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Vom Stamm der Amazonen, sei geflohn,

Um einem großen Unheil zu entgehn.

Orest:

Es scheint, ihr lichtes Reich verlor die Kraft

Durch des Verbrechers Nähe, den der Fluch

Wie eine breite Nacht verfolgt und deckt.

Die fromme Blutgier löst den alten Brauch

Von seinen Fesseln los, uns zu verderben.

Der wilde Sinn des Königs tötet uns;

Ein Weib wird uns nicht retten, wenn er zürnt.

Pylades:

Wohl uns, daß es ein Weib ist! denn ein Mann,

Der beste selbst, gewöhnet seinen Geist

An Grausamkeit und macht sich auch zuletzt

Aus dem, was er verabscheut, ein Gesetz,

Wird aus Gewohnheit hart und fast unkenntlich.

Allein ein Weib bleibt stet auf einem Sinn,

Den sie gefaßt. Du rechnest sicherer

Auf sie im Guten wie im Bösen. — Still!

Sie kommt; laß uns allein. Ich darf nicht gleich

Ihr unsre Namen nennen, unser Schicksal

Nicht ohne Rückhalt ihr vertraun. Du gehst,

Und eh sie mit dir spricht, treff ich dich noch.

Zweiter Auftritt

Iphigenie. Pylades.

Iphigenie:

Woher du seist und kommst, o Fremdling, sprich!

Mir scheint es, daß ich eher einem Griechen

Als einem Skythen dich vergleichen soll.

Sie nimmt ihm die Ketten ab.

Gefährlich ist die Freiheit, die ich gebe;

Die Götter wenden ab, was euch bedroht!

Pylades:

O süße Stimme! Vielwillkommner Ton

Der Muttersprach in einem fremden Lande!

Des väterlichen Hafens blaue Berge

Seh ich Gefangner neu willkommen wieder

Vor meinen Augen. Laß dir diese Freude

Versichern, daß auch ich ein Grieche bin!

Vergessen hab ich einen Augenblick,

Wie sehr ich dein bedarf, und meinen Geist

Der herrlichen Erscheinung zugewendet.

O sage, wenn dir ein Verhängnis nicht

Die Lippe schließt, aus welchem unsrer Stämme

Du deine göttergleiche Herkunft zählst.

Iphigenie:

Die Priesterin, von ihrer Göttin selbst

Gewählet und geheiligt, spricht mit dir.

Das laß dir gnügen; sage, wer du seist

Und welch unselig waltendes Geschick

Mit dem Gefährten dich hierhergebracht.

Pylades:

Leicht kann ich dir erzählen, welch ein Übel

Mit lastender Gesellschaft uns verfolgt.

O könntest du der Hoffnung frohen Blick

Uns auch so leicht, du Göttliche, gewähren!

Aus Kreta sind wir, Söhne des Adrasts:

Ich bin der jüngste, Cephalus genannt,

Und er Laodamas, der älteste

Des Hauses. Zwischen uns stand rauh und wild

Ein mittlerer und trennte schon im Spiel

Der ersten Jugend Einigkeit und Lust.

Gelassen folgten wir der Mutter Worten,

Solang des Vaters Kraft vor Troja stritt;

Doch als er beutereich zurücke kam

Und kurz darauf verschied, da trennte bald

Der Streit um Reich und Erbe die Geschwister.

Ich neigte mich zum ältsten. Er erschlug

Den Bruder Um der Blutschuld willen treibt

Die Furie gewaltig ihn umher.

Doch diesem wilden Ufer sendet uns

Apoll, der Delphische, mit Hoffnung zu.

Im Tempel seiner Schwester hieß er uns

Der Hülfe segensvolle Hand erwarten.

Gefangen sind wir und hierhergebracht

Und dir als Opfer dargestellt. Du weißt's.

Iphigenie:

Fiel Troja? Teurer Mann, versichr es mir.

Pylades:

Es liegt. O sichre du uns Rettung zu!

Beschleunige die Hülfe, die ein Gott

Versprach. Erbarme meines Bruders dich.

O sag ihm bald ein gutes, holdes Wort;

Doch schone seiner, wenn du mit ihm sprichst,

Das bitt ich eifrig: denn es wird gar leicht

Durch Freud und Schmerz und durch Erinnerung

Sein Innerstes ergriffen und zerrüttet.

Ein fieberhafter Wahnsinn fällt ihn an,

Und seine schöne freie Seele wird

Den Furien zum Raube hingegeben.

Iphigenie:

So groß dein Unglück ist, beschwör ich dich:

Vergiß es, bis du mir genuggetan.

Pylades:

Die hohe Stadt, die zehen lange Jahre

Dem ganzen Heer der Griechen widerstand,

Liegt nun im Schutte, steigt nicht wieder auf.

Doch manche Gräber unsrer Besten heißen

Uns an das Ufer der Barbaren denken.

Achill liegt dort mit seinem schönen Freunde.

Iphigenie:

So seid ihr Götterbilder auch zu Staub!

Pylades:

Auch Palamedes, Ajax Telamons,

Sie sahn des Vaterlandes Tag nicht wieder.

Iphigenie:

Er schweigt von meinem Vater, nennt ihn nicht

Mit den Erschlagnen. Ja! er lebt mir noch!

Ich werd ihn sehn. O hoffe, liebes Herz!

Pylades:

Doch selig sind die Tausende, die starben

Den bittersüßen Tod von Feindes Hand!

Denn wüste Schrecken und ein traurig Ende

Hat den Rückkehrenden statt des Triumphs

Ein feindlich aufgebrachter Gott bereitet.

Kommt denn der Menschen Stimme nicht zu euch?

So weit sie reicht, trägt sie den Ruf umher

Von unerhörten Taten, die geschahn.

So ist der Jammer, der Mykenens Hallen

Mit immer wiederholten Seufzern füllt,

Dir ein Geheimnis? — Klytämnestra hat

Mit Hülf Ägisthens den Gemahl berückt,

Am Tage seiner Rückkehr ihn ermordet! —

Ja, du verehrest dieses Königs Haus!

Ich seh es, deine Brust bekämpft vergebens

Das unerwartet ungeheure Wort.

Bist du die Tochter eines Freundes? bist

Du nachbarlich in dieser Stadt geboren?

Verbirg es nicht und rechne mir's nicht zu,

Daß ich der erste diese Greuel melde.

Iphigenie:

Sag an, wie ward die schwere Tat vollbracht?

Pylades:

Am Tage seiner Ankunft, da der König,

Vom Bad erquickt und ruhig, sein Gewand

Aus der Gemahlin Hand verlangend, stieg,

Warf die Verderbliche ein faltenreich

Und künstlich sich verwirrendes Gewebe

Ihm auf die Schultern, um das edle Haupt;

Und da er wie von einem Netze sich

Vergebens zu entwickeln strebte, schlug

Ägisth ihn, der Verräter, und verhüllt

Ging zu den Toten dieser große Fürst.

Iphigenie:

Und welchen Lohn erhielt der Mitverschworne?

Pylades:

Ein Reich und Bette, das er schon besaß.

Iphigenie:

So trieb zur Schandtat eine böse Lust?

Pylades:

Und einer alten Rache tief Gefühl.

Iphigenie:

Und wie beleidigte der König sie?

Pylades:

Mit schwerer Tat, die, wenn Entschuldigung

Des Mordes wäre, sie entschuldigte.

Nach Aulis lockt' er sie und brachte dort,

Als eine Gottheit sich der Griechen Fahrt

Mit ungestümen Winden widersetzte,

Die ältste Tochter, Iphigenien,

Vor den Altar Dianens, und sie fiel,

Ein blutig Opfer, für der Griechen Heil.

Dies, sagt man, hat ihr einen Widerwillen

So tief ins Herz geprägt, daß sie dem Werben

Ägisthens sich ergab und den Gemahl

Mit Netzen des Verderbens selbst umschlang.

Iphigenie sich verhüllend:

Es ist genug. Du wirst mich wiedersehn.

Pylades allein:

Von dem Geschick des Königshauses scheint

Sie tief gerührt. Wer sie auch immer sei,

So hat sie selbst den König wohl gekannt

Und ist, zu unserm Glück, aus hohem Hause

Hierher verkauft. Nur stille, liebes Herz,

Und laß dem Stern der Hoffnung, der uns blinkt,

Mit frohem Mut uns klug entgegensteuern.

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