Ach, es versucht uns nichts so mächtig als der Mangel;
Die klügsten Fische treibt der Hunger an die Angel.
Mein Vater gibt mir nichts, und hat der Mann nicht recht?
Wir brauchen so genug, und alles geht so schlecht.
Doch heute mußt ich ihn notwendig etwas bitten.
Ha, sagt er, du kein Geld, und Söller fährt im Schlitten?
Er gab mir nichts und lärmt mir noch die Ohren voll.
Nun sag mir denn einmal, woher ich's nehmen soll?
Denn du bist nicht der Mann, für eine Frau zu sorgen.
Söller.
O warte, liebes Kind, vielleicht empfang ich morgen
Von einem guten Freund —
Sophie.
Wenn er ein Narr ist, ja!
Zu holen sind gar oft die guten Freunde da;
Doch einen, der was bringt, den hab ich noch zu sehen!
Nein, Söller, künftighin kann es nicht mehr so gehen.
Söller.
Du hast ja, was man braucht.
Sophie.
Schon gut, das ist wohl was.
Doch wer nie dürftig war, der will noch mehr als das.
Von Jugend auf verwöhnt durch's Glück und seine Gaben,
Hat man, soviel man braucht, und glaubt noch nichts zu haben.
Die Lust, die jede Frau, die jedes Mädchen hat,
Ich bin nicht hungrig drauf, doch bin ich auch nicht satt.
Der Putz, der Ball — Genug, ich bin ein Frauenzimmer.
Söller.
Eh nun, so geh dann mit: ich sage dir's ja immer.
Sophie.
Daß wie das Karneval auch unsre Wirtschaft sei,
Die kurze Zeit geschwärmt, dann auf einmal vorbei!
Viel lieber sitz ich hier allein zu ganzen Jahren!
Wenn er nicht sparen will, so muß die Frau wohl sparen.
Mein Vater ist genug schon über mir erbost:
Ich stille seinen Zorn und bin sein ganzer Trost.
Nein, Herr! Ich helf Ihm nie mein eigen Geld verschwenden:
Spar Er es erst an sich, um es an mich zu wenden!
Söller.
Mein Kind, für diesmal nur laß mich noch lustig sein,
Und wenn die Messe kommt, so richten wir uns ein.
Die Vorigen, ein Kellner.
Kellner.
Herr Söller!
Söller.
Nun, was soll's?
Kellner.
Der Herr von Tirinette!
Sophie.
Der Spieler!
Söller.
Schick ihn fort! Daß ihn der Teufel hätte!
Kellner.
Er sagt, er muß Sie sehn.
Sophie.
Was will er dann bei dir?
Söller verwirrt zu Sophie.
Ach, er verreist —
Zum Kellner.
Ich komm!
Zu Sophie.
und er empfiehlt sich mir.
Ab.
Sophie.
Der mahnt ihn ganz gewiß! Er macht beim Spiele Schulden.
Er bringt noch alles durch, und ich, ich muß es dulden.
Dies ist nun alle Lust und mein geträumtes Glück!
So eines Menschen Frau! Wie weit kamst du zurück!
Wo ist sie hin, die Zeit, da sie zu ganzen Scharen,
Die süßten jungen Herrn, zu deinen Füßen waren?
Da jeder sein Geschick in deinen Blicken sah?
Ich stand im Überfluß wie eine Göttin da,
Aufmerksam um mich her die Diener meiner Grillen!
Es war nur allzuviel, dies Herz mit Stolz zu füllen.
Und ach! ein Mädchen ist wahrhaftig übel dran!
Ist man ein bißchen hübsch, so steht man jedem an;
Da summt uns unser Kopf den ganzen Tag von Lobe!
Und welches Mädchen hält wohl diese Feuerprobe?
Ihr könnt so ehrlich tun, man glaubt euch wohl aufs Wort,
Ihr Männer! Auf einmal führt euch der Henker fort.
Wenn's was zu naschen gibt, so sind wir all beim Schmause,
Doch macht ein Mädchen Ernst, da ist kein Mensch zu Hause.
So ist's mit unsern Herrn in dieser schlimmen Zeit;
Es gehen zwanzig drauf, bis daß ein halber freit.
Ich sah mich manchesmal betrogen und verlassen:
Wer vierundzwanzig zählt, hat nichts mehr zu verpassen.
Der Söller kam mir vor, und ich, ich nahm ihn an;
Es ist ein schlechter Mensch, allein er ist ein Mann.
Da sitz ich nun und bin nicht besser als begraben.
Anbeter könnt' ich zwar noch in der Menge haben;
Allein wenn eine Frau ein bißchen Tugend hat,
So ist's der junge Herr in wenig Stunden satt.
Bei Mädchen ist er gern mit Tändelei zufrieden,
Er redet Sentiments, und ist nicht zu ermüden;
Doch wenn nur eine Frau ein wenig spröde tut,
So wundert er sich sehr und greift nach seinem Hut.
Alcest ist wieder hier. Er ist's zu meiner Plage.
Ach ehmals war er da, da waren's andre Tage.
Wie liebt ich ihn! — Und noch! — Ich weiß nicht, was ich will!
Ich flieh ihn, wo ich kann. Er ist nachdenkend, still,
Ich fürchte mich vor ihm; die Furcht ist wohl gegründet.
Ach wüßt er, was mein Herz noch jetzt für ihn empfindet!
Er kommt! Ich zittre schon, mein Herz ist gar zu voll,
Ich weiß nicht, was ich will, noch wen'ger, was ich soll.
Sophie. Alcest.
Alcest.
Sind Sie einmal allein, und darf ein Freund es wagen?
Sophie.
Mein Herr.
Alcest.
Mein Herr! So klang's nicht in vergangnen Tagen.
Sophie.
Ja wohl, die Zeit verfliegt, und alles ändert sich.
Alcest.
Erstreckt sich denn die Macht der Zeit auch über dich,
O Liebe! Bin ich's selbst, der mit Sophien redet?
Bist du Sophie?
Sophie bittend.
Alcest!
Alcest.
Bist du's?
Sophie.
Ihr Vorwurf tötet
Mein armes Herz. Alcest! Mein Freund, ich bitte Sie!
Ich muß, ich muß hinweg!
Alcest.
Unzärtliche Sophie!
Verlassen Sie mich, nur! — In diesem Augenblicke,
Dacht ich, ist sie allein. Ich segnete mein Glücke.
Nun, hofft ich, redet sie ein zärtlich Wort mit dir.
O gehn Sie! Gehn Sie nur! — In diesem Zimmer hier
Entdeckte mir Sophie zuerst die schönsten Flammen,
Hier schloß sich unsre Brust zum erstenmal zusammen;
An eben diesem Platz — erinnerst du dich noch? —
Schwurst du mir ewge Treu!
Sophie.
O schonen Sie mich doch!
Alcest.
Ein schöner Abend war's — ich werd ihn nie vergessen!
Dein Auge redete, und ich, ich ward vermessen.
Mit Zittern botst du mir die heißen Lippen dar.
Mein Herze fühlt es noch, wie sehr ich glücklich war.
Da hattest du nicht Zeit, was sonst als mich zu denken,
Und jetzo willst du mir nicht eine Stunde schenken?
Du siehst, ich suche dich, du siehst, ich bin betrübt —
Geh nur, du falsches Herz, du hast mich nie geliebt!
Sophie.
Ich bin geplagt genug, willst du mich auch noch plagen?
Sophie dich nicht geliebt! Alcest, das darfst du sagen?
Du warst mein ganzer Wunsch, du warst mein höchstes Gut;
Für dich schlug dieses Herz, dir wallte dieses Blut.
Und dieses Herz, mein Freund, das du einst ganz besessen,
Kann nicht unzärtlich sein, es kann dich nicht vergessen.
Die Liebe widersteht der Zeit, die alles raubt,
Man hat nie recht geliebt, wenn man sie endlich glaubt.
Allein — Es kommt jemand.
Alcest.
Nein!
Sophie.
Es ist hier gefährlich.
Alcest.
Auch nicht ein einzig Wort. O es ist zubeschwerlich.
So geht's den ganzen Tag! Wie ist man nicht geplagt!
Schon vierzehn Tage hier, und dir kein Wort gesagt!
Ich weiß, du liebst mich noch, allein das wird mich töten.
Niemals sind wir allein, was unter uns zu reden;
Nicht einen Augenblick ist hier im Zimmer Ruh,
Bald ist der Vater da, dann kommt der Mann dazu.
Lang bleib ich dir nicht hier, das ist mir unerträglich.
Allein, Sophie, wer will, ist dem nicht alles möglich?
Sonst war dir nichts zu schwer, du halfest dir geschwind;
Ein Drach war eingewiegt, und hundert Augen blind.
O, wenn du wolltest —
Sophie.
Was?
Alcest.
Wenn du nur denken wolltest,
Daß du Alcesten nicht verzweifeln machen solltest!
Geliebte, suche dir doch nur Gelegenheit
Zur Unterredung auf, die dieser Ort verbeut.
O höre, heute nacht! dein Mann geht aus dem Hause,
Man glaubt, ich gehe selbst zu einem Fastnachtsschmause;
Allein, das Hintertor ist meiner Treppe nah —
Es merkt's kein Mensch im Haus und ich bin wieder da.
Den Schlüssel hab ich hier, und willst du mir erlauben —
Sophie.
Alcest, ich wundre mich —
Alcest.
Und ich, ich soll es glauben,
Daß du kein hartes Herz, kein falsches Mädchen bist?
Du schlägst das Mittel aus, das uns noch übrig ist.
Wir kennen uns ja schon; was brauchst du dich zu schämen?
Wär etwas anders da, ich wollte das nicht nehmen.
Allein genug: heut nacht, Sophie, besuch ich dich.
Doch kommt dir's sichrer vor, so komm, besuche mich!
Sophie.
Alcest, das ist zu viel!
Alcest.
Zu viel! O, schön gesprochen!
Verflucht! zu viel! zu viel! Verderb ich meine Wochen
Hier so umsonst? — Verdammt! was hält mich dieser Ort,
Wenn mich Sophie nicht hält? Ich gehe morgen fort.
Sophie.
Geliebter! Bester!
Alcest.
Nein, du siehst, du kennst mein Leiden,
Und du erbarmst dich nicht. Ich will dich ewig meiden!
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