Ihre Eifersucht führt sie auch auf der Denker Pfade; und diess ist das Merkmal ihrer Eifersucht — immer gehn sie zu weit: dass ihre Müdigkeit sich zuletzt noch auf Schnee schlafen legen muss.
Aus jeder ihrer Klagen tönt Rache, in jedem ihrer Lobsprüche ist ein Wehethun; und Richter-sein scheint ihnen Seligkeit.
Also aber rathe ich euch, meine Freunde: misstraut Allen, in welchen der Trieb, zu strafen, mächtig ist!
Das ist Volk schlechter Art und Abkunft; aus ihren Gesichtern blickt der Henker und der Spürhund.
Misstraut allen Denen, die viel von ihrer Gerechtigkeit reden! Wahrlich, ihren Seelen fehlt es nicht nur an Honig.
Und wenn sie sich selber» die Guten und Gerechten «nennen, so vergesst nicht, dass ihnen zum Pharisäer Nichts fehlt als — Macht!
Meine Freunde, ich will nicht vermischt und verwechselt werden.
Es giebt Solche, die predigen meine Lehre vom Leben: und zugleich sind sie Prediger der Gleichheit und Taranteln.
Dass sie dem Leben zu Willen reden, ob sie gleich in ihrer Höhle sitzen, diese Gift-Spinnen, und abgekehrt vom Leben: das macht, sie wollen damit wehethun.
Solchen wollen sie damit wehethun, die jetzt die Macht haben: denn bei diesen ist noch die Predigt vom Tode am besten zu Hause.
Wäre es anders, so würden die Taranteln anders lehren: und gerade sie waren ehemals die besten Welt-Verleumder und Ketzer-Brenner.
Mit diesen Predigern der Gleichheit will ich nicht vermischt und verwechselt sein. Denn so redet mir die Gerechtigkeit:»die Menschen sind nicht gleich.»
Und sie sollen es auch nicht werden! Was wäre denn meine Liebe zum übermenschen, wenn ich anders spräche?
Auf tausend Brücken und Stegen sollen sie sich drängen zur Zukunft, und immer mehr Krieg und Ungleichheit soll zwischen sie gesetzt sein: so lässt mich meine grosse Liebe reden!
Erfinder von Bildern und Gespenstern sollen sie werden in ihren Feindschaften, und mit ihren Bildern und Gespenstern sollen sie noch gegeneinander den höchsten Kampf kämpfen!
Gut und Böse, und Reich und Arm, und Hoch und Gering, und alle Namen der Werthe: Waffen sollen es sein und klirrende Merkmale davon, dass das Leben sich immer wieder selber überwinden muss!
In die Höhe will es sich bauen mit Pfeilern und Stufen, das Leben selber: in weite Fernen will es blicken und hinaus nach seligen Schönheiten, — darum braucht es Höhe!
Und weil es Höhe braucht, braucht es Stufen und Widerspruch der Stufen und Steigenden! Steigen will das Leben und steigend sich überwinden.
Und seht mir doch, meine Freunde! Hier, wo der Tarantel Höhle ist, heben sich eines alten Tempels Trümmer aufwärts, — seht mir doch mit erleuchteten Augen hin!
Wahrlich, wer hier einst seine Gedanken in Stein nach Oben thürmte, um das Geheimniss alles Lebens wusste er gleich dem Weisesten!
Dass Kampf und Ungleiches auch noch in der Schönheit sei und Krieg um Macht und übermacht: das lehrt er uns hier im deutlichsten Gleichniss.
Wie sich göttlich hier Gewölbe und Bogen brechen, im Ringkampfe: wie mit Licht und Schatten sie wider einander streben, die göttlich-Strebenden
Also sicher und schön lasst uns auch Feinde sein, meine Freunde! Göttlich wollen wir wider einander streben!
Wehe! Da biss mich selber die Tarantel, meine alte Feindin! Göttlich sicher und schön biss sie mich in den Finger!
«Strafe muss sein und Gerechtigkeit — so denkt sie: nicht umsonst soll er hier der Feindschaft zu Ehren Lieder singen!»
Ja, sie hat sich gerächt! Und wehe! nun wird sie mit Rache auch noch meine Seele drehend machen!
Dass ich mich aber nicht drehe, meine Freunde, bindet mich fest hier an diese Säule! Lieber noch Säulen-Heiliger will ich sein, als Wirbel der Rachsucht!
Wahrlich, kein Dreh— und Wirbelwind ist Zarathustra; und wenn er ein Tänzer ist, nimmermehr doch ein Tarantel-Tänzer!
Also sprach Zarathustra.
Dem Volke habt ihr gedient und des Volkes Aberglauben, ihr berühmten Weisen alle! — und nicht der Wahrheit! Und gerade darum zollte man euch Ehrfurcht.
Und darum auch ertrug man euren Unglauben, weil er ein Witz und Umweg war zum Volke. So lässt der Herr seine Sclaven gewähren und ergötzt sich noch an ihrem übermuthe.
Aber wer dem Volke verhasst ist wie ein Wolf den Hunden: das ist der freie Geist, der Fessel-Feind, der Nicht-Anbeter, der in Wäldern Hausende.
Ihn zu jagen aus seinem Schlupfe — das hiess immer dem Volke» Sinn für das Rechte«: gegen ihn hetzt es noch immer seine scharfzahnigsten Hunde.
«Denn die Wahrheit ist da: ist das Volk doch da! Wehe, wehe den Suchenden!«— also scholl es von jeher.
Eurem Volke wolltet ihr Recht schaffen in seiner Verehrung: das hiesset ihr» Wille zur Wahrheit, «ihr berühmten Weisen!
Und euer Herz sprach immer zu sich:»vom Volke kam ich: von dort her kam mir auch Gottes Stimme.»
Hart-nackig und klug, dem Esel gleich, wart ihr immer als des Volkes Fürsprecher.
Und mancher Mächtige, der gut fahren wollte mit dem Volke, spannte vor seine Rosse noch — ein Eselein, einen berühmten Weisen.
Und nun wollte ich, ihr berühmten Weisen, ihr würfet endlich das Fell des Löwen ganz von euch!
Das Fell des Raubthiers, das buntgefleckte, und die Zotten des Forschenden, Suchenden, Erobernden!
Ach, dass ich an eure» Wahrhaftigkeit «glauben lerne, dazu müsstet ihr mir erst euren verehrenden Willen zerbrechen.
Wahrhaftig — so heisse ich Den, der in götterlose Wüsten geht und sein verehrendes Herz zerbrochen hat.
Im gelben Sande und verbrannt von der Sonne schielt er wohl durstig nach den quellenreichen Eilanden, wo Lebendiges unter dunkeln Bäumen ruht.
Aber sein Durst überredet ihn nicht, diesen Behaglichen gleich zu werden: denn wo Oasen sind, da sind auch Götzenbilder.
Hungernd, gewaltthätig, einsam, gottlos: so will sich selber der Löwen-Wille.
Frei von dem Glück der Knechte, erlöst von Göttern und Anbetungen, furchtlos und fürchterlich, gross und einsam: so ist der Wille des Wahrhaftigen.
In der Wüste wohnten von je die Wahrhaftigen, die freien Geister, als der Wüste Herren; aber in den Städten wohnen die gutgefütterten, berühmten Weisen, — die Zugthiere.
Immer nämlich ziehen sie, als Esel — des Volkes Karren!
Nicht dass ich ihnen darob zürne: aber Dienende bleiben sie mir und Angeschirrte, auch wenn sie von goldnem Geschirre glänzen.
Und oft waren sie gute Diener und preiswürdige. Denn so spricht die Tugend: musst du Diener sein, so suche Den, welchem dein Dienst am besten nützt!
«Der Geist und die Tugend deines Herrn sollen wachsen, dadurch dass du sein Diener bist: so wächsest du selber mit seinem Geiste und seiner Tugend!»
Und wahrlich, ihr berühmten Weisen, ihr Diener des Volkes! Ihr selber wuchset mit des Volkes Geist und Tugend — und das Volk durch euch! Zu euren Ehren sage ich das!
Aber Volk bleibt ihr mir auch noch in euren Tugenden, Volk mit blöden Augen, — Volk, das nicht weiss, was Geist ist!
Geist ist das Leben, das selber in's Leben schneidet: an der eignen Qual mehrt es sich das eigne Wissen, — wusstet ihr das schon?
Und des Geistes Glück ist diess: gesalbt zu sein und durch Thränen geweiht zum Opferthier, — wusstet ihr das schon?
Und die Blindheit des Blinden und sein Suchen und Tappen soll noch von der Macht der Sonne zeugen, in die er schaute, — wusstet ihr das schon?
Und mit Bergen soll der Erkennende bauen lernen! Wenig ist es, dass der Geist Berge versetzt, — wusstet ihr das schon?
Ihr kennt nur des Geistes Funken: aber ihr seht den Ambos nicht, der er ist, und nicht die Grausamkeit seines Hammers!
Wahrlich, ihr kennt des Geistes Stolz nicht! Aber noch weniger würdet ihr des Geistes Bescheidenheit ertragen, wenn sie einmal reden wollte!
Und niemals noch durftet ihr euren Geist in eine Grube von Schnee werfen: ihr seid nicht heiss genug dazu! So kennt ihr auch die Entzückungen seiner Kälte nicht.
In Allem aber thut ihr mir zu vertraulich mit dem Geiste; und aus der Weisheit machtet ihr oft ein Armen— und Krankenhaus für schlechte Dichter.
Ihr seid keine Adler: so erfuhrt ihr auch das Glück im Schrekken des Geistes nicht. Und wer kein Vogel ist, soll sich nicht über Abgründen lagern.
Ihr seid mir Laue: aber kalt strömt jede tiefe Erkenntniss. Eiskalt sind die innersten Brunnen des Geistes: ein Labsal heissen Händen und Handelnden.
Ehrbar steht ihr mir da und steif und mit geradem Rücken, ihr berühmten Weisen! — euch treibt kein starker Wind und Wille.
Saht ihr nie ein Segel über das Meer gehn, geründet und gebläht und zitternd vor dem Ungestüm des Windes?
Dem Segel gleich, zitternd vor dem Ungestüm des Geistes, geht meine Weisheit über das Meer — meine wilde Weisheit!
Aber ihr Diener des Volkes, ihr berühmten Weisen, — wie könntet ihr mit mir gehn!
Also sprach Zarathustra.
Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen.
Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden.
Ein Ungestilltes, Unstillbares ist in mir; das will laut werden. Eine Begierde nach Liebe ist in mir, die redet selber die Sprache der Liebe.
Licht bin ich: ach, dass ich Nacht wäre! Aber diess ist meine Einsamkeit, dass ich von Licht umgürtet bin.
Ach, dass ich dunkel wäre und nächtig! Wie wollte ich an den Brüsten des Lichts saugen!
Und euch selber wollte ich noch segnen, ihr kleinen Funkelsterne und Leuchtwürmer droben! — und selig sein ob eurer Licht-Geschenke.
Aber ich lebe in meinem eignen Lichte, ich trinke die Flammen in mich zurück, die aus mir brechen.
Ich kenne das Glück des Nehmenden nicht; und oft träumte mir davon, dass Stehlen noch seliger sein müsse, als Nehmen.
Das ist meine Armuth, dass meine Hand niemals ausruht vom Schenken; das ist mein Neid, dass ich wartende Augen sehe und die erhellten Nächte der Sehnsucht.
Oh Unseligkeit aller Schenkenden! Oh Verfinsterung meiner Sonne! Oh Begierde nach Begehren! Oh Heisshunger in der Sättigung!
Sie nehmen von mir: aber rühre ich noch an ihre Seele? Eine Kluft ist zwischen Geben und Nehmen; und die kleinste Kluft ist am letzten zu überbrücken.
Ein Hunger wächst aus meiner Schönheit: wehethun möchte ich Denen, welchen ich leuchte, berauben möchte ich meine Beschenkten: — also hungere ich nach Bosheit.
Die Hand zurückziehend, wenn sich schon ihr die Hand entgegenstreckt; dem Wasserfälle gleich zögernd, der noch im Sturze zögert: — also hungere ich nach Bosheit.