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Als die Leichen zu einem Stapel aufgeschichtet waren, nahm Flack den Kanister und goß hastig, um schnell fertig zu werden, und großzügig Kerosin darüber. Wade beobachtete ihn, den Finger am Abzug, und war drauf und dran, noch mehr von den Dingern abzuknallen, weil er meinte, es würde seinem Seelenfrieden guttun. Flack erkannte Wades Absicht. »Spar deine Munition«, gebot er.

»Du

hast doch auch einen abgeknallt«, erwiderte Wade. Flack verschloß den Kanister.

Die Leichenfresserkadaver waren bereit, angezündet zu werden. Die beiden Männer hatten nicht die Absicht, es sofort zu tun, sondern später, wenn sie vom Haus zu den Fahrzeugen durchzubrechen hatten. Sie hofften, daß das Feuer aus totem Fleisch angreifende Humanoide zurückweichen lassen würde. Mit Hilfe ihrer Waffen und Fackeln würden sie sich einen Fluchtweg bahnen können.

Flack und Wade zogen die Handschuhe aus und warfen sie zusammen mit dem Fleischerhaken auf den Laster. Dann nahmen sie ihre Gewehre und die Fackeln mit ins Haus. Wade ging noch einmal hinaus, um die Kerosinlampe und den Kanister zu holen. Als er zurückkam, verriegelte er die Tür und verrammelte sie wieder mit dem Balken.

Angel döste auf dem Sofa. John Carter saß im Sessel neben dem kalten Kamin und ließ seine Augen hin und wieder über die gefesselten Gefangenen gleiten, die flach auf dem Rücken in der Mitte des Wohnzimmers lagen. Neben Carter auf der Armlehne stand eine leere Teetasse.

Flack und Wade gingen in die Küche, um sich die Hände zu waschen. Auf dem Küchentisch standen Tassen, und eine Kanne mit Tee dampfte auf dem Herd. »Ich brauche mehr als nur Tee, Teufel noch mal«, rief Flack. »Ich hab' Kohldampf.« Er öffnete den Kühlschrank und suchte nach etwas Eßbarem. Im Obergeschoß hatten Billy und Ann Sue Ellen ins Bett gebracht und wachten bei ihr, daß sie bald wieder zu Bewußtsein käme.

Karen kam langsam die Treppe herauf. Sie hatte die Küche verlassen, als sie Wade und Flack hereinkommen hörte. Sie wandte ihre Augen ab und kämpfte mit den Tränen, als sie den Flur entlang an ihres Vaters Schlafzimmer vorbeiging. Die Tür zu dem Zimmer war nur angelehnt. Ein blasser Lichtstreifen von der Flurlampe fiel hinein, doch der größte Teil lag im Dunkel. In der hintersten Ecke des Raums stand reglos die gekrümmte Gestalt eines Humanoiden. Dieses tote Wesen hatte sich an Bert Millers Fleisch gelabt. Seine bestialische Gier war im Augenblick gestillt, und ohne den gierigen Freßtrieb war es damit zufrieden, reglos und still abzuwarten. Karen betrat das Zimmer, in dem Sue Ellen lag. Sie hoffte, ihre Schwester wach zu finden. Ann und Billy schauten auf. In ihren Gesichtern konnte sie lesen, daß sich Sue Ellens Zustand nicht verändert hatte. »Ich bleibe bei ihr«, erklärte Karen. »Wenn ihr wollt, könnt ihr nach unten gehen und ein bißchen Tee trinken.«

Als Billy und Ann sich anschickten, die Treppe hinunterzusteigen, hörten sie dröhnendes Gelächter aus dem Erdgeschoß. Flack, der gerade dabei war, sich ein Sandwich in den Mund zu stopfen, rannte, gefolgt von Wade Connely, am Treppenabsatz vorbei und ins Wohnzimmer, als Billy und Ann gerade die letzten Stufen erreichten.

Angel lachte. Sie kniete in der hinteren Ecke des Zimmers am Boden. Wade und Flack standen über sie gebeugt, und Flack stimmte kichernd in ihr Gelächter mit ein. Die beiden Gefesselten mühten sich ab, in Richtung von Angels Lachen zu schauen. Sie sahen, daß sie ein Bücherregal beiseite geschoben und einen alten Fußbodensafe entdeckt hatte. »Wetten, daß ich die Kombination rauskriege?« prahlte Angel und befeuchtete sich die Lippen mit einer schnellen Zungenbewegung. »Ich hatte eine Tante, die Wahrsagerin war.«

»Vielleicht sind wir am Ende doch den wirklichen Geiern in

die Hände gefallen.«

Alle starrten Billy verblüfft an.

»Wie undankbar, so was zu sagen«, fauchte Angel mit zornblitzenden Augen.

Flack und Wade kamen drohend ein paar Schritte näher. Flack zog ein Messer aus einer Scheide an seinem Gürtel. Unvermittelt schwenkte er das Messer mit dem Griff voran vor Wades Lippen, als wäre es ein Mikrophon. Wade lachte, als er begriff, was für eine Komödie sich jetzt hier abspielte. Carter blieb schweigend sitzen und beobachtete die Szene. Billy und Ann bekamen es mit der Angst zu tun und fühlten, wie ihnen kalter Schweiß auf die Stirn trat. Das »Mikrofon« vor Wades Lippen haltend, sprach Flack in der Art eines Reporters: »Ich erfahre soeben, daß vor knapp zwei Stunden Beamte der Staatspolizei ein paar Landpomeranzen vor dem Angriff von Leichenfressern gerettet haben.«

»Ja, das stimmt«, bestätigte Wade mit ernstem Gesicht. Er gefiel sich sichtlich in der Rolle. »Die Beamten tauchten unerwartet aus dem Nichts auf und retteten ein paar Bauern im Handumdrehen. Ich würde sagen, die Beamten haben sich ihres Rufs würdig gezeigt.« Er grinste zufrieden über seinen eigenen witzigen Einfall.

»Das haben sie wirklich«, sagte Flack anerkennend. »Und wie fühlt man sich als Held, Staatspolizist Connely, wenn man ein paar Fremden gerade das Leben gerettet hat? Wenn man gerade Kopf und Kragen riskiert hat für Leute, die man noch nie im Leben gesehen hat?« »Am Anfang fühlt man sich großartig, aber dann...« »Dann was?«

»Die Leute haben ein kurzes Gedächtnis«, antwortete Wade zögernd und schaute dabei Ann und Billy herausfordernd an. »Nun mal halblang!« schnauzte Billy los, aber Flack ließ ihn nicht ausreden, stieß ihn rücklings aufs Sofa und hielt ihm die Messerspitze vor die Kehle.

»Warte mal, Bürschchen!« Flack spie die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Was haben Sie mit Sue Ellen gemacht?« platzte Ann heraus. Sie war so aufgeregt, daß die Worte hervorschossen, ehe sie sich auf die Zunge beißen konnte. In ihrer Angst wurde das, was bisher nur ein unterbewußter Verdacht gewesen war, plötzlich ein konkreter Gedanke.

Flack schaute sie verblüfft, erstaunt und gekränkt an. Er ließ von dem Jungen ab und wandte sich mit beleidigtem Blick

Ann zu. Billy blieb auf dem Sofa liegen und rieb sich die Kehle und die Brust. Sein gerötetes Gesicht war vor Zorn und Angst und Schmerz zu einer Grimasse verzerrt. In ernsthaftem, überzeugendem Tonfall sagte Flack: »Seht ihr die zwei Gefangenen da? Schaut sie euch gut an. Kinder-belästiger! Und wir müssen Kopf und Kragen riskieren, um die Drecksäcke heil der Jusitz zu übergeben.« Flack hielt inne und grinste. »Wir hätten auch nicht hier herkommen und euch das Leben retten müssen. Aber wir haben es getan, und da wir jetzt für eine Weile hier festhängen, sind wir auf ein bißchen Unterstützung angewiesen. Ich meine, es wäre an der Zeit, daß wir was zwischen die Zähne kriegen. Eine kleine Mahlzeit. Keiner weiß, wie schlimm sich das da draußen noch zuspitzen wird. Also, wer von euch ist der Koch?« Ann und Billy schauten einander an. Billys Gesicht war noch immer hochrot. Er saß steif aufgerichtet auf dem Sofa. »Also gut, ich mach's«, erklärte sich Ann kaum hörbar bereit. Sie wandte sich um, doch sie hielt inne, als sie das Rauschen des Fernsehers hörte. John Carter hatte das Gerät eingeschaltet und wartete darüber gebeugt, bis es warm wurde.

Carters Augen waren auf den Bildschirm gerichtet. Nicht, daß er sich besonders für das Bild interessiert hätte, das sich langsam verdichtete; er war einfach im Augenblick an allem anderen desinteressiert. Er strahlte eine Aura schweigender Autorität aus. Auch wenn er nicht viel gesagt hatte, war seine Gegenwart ein ständig zu berücksichtigender Faktor in dem Zimmer. Er schien nur den Mund aufzumachen, wenn er mit etwas nicht einverstanden war oder wenn er etwas in bestimmter Weise getan haben wollte. Er war bereit, den Dingen ihren Lauf zu lassen, solange sie nicht gestoppt werden mußten. Carter war eindeutig der Boß, ohne daß er jedermann ständig darauf hinzuweisen brauchte.

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