Литмир - Электронная Библиотека

«Ich habe sie sehr gern, Sir«, sagte Keen leise. Er schaute trotzig auf, als erwarte er eine Explosion.

«Das weiß ich, Val, schon seit dem Tag, an dem Sie sie im Krankenrevier besuchten, vielleicht auch früher. «Er nickte.»Das wäre also geregelt.»

Keen stellte sein leeres Glas ab. Er hatte getrunken, ohne es überhaupt zu merken.

«Aber es ist unmöglich! Schon der Gedanke ist Wahnsinn!»

«Wie alt sind Sie, Val?«fragte Bolitho.»Fünfunddreißig oder sechsunddreißig?»

«Ein Jahr älter, Sir. Und Zenoria ist ein junges Mädchen.»

«Eine Frau, Val, merken Sie sich das. Und mit den Jahren macht der Altersunterschied nicht mehr so viel aus. «Er legte den Kopf schief und mußte über Keens Ausdruck lächeln.

Vielleicht hatte er den beiden einen Bärendienst geleistet. Denn es war auch denkbar, daß der Gouverneur von Gibraltar ihr den Aufenthalt versagte. Dann wurde sie doch noch nach Australien transportiert.

Doch wenigstens war jetzt die Wahrheit heraus, was Bo-litho überraschend erleichternd fand.

«Ich mache mir doch nur was vor, Sir«, sagte Keen.

Bolitho berührte seinen Arm.»Wir werden sehen. «Er schaute zum Skylight auf, als draußen ein Ruf des Ausgucks erklang. Eine Minute später stand der Midshipman der Wache atemlos in der Tür.

«Verzeihung, Sir. «Er schaute erst Keen, dann seinen Admiral an.»Empfehlung von Mr. Paget, wir haben gerade ein Segel gesichtet, Sir.»

Es war Midshipman Hext, der sich in der großen Kajüte neugierig umsah und zweifellos Einzelheiten für seinen nächsten Brief sammelte.

Bolitho lächelte.»Und werden wir auch noch erfahren, wo dieses Segel steht?»

Der Junge wurde rot.»Tut mir leid, Sir Richard — im Südosten.»

«Mein Kompliment an den Ersten Offizier, und ich komme gleich an Deck. «Keen schien noch immer nur mit halbem Herzen bei der Sache.

«Signal an Rapid: Sie soll erkunden«, sagte Bolitho.»Mag sein, daß wir etwas von den Franzosen hören.»

Keens Augen wurden klar.»Aye, Sir. «Dann war er verschwunden.

Doch was sie hörten, war ernster als erwartet.

Als das andere Schiff sich näherte, wurde es bald als die Barracouta identifiziert. Bolitho nahm sich ein Fernrohr und trat zu Keen an die Querreling, wo er zusah, wie Lapish sich nach Luv kämpfte, um näher an das Geschwader heranzukommen.

Auf den Rahen arbeiteten Männer, mehrere Segel trugen Flicken. Unter Bolithos Augen wurde Ersatztauwerk nach oben gehievt, und die Reparaturen wurden selbst beim Wenden nicht unterbrochen.

«Sie war im Gefecht. «Keen nickte seinem Ersten Offizier zu.»Klar zum Beidrehen.»

Bolithos Miene blieb ausdruckslos, aber die Männer auf dem Achterdeck starrten ihn erschreckt an. Es ging also schon los. Mit der trügerischen Ruhe war es vorbei.

«Sie haben recht, Val. Kapitän Lapish soll sofort an Bord kommen.»

Eine Stunde später saß Lapish in Bolithos Kajüte. Er schien gealtert zu sein, seit er das Geschwader verlassen hatte, um Depeschen nach Gibraltar zu bringen.

«Ich sichtete in Küstennähe einen Schoner und wollte ihn überprüfen. «Lapish nahm dankbar von Ozzard einen Becher Wein entgegen.»Aber ehe ich mich's versah, kamen zwei französische Fregatten vorm Wind um die Landzunge.»

Bolitho sah Verzweiflung und Kummer im Gesicht des jungen Kommandanten. Der Schoner war nur ein Köder gewesen, und die beiden Feindschiffe hatten Lapish fast auf eine Leeküste getrieben.

«Ich sehe mir Ihren Bericht später an. «Bolitho musterte ihn streng.»Haben Sie Leute verloren?»

Lapish nickte, seine Augen waren stumpf.»Zwei, Sir.»

Dabei hatte er recht daran getan, vor den Angreifern zu fliehen; angesichts der schnelleren und besser bewaffneten Übermacht blieb ihm keine andere Wahl.

Aber hätte auch ich so gehandelt! Bolitho schaute ihn an.»Und wie sieht es in Gibraltar aus?»

Lapish riß sich zusammen.

«Gibraltar ist geschlossen, Sir«, sagte er. Er legte einen dicken Umschlag auf den Tisch und fügte hinzu:»Wegen Fieber. Die halbe Garnison ist erkrankt.»

Bolitho schritt durch die Kajüte und wieder zurück. Gibraltar war für seine Fieberausbrüche berüchtigt, aber mußte das ausgerechnet jetzt passieren?

«Es gibt keinen tödlicheren Feind. «Er schaute Keen an.»Wir werden also vor der Küste ankern müssen, bis wir Näheres erfahren. «Zu Lapish sagte er:»Sie kehren zurück auf Ihr Schiff. «Gern hätte er seinen Schmerz geteilt, ihm sein Mitgefühl ausgesprochen, aber die Lektion mußte wirken. Also sagte er scharf:»Sie können von Glück reden, daß Sie überhaupt noch eins haben.»

Keen begleitete den geknickten Lapish zur Reling.

Fieber. Bolitho schauerte. Allein schon das Wort rief den Alptraum zurück, dem er beinahe erlegen wäre. Er schüttelte sich und versuchte zu erwägen, in welchem Ausmaß ihre Pläne von der Nachricht betroffen wurden. Da ihnen Gibraltar nun verschlossen war, lag die Entscheidung über Zenorias Schicksal allein bei ihm.

Er lächelte grimmig. Nun war er kein unbeteiligter Zuschauer mehr.

IV Der Köder

Unter dem Donner des verhallenden Saluts drehte das kleine Geschwader in den Wind, und die Schiffe gingen nacheinander vor Anker.

Bolitho stand an den Finknetzen und sah die Erleichterung in Keens Gesicht. Obwohl auf allen Schiffen so viele Neulinge waren, hatte das Manöver ordentlich geklappt.

Er wandte sich um und sah zu dem mächtigen Felsen von Gibraltar auf. In der Vergangenheit war er immer ein Zufluchtsort, ein sicherer Ankerplatz gewesen; nun wirkte er bedrohlich.

Es lagen nur wenige Kriegsschiffe da, alle in der Nähe des zweiten Sträflingstransporters Philomela und einiger einheimischer Schiffe. Mehrere Wachboote kreuzten dazwischen. Bolitho sah, daß sie Seesoldaten an Bord hatten und mit mindestens einer Drehbasse bestückt waren. So ernst war die Lage also.

«Wir rufen heute die Kommandanten zusammen, Val.»

Er sah, wie Keen sein Fernrohr auf ein Boot richtete, das aufs Flaggschiff zuhielt.»Aye, Sir. Ich glaube, wir bekommen Besuch.»

Das Boot stoppte, die Riemen hielten das Wasser, während die Mannschaft den Zweidecker anstarrte, als gehöre er zu einer anderen Welt. Im Heck stand ein Kapitän, der zu Argonautes Achterdeck hochblinzelte.

«Ich darf nicht an Bord, Sir Richard. Im Hafen und auf Reede hat der Gouverneur den Befehl übernommen, denn der Admiral ist krank. «Er sprach langsam und gelassen, als sei er sich der zahllosen Augen und Ohren bewußt.

Bolitho ging zur Schanzkleidpforte und sah auf das Boot hinab. Die Männer darin hätten vermutlich alles darum geben, an Bord gelassen zu werden.

Der sonnverbrannte Kapitän fuhr fort:»Ich habe die Brigg Firefly als Kurier zu Lord Nelson geschickt.»

Seltsamerweise war bisher nur Inch dem kleinen Admiral begegnet und erzählte immer wieder von dem Erlebnis. Nun mochte Adam ihn treffen.

«Wie ich höre, haben Sie Offiziersfrauen mitgebracht, Sir Richard. Wenn sie an Land gehen wollen, müssen sie das jetzt tun. Es ist ihr gutes Recht, bei ihren Männern zu sein. Aber verlassen können sie die Kolonie erst, wenn dieses Fieber vorbei ist.»

Bolitho sah die Orontes vor Anker schwojen. In ihrer Nähe hielt sich ein Wachboot auf, das verhindern sollte, daß jemand an Land schwamm.

So viele Pläne mußten gemacht werden. Wasser, Proviant, Reparaturen — das Geschwader brauchte all dies und noch mehr.

«Ich habe für Sie Depeschen vom Gouverneur, Sir Richard. «Eine Mappe wurde an einem Bootshaken zu den Rüsten emporgereicht. Bolitho sah, wie Carcaud, der schlaksige Gehilfe des Schiffsarztes, sich vorbeugte und sie mit einem Beutel aus Baumwolle ergriff. Tuson ging kein Risiko ein.

Bolitho spürte Keens Blick auf sich ruhen, als er rief:»Alle Offiziersfrauen befinden sich auf der Helicon. Ich habe nur eine Frau an Bord.»

12
{"b":"113348","o":1}