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«Was, zum Teufel, machen Sie da, Mister Bolitho?»

Aber er brach erschrocken ab, und als Bolitho seinem starren Blick folgte, sah er auch, warum. Hingestreckt in der Ecke lag ein Mann — oder was noch von ihm übrig war. Er hatte mehrere fürchterliche Hiebe mit einem Beil oder Entermesser über den Kopf bekommen; auch in Brust und Flanken hatte er mehrere Wunden. In dem Strahl vom Oberfenster sah es aus, als habe er die Augen vor dem plötzlich blendenden Licht zusammengekniffen und starre Bolitho durch die Schlitze voller Entsetzen an.

«Allmächtiger Gott!«stieß Tergorren endlich hervor. Und als Bolitho immer noch starr und steif neben dem Leichnam stehenblieb, kommandierte er grob:»An Deck mit Ihnen!»

In dem blendenden Sonnenlicht kam es Bolitho erst vor, als zitterten ihm die Hände, doch als er auf sie heruntersah, waren sie so ruhig wie sonst.

Tergorren befahl:»Übernehmen Sie das Ruder, Thorne! Und Sie, Mr. Dancer, gehen mit Ihren Männern durch die Hauptluke und durchsuchen das Schiff! Ihr anderen fangt endlich an, diese verdammten Segel zu bergen!»

Er wandte sich um, als Dancer meldete:»Die Gorgon nimmt wieder Fahrt auf, Sir.»

«Ja. «In angestrengtem Nachdenken runzelte der Leutnant die Stirn.»Sie wird bis auf Rufweite herankommen. Bis dahin will ich einigermaßen Bescheid wissen, was hier los ist.»

Es war, als setze man ein zerrissenes Buch wieder zusammen. Dancers Untersuchung ergab, daß die Barkentine Spirituosen geladen hatte, hauptsächlich Rum; aber im Laderaum war nichts mehr, nur in den Ecken standen ein paar leere Fässer aufeinandergestapelt. Auf der Steuerbordreling des Achterdecks, und auch an der Kompaßbussole, fanden sie eingetrocknetes Blut, außerdem Pulverschmauch von Pistolenschüssen.

Der einsame Leichnam in der Kajüte mußte der Kapitän sein; vermutlich war er unter Deck geeilt, um sich zu bewaffnen oder Wertgegenstände zu retten oder auch bloß, um sich zu verstecken. Sicher war nur, daß er brutal ermordet worden war.

Bolitho hörte, wie Tergorren zum Bootsmannsmaat sagte:»Muß eine Meuterei gewesen sein die Schufte haben alle umgebracht, die nicht mitmachen wollten, und dann das Schiff aufgegeben. «Aber die beiden Boote der Schonerbark waren noch immer an Deck festgelascht.

Dann, als bereits die mächtige Segelpyramide der Gorgon achteraus heranglitt, entdeckte Heather, einer von Dancers Männern, etwas Neues. Kurz hinter dem Hauptladeraum hatte ein Geschoß die Schiffswand getroffen, und wenn der Rumpf in ein tieferes Wellental eintauchte, konnte man es noch in der Beplankung stecken sehen. Bolitho beugte sich über die Wanten hinaus und sah den schwarzen, scharfzackigen Fleck wie ein böses Auge glänzen.

Bedächtig sagte Tergorren:»Muß wohl ein Pirat oder so gewesen sein. Als die Barkentine nicht beidrehen wollte, hat er ihr einen Schuß verpaßt und sie dann geentert. «Er zählte die einzelnen Punkte an seinen spatenförmigen Fingern ab.»Zweitens die Mannschaft abgeschlachtet und über Bord geworfen. Haifische gibt's hier ja genug. Drittens die Ladung übernommen, und viertens wieder abgelegt.»

Nervös wandte er sich um, als Dancer fragte:»Aber warum haben sie das Schiff nicht selbst übernommen, Sir?»

«Darauf wollte ich gerade kommen«, sagte er ärgerlich. Er gab jedoch keine weiteren Erklärungen. Statt dessen legte er die Hände an den Mund und begann, seine Meldungen zur Gorgon hinüberzurufen.

Über den schmalen Streifen Wasser hörte Bolitho Verlings Antwort, die er durchs Sprachrohr gab:»Suchen Sie weiter, und bleiben Sie in Lee.»

Damit wollte er wahrscheinlich Zeit gewinnen, um sich in Seehandbüchern und Schiffsregistern über die Schiffahrt in diesen Gewässern zu informieren. Die Athen war offensichtlich kein neues Schiff und mußte im westindischen Rumhandel bekannt sein.

Bolitho erschauerte bei der Vorstellung, er könne plötzlich, allein auf sich gestellt, einem Angriff blutdürstiger, schwer-bewaffneter Enterer ausgesetzt sein.

«Wir gehen wieder achtern unter Deck!«befahl Tergorren kurz. Er schritt zum Niedergang; Bolitho folgte ihm.

Obwohl er darauf vorbereitet war, erschütterte ihn der Anblick ebenso wie beim erstenmal. Er versuchte, dem Toten nicht ins Gesicht zu sehen, als Tergorren nach kurzem Zögern dessen Taschen zu durchsuchen begann. Logbuch und Seekarten der Athen waren nicht mehr da, wahrscheinlich hatten die Piraten sie über Bord geworfen; aber in einer Ecke der durchwühlten Kajüte, fast unter der Koje verborgen, fand Tergorren einen leinenen Briefumschlag. Er war leer, doch der Name des Schiffsagenten in Martinique war deutlich lesbar aufgedruckt. Besser als nichts.

Der Leutnant stellte einen umgeworfenen Stuhl wieder auf und setzte sich gewichtig hin, und noch im Sitzen streifte sein Kopf beinahe die Decksbalken. So blieb er einige Minuten und starrte auf den Leichnam. Das Nachdenken mußte ihn anstrengen; seine Miene war finsterer als je.

«Ich glaube, Sir«, sagte Bolitho,»es muß noch ein drittes Schiff dagewesen sein. Die Angreifer oder Piraten müssen seine Segel gesichtet haben und dann geflohen sein, weil sie wußten, daß man sich zunächst für dieses Schiff hier interessieren würde.»

Einen Augenblick lang dachte er, Tergorren hätte ihn überhaupt nicht gehört.

Dann aber sagte der Leutnant ganz sanft:»Wenn ich Ihre Hilfe brauche, Mr. Bolitho, werde ich Sie darum ersuchen. «Er blickte auf; seine Augen lagen im Schatten.»Sie mögen der Sohn eines Fregattenkapitäns sein und der Enkel eines Konteradmirals, aber für mich sind Sie ein Midshipman — das heißt, weniger als nichts.»

«Ich — ich bitte um Entschuldigung, Sir. Ich wollte Sie nicht beleidigen.»

«O ja, ich kenne Ihre Familie. «Tergorrens Atem ging schwer vor Erregung und unterdrückter Wut.»Ich habe Ihr feines Haus gesehen, und die Grabplatten an der Kirchenwand! Also, ich hatte keinen reichen Vater im Hintergrund, der mir half, und bei Gott, ich werde dafür sorgen, daß Sie an Bord keine Extrawurst gebraten kriegen, verstanden?«Er wandte sich ab und dämpfte seine Stimme, was ihn offensichtlich Anstrengung kostete.»Jetzt lassen Sie jemanden eine Leine herunterwerfen und den Leichnam an Deck hieven. Dann lassen Sie die Kajüte aufklaren — hier stinkt's wie unterm Galgen!»

Er faßte ans Stuhlbein. Getrocknetes Blut klebte daran, schwärzlich in dem einfallenden Sonnenlicht.

«Wahrscheinlich gestern«, murmelte er vor sich hin,»sonst wären die Ratten schon hiergewesen. «Dann knallte er sich seinen salzfleckigen Dreispitz auf den Kopf und stapfte aus der Kajüte.

Nachher, als Bolitho und Dancer am Schanzkleid standen und dem Leutnant nachblickten, der sich zur Gorgon hinüberrudern ließ, um Meldung zu erstatten, erzählte Bolitho seinem Freund etwas von dem, was sich zwischen ihm und Tergorren abgespielt hatte. Dancer sah ihn bedauernd an.»Ich wette, er wird deine Idee dem Kapitän als seine eigene unterschieben, Dick. Das sähe ihm ähnlich.»

Bolitho faßte seinen Freund am Arm. Tergorrens letzte Anweisungen, bevor er ins Boot gegangen war, fielen ihm ein:»Halten Sie das Schiff steuerfähig bis auf weitere Order, und schicken Sie einen guten Mann in den Ausguck!«Und dann hatte er, mit einer Geste zu dem Leichnam hin der beim Ruder lag, noch gesagt:»Und werfen Sie das über Bord! Vermutlich wird der eine oder andere von euch ebenso enden.»

Später blickte Bolitho auf die leere Stelle, wo der Unbekannte gelegen hatte. Fühllos und leblos.

«Ich habe noch mehr Ideen«, sagte er und lächelte dabei, um seinen Ärger zu vergessen.»Wenigstens weiß ich jetzt, warum er mich nicht leiden kann.»

Dancer hatte seine eigenen Gedanken.»Weißt du noch — der arme Invalide im Blue Post's Inn?«Er machte eine Handbewegung über die paar Männer an Deck hin.»Er hat gesagt, wir würden beide Kapitäne werden — und, bei Gott, nun haben wir schon ein eigenes Schiff.»

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