie von den Siegern wieder geborgen wurden. Aber an Bord vergrößerten sie nur die Gefahr, die von umherfliegenden Splittern ausging, wenn feindliche Geschosse einschlugen. Inch begann zwischen den Achterdeckgeschützen auf- und abzugehen, das Kinn gesenkt. Die Degenscheide klatschte gegen seinen Schenkel. Wozu Boote? Für ihn und seine Männer würde es kein Überleben geben.

Bolitho spürte die Sonne heiß auf den Schultern, noch verstärkt vom dicken Glas der Heckfenster, als die Argonaute träge am Anker schwojte. Von oben konnte er die Rufe der Wache hören, als ein Boot an Bord gefiert wurde. Er legte die Feder hin und starrte verdrossen zum Land.

Bald war es Zeit, zu Herricks Schiff überzusetzen. Ihre Begegnung am Vortag war so bedrückend gewesen, daß er sich nun wie eingekreist fühlte, kaum einen Ausweg sah.

Er betrachtete die verankerten Schiffe. Sie drängten sich zusammen, als böte der große Hafen nicht genügend Schutz. Der erwartete Geleitzug war im Morgengrauen gesichtet worden. Bald würde der Hafen überfüllt sein.

Den Brief an Belinda konnte er nicht mehr beenden. Stiefel stampften über die feuchten Planken, und er vermutete, daß die Seesoldaten oben antraten, um ihn zu verabschieden. Keens Gig hatte bereits abgelegt. Bolitho hatte nur kurz mit ihm gesprochen, ihm die Hand gedrückt. Er entsann sich, gesehen zu haben, wie ein Straßenräuber seinem Henker auf ähnliche Weise die Hand schüttelte, ehe sich unter seinen zappelnden Beinen die Falltür geöffnet hatte.

Warum hatte er Belinda von dem Tribunal hier geschrieben? Weil sie es zu erfahren verdiente? Oder hatte er sich ihr anvertraut, weil er sie brauchte? Seufzend stand er auf und ließ die Feder neben dem Brief liegen.

Er starrte sich im Spiegel an. Das rechte Auge war fast normal, aber das linke machte ihm schon bei der geringsten Anstrengung Beschwerden. Und er war noch immer nicht ganz sicher auf den Beinen. Selbst hier im Hafen mußte er jeden Schritt mit Bedacht tun.

Er hörte, wie Ozzard nebenan seinen besten Rock abbürstete. Es klopfte leise, und da der Posten schwieg, wußte Bolitho, daß es Allday war.

Auch er trug seine beste blaue Jacke mit den Goldknöpfen. Seine Nanking-Hose sah frisch gewaschen aus, und seine Schnallenschuhe hätten einem Kapitän Ehre gemacht.

Allday musterte ihn grimmig.»Ihre Barkasse liegt längsseits, Sir.»

«Komme gleich. Ich möchte nicht zu früh eintreffen. «Er sah, wie Allday einen Blick auf den unfertigen Brief warf.»Fürs nächste Postschiff.»

Allday schien zerstreut.»Ich höre, daß der Geleitzug heute und morgen seine Ladung löscht. Dann segelt er weiter nach England.»

Bolitho sah ihn an.»Was hast du sonst noch erfahren?«Allday war eine bessere Nachrichtenquelle als jedes Signal.

«Zwei Schiffe haben Gold vom Sultan in der Türkei an Bord, oder wo der sonst regiert.»

Die Schätze des Sultans würden in England mehr als willkommen sein. Dahinter schien Nelson zu stecken, dem der Sultan nach der Seeschlacht bei Abukir manche Gunst erwiesen hatte.

Ozzard trat ein und hielt ihm den Rock hin. Bolitho schaute in den Spiegel und berührte den goldenen Abukir-Orden, den er um den Hals trug. Sieht so ein Held aus? Kaum, entschied er, jedenfalls fühlte er sich nicht so.

«Gehen wir. «Bolitho berührte Alldays Ärmel und zog ihn dann beiseite.»Deinen Sohn habe ich nicht vergessen.»

Allday hielt traurig seinem Blick stand.»Aber ich, Sir. Er will aus dem Dienst scheiden. Ein Glück, daß wir den los sind.»

Ozzard war schon vorgegangen. Bolitho hörte Hauptmann Bouteiller seinen Seesoldaten zurufen:»Stillgestanden!«Zu Allday sagte er:»Das meinst du doch nicht ernst!»

Allday schob das Kinn vor.»Machen Sie sich seinetwegen keinen Kummer, Sir. Ich sorge mich nur um Sie. Sie haben so viel für König und Vaterland getan, und jetzt wollen Sie auf der Benbow alles kaputtmachen.»

«Sei doch nicht lächerlich, Mann!«sagte Bolitho.»Du weißt ja gar nicht, was du da redest!»

Allday holte langsam Luft; seine Brustverletzung machte ihm manchmal Beschwerden, wenn er sich aufregte.»Doch, Sir. Und das wissen Sie auch. Aber ich stehe zu Ihnen, ganz gleich, was passiert.»

Bolitho fuhr herum, entsetzt über den Kummer in All-days Stimme.»Das weiß ich, alter Freund. Deine Treue bedeutet mir mehr als…«Er ließ den Satz unvollendet, denn Alldays schlichtes Vertrauen bestätigte ihn in seinem Entschluß. Es war, als hätte sein Bootsführer schon die ganze Zeit gewußt, was er plante.

Bolitho nahm die rasche Fahrt zur Benbow kaum wahr. Dann durch die Eingangspforte, die förmliche Begrüßung, zuletzt achtern die große Kajüte. Herricks Möbel waren entfernt und durch viele Stühle und Bänke ersetzt worden, auf denen Marineoffiziere, einige Zivilisten und drei Besatzungsmitglieder der Argonaute saßen. Er sah Stayt, der noch immer Distanz zu allen anderen wahrte, und Keen, neben dem sich Paget niedergelassen hatte. Letzterer war freiwillig erschienen, was Bolitho freute.

Quer vor den Heckfenstern war ein langer Tisch mit Stühlen aufgebaut worden. Die wenigen Offiziere, die bereits daran Platz genommen hatten, waren vor dem sonnigen Panorama draußen nur Silhouetten.

Alle Köpfe wandten sich um, als Bolitho eintrat. Auf seinem Weg zu einem freien Stuhl in der ersten Reihe trafen ihn Blicke voll Ehrfurcht, Mitleid oder Neugier. Gewiß saßen hier einige, die sich freuen würden, wenn seine Karriere Schaden nahm. Keen schaute ihn an und nickte knapp. Ihr Blick überspannte viele Jahre.

Aus der Ferne hörte Bolitho es viermal glasen. Punkt zehn Uhr, und nun erschien Herrick.

Bolitho stand mit den anderen auf, als die Ausschußmitglieder zu ihren Plätzen gingen. Herrick in der Mitte wirkte ernst und beherrscht. Es dauerte eine Weile, bis Sir Marcus Laforey, dem sein Diener einen Gichthocker unter dem verbundenen Fuß zurechtrückte, es sich am Ende des Tisches bequem gemacht hatte. Weiter zum Ausschuß gehörten Mr. Pullen von der Admiralität, der noch immer Schwarz trug und streng dreinblickte, zwei Kapitäne, die Bolitho nicht kannte, und schließlich Sir Hedworth Jerram, Laforeys Flaggkapitän. Er war groß und mager und hatte eine lange Nase, die zu seinem hochmütigen Benehmen paßte. Als er sich nun erhob, rümpfte er sie, als habe er gerade etwas Anstößiges erblickt.

46
{"b":"113348","o":1}