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Man konnte sich dieses Schauspiel sehr bequem verschaffen, wenn man sich auf der nächsten Höhe etwas seitwärts außer der Richtung der Kugel stellte, unter sich dieses wunderliche Gewimmel sah und die Kugel an sich vorbeisausen hörte.

Aber eine solche über die Schanze weggehende Kugel verfehlte nicht Zweck noch Absicht.

Auf dem Rücken dieser Höhen zog sich der Weg von Frankfurt her, so daß man die Prozession von Kutschen und Chaisen, Reitern und Fußgängern aus Mainz sehr gut beobachten und also zugleich die Schanze und die Wallfahrtenden in Schrecken setzen konnte.

Auch wurde bei einiger Aufmerksamkeit des Militärs der Eintritt einer solchen Menge gar bald verboten, und die Frankfurter nahmen einigen Umweg, auf welchem sie unbemerkt und unerreicht in das Hauptquartier gelangten.

Ende Juni.

— In einer unruhigen Nacht unterhielt ich mich, aufzuhorchen auf die mannigfaltigen fern und nah erregten Töne, und konnte folgende genau unterscheiden:»werda!«der Schildwache vorm Zelt.

«Werda!«der Infanterieposten.

«Werda!«, wenn die Runde kam.

Hin- und Widergehen der Schildwache.

Geklappere des Säbels auf dem Sporn.

Bellen der Hunde fern.

Knurren der Hunde nahe.

Krähen der Hähne.

Scharren der Pferde.

Schnauben der Pferde.

Häckerlingschneiden.

Singen, Diskurieren und Zanken der Leute.

Kanonendonner.

Brüllen des Rindviehs.

Schreien der Maulesel.

Daeine solche hier einfällt, möchte wohl kein Wunder sein.

Jede Stunde war unglücksträchtig; man sorgte jeden Augenblick für seinen verehrten Fürsten, für die liebsten Freunde, man vergaß an eigene Sicherheit zu denken.

Von der wilden, wüsten Gefahr angezogen, wie von dem Blick einer Klapperschlange, stürzte man sich unberufen in die tödlichen Räume, ging, ritt durch die Trancheen, ließ die Haubitzgranten über dem Kopfe dröhnend zerspringen, die Trümmer neben sich niederstürzen; manchem Schwerblessierten wünschte man baldige Erlösung von grimmigen Leiden, und die Toten hätte man nicht ins Leben zurückgerufen.

Wie Verteidiger und Angreifende nunmehr aber gegeneinander standen, davon wäre im allgemeinen hier so viel zu sagen.

Die Franzosen hatten bei androhender Gefahr sich zeitig vorgesehen und vor die Hauptwerke hinaus kleinere Schanzen kunstgemäß angelegt, um die Blockierenden in gewisser Ferne zu halten, die Belagerung aber zu erschweren.

Alle diese Hindernisse mußten nun weggeräumt werden, wenn die dritte Parallele eröffnet, fortgesetzt und geschlossen werden sollte, wie im nachfolgenden einzeln aufgezeichnet ist.

Wir aber indessen, mit einigen Freunden, obgleich ohne Ordre und Beruf, begaben uns an die gefährlichsten Posten.

Weißenau war in deutschen Händen, auch die flußabwärts liegende Schanze schon erobert; man besuchte den zerstörten Ort, hielt in dem Gebeinhause Nachlese von krankhaften Knochen, wovon das Beste schon in die Hände der Wundärzte mochte gelangt sein.

Indem nun aber die Kugeln der Karlsschanze immer in die Überreste der Dächer und Gemäuer schlugen, ließen wir uns durch einen Mann des dortigen Wachtpostens, gegen ein Trinkgeld, an eine bekannte bedeutende Stelle führen, wo mit einiger Vorsicht gar vieles zu übersehen war.

Man ging mit Behutsamkeit durch Trümmer und Trümmer und ward endlich eine stehen gebliebene steinerne Wendeltreppe hinauf an das Balkonffenster eines freistehenden Giebels geführt, das freilich in Friedenszeiten dem Besitzer die herrlichste Aussicht gewährt haben mußte.

Hier sah man den Zusammenfluß des Main- und Rheinstroms, und also die Main- und Rheinspitze, die Blei-Au, das befestigte Kastel, die Schiffbrücke und am linken Ufer sodann die herrliche Stadt; zusammengebrochene Turmspitzen, lückenhafte Dächer, rauchende Stellen untröstlichen Anblicks.

Unser Führer hieß bedächtig sein, nur einzeln um die Fensterpfosten herumschauen, weil von der Karlsschanze her gleich eine Kugel würde geflogen kommen, und er Verdruß hätte, solche veranlaßt zu haben.

Nicht zufrieden hiermit schlich man weiter gegen das Nonnenkloster, wo es freilich auch wild genug aussah, wo unten in den Gewölben für billiges Geld Wein geschenkt wurde, indes die Kugeln von Zeit zu Zeit rasselnde Dächer durchlöcherten.

Aber noch weiter trieb der Vorwitz; man kroch in die letzte Schanze des rechten Flügels, die man unmittelbar über den Ruinen der Favorite und der Kartause tief ins Glacis der Festung eingegraben hatte und nun hinter einem Bollwerk von Schanzkörben auf ein paar hundert Schritte Kanonenkugeln wechselte; wobei es denn freilich darauf ankam, wer dem andern zuerst Schweigen aufzulegen das Glück hatte.

Hier fand ich es nun, aufrichtig gestanden, heiß genug, und man nahm sich's nicht übel, wenn irgend eine Anwandlung jenes Kanonenfiebers sich wieder hervortun wollte; man drückte sich nun zurück, wie man gekommen war, und kehrte doch, wenn es Gelegenheit und Anlaß gab, wieder in gleiche Gefahr.

Bedenkt man nun, daß ein solcher Zustand, wo man sich, die Angst zu übertäuben, jeder Vernichtung aussetzte, bei drei Wochen dauerte, so wird man uns verzeihen, wenn wir über diese schrecklichen Tage wie über einen glühenden Boden hinüber zu eilen trachten.

Den 1. Juli war die dritte Parallele in Tätigkeit und sogleich die Bocksbatterie bombardiert.

Den 2. Juli.

Bombardement der Zitadelle und Karlsschanze.

Den 3. Juli.

Neuer Brand in der Sankt-Sebastians-Kapelle; benachbarte Häuser und Paläste gehen in Flammen auf.

Den 6. Juli.

Die sogenannte Klubistenschanze, welche den rechten Flügel der dritten Parallele nicht zustande kommen ließ, mußte weggenommen werden; allein man verfehlte sie und griff vorliegende Schanzen des Hauptwalles an, da man denn freilich zurückgeschlagen wurde.

Den 7. Juli.

Endliche Behauptung dieses Terrains; Kostheim wird angegriffen, die Franzosen geben es auf.

Den 13. Juli nachts.

Das Rathaus und mehrere öffentliche Gebäude brennen ab.

Den 14. Juli.

Stillstand auf beiden Seiten, Freuden- und Feiertag; der Franzosen, wegen der in Paris geschlossenen Nationalkonföderation, der Deutschen, wegen Eroberung von Conde; bei den letzten Kanonen- und Kleingewehrfeuer, bei jenen ein theatralisches Freiheitsfest, wovon man viel zu hören hatte.

Nachts vom 14. zum 15. Juli.

Die Franzosen werden aus einer Batterie vor der Karlsschanze getrieben; fürchterliches Bombardement.

Von der Mainspitze über den Main brachte man das Benediktinerkloster auf der Zitadelle in Flammen.

Auf der andern Seite entzündet sich das Laboratorium und fliegt in die Luft.

Fenster, Läden und Schornsteine dieser Stadtseite brechen ein und stürzen zusammen.

Am 15. Juli besuchten wir Herrn Gore in Klein-Wintersheim und fanden Rat Krause beschäftigt, ein Bildnis des werten Freundes zu malen, welches ihm gar wohl gelang.

Herr Gore hatte sich stattlich angezogen, um bei fürstlicher Tafel zu erscheinen, wenn er vorher sich in der Gegend abermals würde umgeschaut haben.

Nun saß er, umgeben von allerlei Haus- und Feldgerät, in der Bauernkammer eines deutschen Dörfchens, auf einer Kiste, den angeschlagenen Zuckerhut auf einem Papiere neben sich; er hielt die Kaffeetasse in der einen, die silberne Reißfeder, statt des Löffelchens, in der andern Hand; und so war der Engländer der ganz anständig und behaglich auch in einem schlechten Kantonierungsquartier vorgestellt, wie er uns noch täglich zu angenehmer Erinnerung vor Augen steht.

Wenn wir nun dieses Freundes allhier gedenken, so verfehlen wir nicht, etwas mehreres über ihn zu sagen.

Er zeichnete sehr glücklich in der Camera obscura und hatte, Land und See bereisend, sich auf diese Weise die schönsten Erinnerungen gesammelt.

Nun konnte er, in Weimar wohnhaft, angewohnter Beweglichkeit nicht entsagen, blieb immer geneigt, kleine Reisen vorzunehmen, wobei ihn denn gewöhnlich Rat Krause zu begleiten pflegte, der mit leichter, glücklicher Fassungsgabe die vorstehenden Landschaften zu Papier brachte, schattierte, färbte, und so arbeiteten beide um die Wette.

Die Belagerung von Mainz, als ein seltener wichtiger Fall, wo das Unglück selbst malerisch zu werden versprach, lockte die beiden Freunde gleichfalls nach dem Rhein, wo sie sich keinen Augenblick müßig verhielten.

Und so begleiteten sie uns denn auch auf einem Gefahrzug nach Weißenau, wo sich Herr Gore ganz besonders gefiel.

Wir besuchten abermals den Kirchhof, in Jagd auf pathologische Knochen; ein Teil der nach Mainz gewendeten Mauer war eingeschossen, man sah über freies Feld nach der Stadt.

Kaum aber merkten die auf den Wällen etwas Lebendiges in diesem Raume, so schossen sie mit Prellschüssen nach der Lücke; nun sah man die Kugel mehrmals aufspringen und Staub erregend herankommen, da man sich denn zuletzt hinter die stehengebliebene Mauer oder in das Gebeingewölbe zu retten wußte und der den Kirchhof durchrollenden Kugel heiter nachschaute.

Die Wiederholung eines solchen Vergnügens schien dem Kammerdiener bedenklich, der, um Leben und Glieder seines alten Herrn besorgt, uns allen ins Gewissen sprach und die kühne Gesellschaft zum Rückzug nötigte.

Der 16. Juli war mir ein bänglicher Tag, und zwar bedrängte mich die Aussicht auf die nächste, meinen Freunden gefährliche Nacht; damit verhielt es sich aber folgendermaßen.

Eine der vorgeschobenen kleinen feindlichen Schanzen, vor der sogenannten Welschen Schanze, leistete völlig ihre Pflicht; sie war das größte Hindernis unserer vordern Parallele und mußte, was es auch kosten möchte, weggenommen werden.

Dagegen war nun nichts zu sagen, allein es zeigte sich ein bedenklicher Umstand.

Auf Nachricht, oder Vermutung: die Franzosen ließen hinter dieser Schanze und unter dem Schutz der Festung Kavallerie kampieren, wollte man zu diesem Aus- und Überfalle auch Kavallerie mitnehmen.

Was das heiße: aus der Tranchee heraus, unmittelbar vor den Kanonen der Schanze und der Festung, Kavallerie zu entwickeln und sich, in düsterer Nacht, damit auf dem feindlich besetzten Glacis herumzutummeln, wird jedermann begreiflich finden; mir aber war es höchst bänglich, Herrn von Oppen, als den Freund, der mir vom Regiment zunächst anlag, dazu kommandiert zu wissen.

Gegen Einbruch der Nacht mußte jedoch geschieden sein, und ich eilte zur Schanze Nr. 4, wo man jene Gegend ziemlich im Auge hatte.

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