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MARINA: Simulation, alles nur gespielt. Er hat ein hervorragendes Gedächtnis. Nicht von ungefähr gilt er als der beste Kartenspieler in der Stadt.

DOKTOR: Warum haben Sie denn dann…

JOHANNA: (Im Ton eines Rechtsanwalts.) Doktor, wenn Sie dauernd Fragen stellen, kommen wir nie zum Ende.

DOKTOR: Entschuldigen Sie.

JOHANNA: Jetzt hören Sie. Vor zwei Jahren hat Anton im Casino eine erhebliche Summe Geld verspielt. Er fleht Marina an, ihm die Summe zu besorgen und verspricht, sie schnell zurückzugeben. Andernfalls, sagte er, würde man ihn erschießen. Marina besorgt ihm über die Bank Geld, und ich habe sie leider nicht von diesem Schritt abgebracht. Ich hatte Angst um den Mann und die Kinder.

DOKTOR: Und was war dann weiter?

JOHANNA: Weiter hat Anton, anstatt die Summe zurückzugeben, auch dieses Geld verspielt. Die Schulden verdoppelten sich. Er rennt wieder zur Schwester und fleht sie an, ihn zu retten. Marina liebt den Bruder bis zum Gedächtnisverlust und gibt nach. Und so versanken wir langsam aber sicher in einem Loch, aus dem wir nicht mehr herauskommen. Sie stellen sich nicht vor, wie schwer das ist: Zu wissen, dass der Mann ein Spieler ist, dass er auf der schiefen Bahn ist und die ganze Familie mit sich zieht, ihn zu lieben und retten zu wollen und nicht in der Lage zu sein, irgendetwas zu ändern…

DOKTOR: So… Aber was habe ich mit all dem zu tun?

JOHANNA: (Verwirrt geworden.) Ehrlich gesagt, diesen Teil der Geschichte zu erzählen ist besonders unangenehm, aber wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen. Uns an Sie zu wenden, das ist meine eigene Idee.

DOKTOR: Und worin bestand die Idee?

JOHANNA: Wir begriffen, dass man uns dicht auf den Fersen ist und aufdecken wird, und in mir reifte der Plan, schnellstens dafür zu sorgen, dass Anton für unzurechnungsfähig erklärt wird. Dann könnte er Gericht und Urteil überstehen. Aber dazu brauchte man die Bescheinigung eines kompetenten und ordentlichen Arztes. So eines, wie Sie.

DOKTOR: Ach, so liegt die Sache…

JOHANNA: Wir begriffen, dass auf gewöhnlichem Weg von Ihnen eine Bescheinigung zusammen mit der Krankengeschichte zu bekommen unmöglich ist.

DOKTOR: Richtig.

JOHANNA: Und so habe ich mir ausgedacht, einen massierten Angriff gegen Sie zu starten, um Sie durcheinanderzubringen, in völlige Verwirrung, um auf diese Weise zu bekommen, was wir brauchten. Wir studierten die Symptome der Krankheit aus einem Fachbuch und haben Ihnen zu dritt dieses Spektakel vorgespielt. (Schuldbewusst.) Ich gestehe, dass das nicht klug war, unordentlich und grausam. Wir bedauern das sehr.

Marina sitzt die ganze Zeit mit gesenktem Kopf.

DOKTOR: Was weiter?

JOHANNA: Nichts. Aus.

DOKTOR: Marina, wollten Sie mir das gestehen?

MARINA: (Ohne den Kopf zu heben.) Ja.

JOHANNA: Jetzt können Sie uns hinaus werfen. Aber wir werden auch selbst gehen. Wir bitten nicht um Verzeihung – wir verdienen sie nicht. (Nimmt Marina an der Hand und geht mit ihr zum Ausgang.)

DOKTOR: Warten Sie. (Freudig.) Sie denken, dass Sie mich betrübt hätten, aber tatsächlich haben Sie mich sehr erfreut.

JOHANNA: Womit?

DOKTOR: (Findet seinen Optimismus und seine Selbstsicherheit wieder.) Erstens damit, dass Sie gestanden und dadurch die Schuld von sich genommen haben. Zweitens, weil ich mich noch vor einer halben Stunde für einen Schwachsinnigen hielt, jetzt aber überzeugt bin, dass ich vollkommen gesund bin. Und die Hauptsache, Marina erweist sich nicht als verheiratet, sondern als frei!

JOHANNA: Ja, frei. Wenn man nicht berücksichtigt, dass man sie für etwa acht Jahre hinter Gitter bringt.

DOKTOR: (Erschreckt.)Wie, „acht Jahre“? (An Marina.) Ist das wahr?

Marina zuckt wortlos mit den Schultern.

JOHANNA: Morgen wird man sie verhaften.

DOKTOR: Das lasse ich nicht zu!

JOHANNA: Was werden Sie tun können?

DOKTOR: Ich weiß noch nicht, aber ich lasse das nicht zu! Ich werde protestieren! Ich… Ich werde Ihnen eine Bescheinigung ausstellen, dass Sie unzurechnungsfähig sind. Allen dreien. Und mir selbst auch, für alle Fälle.

JOHANNA: Doktor, seien Sie ernst. Die Bank fordert die sofortige Rückgabe des Gelds.

DOKTOR: Wer fordert? Dieser Vizepräsident, der mehr einem Schnüffler gleicht? Rufen Sie ihn hierher. Ich reguliere diese Sache.

JOHANNA: Doktor, das ist unmöglich.

DOKTOR: Kleinigkeiten. Rufen Sie Ihren Bankier.

Johanna und Marina tauschen Blicke aus. Marina geht schulterzuckend hinaus.

JOHANNA: Wie wollen Sie die Sache mit der Bank regeln?

DOKTOR: Sehr einfach. Ich bezahle ihr dieses lächerliche Geld.

JOHANNA: Sie stellen sich die Summe nicht ganz vor, um die es geht.

DOKTOR: Das interessiert mich nicht.

JOHANNA: Ich fürchte, dass Ihr Geldbeutel nicht ausreicht.

DOKTOR: Keine Angst. Ich bin ein sehr vermögender Mann.

JOHANNA: Aber um wessen Willen sein Geld verlieren, wegen unbekannter Leute, die Sie außerdem noch betrogen haben? Brauchen Sie denn kein Geld?

DOKTOR: Und wozu nützt es mir? Ich esse nichts Fettes, Salziges, Scharfes, Teures und Gutes. Wie alle reichen Leute halte ich Diät und arbeite die übrige Zeit.

Marina und der Vizepräsident treten ein. Der Doktor wendet sich an den Mann.

Mein Lieber, darf man denn wegen irgendwelchem Geld eine so reizende Frau verfolgen?

VIZEPRÄSIDENT: Geld ist natürlich Unsinn. Es gibt im Leben wichtigere Dinge: Liebe, Schönheit, Gesundheit, Güte…

DOKTOR: Ganz genau.

VIZEPRÄSIDENT: Andererseits, wenn Geld Unsinn ist, warum es dann nicht zurückgeben?

DOKTOR: Weil ihr Bruder es im Casino verspielt hat. Sie hat keinen einzigen Cent.

VIZEPRÄSIDENT: (An Marina.) Stimmt das? (Marina antwortet nicht.) Warum haben Sie das früher nicht gesagt?

MARINA: Was hätte das geändert?

VIZEPRÄSIDENT: Im Grunde nichts. Aber jetzt verstehe ich wenigstens Ihr Verhalten. Allerdings, das Geld muss trotzdem zurückgegeben werden.

DOKTOR: Sagen Sie, wie viel? (Zieht den Geldbeutel heraus.)

VIZEPRÄSIDENT: Die Summe ist armselig, man kann sagen ein Nichts, einfach lächerlich, eine völlige Kleinigkeit, es lohnt sich nicht, darüber zu reden.

DOKTOR: Können Sie die annähernde Summe nennen?

VIZEPRÄSIDENT: Zwei Millionen Euro.

DOKTOR: Zwei Millionen Euro?!

VIZEPRÄSIDENT: So etwa. Wie Sie verstehen, darf man das als Bank nicht als Verlust bezeichnen. Viel ernster ist die Tatsache der Entwendung und des Betrugs. Glauben Sie mir, mir wird es sehr schwer fallen, die Sache zu vertuschen.

DOKTOR: Ich verstehe und schätze das sehr. (Steckt den Geldbeutel ein. An Marina.) Ich fürchte, Liebe, ich bin nicht in der Lage, der Bank diese nichtige Summe zurückzugeben. Wie hat es denn Ihr Bruder fertig gebracht, so eine Unsumme zu verspielen?

JOHANNA: (Beunruhigt.) Übrigens, wo ist er?

MARINA: Wirklich, wo ist Anton? (Sieht sich unruhig um.) Sieh nach, vielleicht ist er im Wartezimmer.

JOHANNA: (Johanna geht eilig hinaus und kommt schnell zurück. In ihrem Gesicht Verwirrung.) Dort ist er nicht.

MARINA: (Mit niedergeschlagener Stimme.) Wir haben ihn wieder weggelassen.

DOKTOR: Ich verstehe nicht, dass Sie so besorgt um ihn sind. Sie sagen doch, dass er absolut gesund ist!

JOHANNA: Ja, er ist gesund, aber…

DOKTOR: Was, aber?

MARINA: Verstehen Sie, er ist sehr besorgt, dass wir seinetwegen in Schwierigkeiten geraten sind.

DOKTOR: Na, und?

MARINA: Und er hat die Wahnidee, das ganze Geld wieder zurückzugewinnen. Und je mehr er spielt, desto mehr verspielt er. Deshalb haben wir in den letzten Wochen versucht, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

JOHANNA: Marina, beruhig´ dich. Ich glaube, er ist nicht im Casino. Jetzt hat er doch einfach gar nichts zum Spielen. Ich habe ihm alles Geld weggenommen, sogar das Kleingeld.

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