Литмир - Электронная Библиотека
A
A

Ralph lachte. »Würde mir nicht im Traum einfallen.«

»Im Ernst, es freut mich, daß Sie gekommen sind. Danke, Ralph.«

»Kein Problem.« Er streckte die Hand über den Schreibtisch aus, schüttelte Leydecker die Hand und ging zur Tür. Er kam sich auf absurde Weise wie Inspektor Columbo im Fernsehen vor - nur die Zigarre und der schäbige Trenchcoat fehlten. Er legte die Hand auf den Türknauf, dann wartete er noch einen Moment und drehte sich um. »Dürfte ich Sie etwas fragen, das überhaupt nichts mit Charlie Pickering zu tun hat?«

»Schießen Sie los.«

»Heute morgen habe ich im Red Apple gehört, daß Mrs. Locher von gegenüber in der Nacht gestorben ist. Das ist nicht überraschend, sie hatte ein Emphysem. Aber zwischen dem Bürgersteig und ihrem Vorgarten sind Absperrungen, auf denen steht, daß das Haus von der Polizei von Derry abgeriegelt wurde. Wissen Sie etwas darüber?«

Leydecker sah ihn so lang und fest an, daß Ralph sich unbehaglich gefühlt hätte… hätte er die Aura des Mannes nicht sehen können. Nichts daran verriet ein Gefühl von Argwohn.

Großer Gott, Ralph, du nimmst das ein bißchen zu ernst, oder nicht?

Nun, vielleicht ja, vielleicht nein. Wie auch immer, er war froh, daß sich das grüne Flackern an den Rändern von Leydeckers Aura nicht wieder eingestellt hatte.

»Warum sehen Sie mich so an?« fragte Ralph. »Tut mir leid, wenn ich mich erdreistet habe, etwas Ungebührliches zu fragen.«

»Ganz und gar nicht«, sagte Leydecker. »Es ist nur ein bißchen unheimlich, das ist alles. Können Sie es für sich behalten, wenn ich es Ihnen erzähle?«

»Ja.«

»Ich mache mir hauptsächlich wegen Ihrem Untermieter Gedanken. Wenn das Wort >Diskretion< genannt wird, denke ich nicht unbedingt an den Prof.«

Ralph lachte herzlich. »Ich werde kein Wort zu ihm sagen Pfadfinderehrenwort -, aber es ist interessant, daß Sie ihn erwähnen; Bill war damals mit Mrs. Locher in der Schule. In der Grundschule.«

»Mann, ich kann mir den Prof überhaupt nicht in der Grundschule vorstellen«, sagte Leydecker. »Sie?«

»Irgendwie schon«, sagte Ralph, aber das Bild, das ihm in den Sinn kam, war ausgesprochen eigentümlich: Bill McGovern, der wie eine Kreuzung zwischen dem kleinen Lord Fauntleroy und Tom Sawyer aussah - mit Knickerbockern, langen weißen Socken… und einem Panamahut.

»Wir sind nicht sicher, was mit Mrs. Locher passiert ist«, sagte Leydecker. »Wir wissen nur, daß kurz nach drei Uhr nachts 911 einen anonymen Anruf von jemandem - einem Mann -bekommen hat, der behauptete, er habe gesehen, wie zwei Männer, einer mit einer Schere bewaffnet, aus Mrs. Lochers Haus gekommen seien.«

»Sie wurde ermordet?« rief er aus und stellte zweierlei gleichzeitig fest: daß er sich glaubwürdiger anhörte, als er je für möglich gehalten hätte, und daß er gerade eine Brücke überquert hatte. Er hatte sie nicht hinter sich verbrannt - noch nicht jedenfalls -, aber er würde nicht mehr auf die andere Seite zurückkehren können, ohne eine Menge Erklärungen abzugeben.

Leydecker kehrte die Handflächen nach oben und zuckte die Achseln. »Wenn, dann jedenfalls nicht mit einer Schere oder einem anderen scharfen Gegenstand. Sie wies keinerlei Verletzungen auf.«

Das zumindest war eine Erleichterung.

»Andererseits ist es möglich, bei der Ausführung eines Verbrechens jemanden zu Tode zu erschrecken - besonders jemanden, der alt und krank ist«, sagte Leydecker. »Wie auch immer, es wird einfacher zu erklären sein, wenn Sie mich einfach erzählen lassen, was ich weiß. Es wird nicht lange dauern, glauben Sie mir.«

»Natürlich. Entschuldigen Sie.«

»Möchten Sie etwas Komisches hören? Als ich den Meldebogen der Notrufannahme 911 gelesen habe, mußte ich zuerst an Sie denken.«

»Wegen der Schlaflosigkeit, richtig?« fragte Ralph. Seine Stimme klang gelassen.

»Und weil der Anrufer behauptete, er hätte diese Männer aus seinem Wohnzimmerfenster gesehen. Ihr Wohnzimmer geht doch auf die Harris Avenue hinaus, oder nicht?«

»Ja.«

»Hm-hmm. Ich wollte mir sogar das Band anhören, aber dann fiel mir ein, daß Sie heute vorbeikommen wollten… und daß Sie wieder durchschlafen. Das stimmt doch, oder nicht?«

Ohne einen Augenblick zu zögern oder zu überlegen, setzte Ralph die Brücke in Brand, die er gerade überquert hatte. »Nun, ich schlafe nicht so gut wie mit sechzehn, als ich nach der Schule zwei Jobs hatte, da will ich Ihnen nichts vormachen, aber wenn ich der Mann war, der gestern nacht 911 angerufen hat, dann muß ich es im Schlaf getan haben.«

»Das habe ich mir auch gedacht. Und außerdem, wenn Sie auf der Straße etwas Ungewöhnliches gesehen hätten, weshalb hätten Sie den Anruf anonym machen sollen?«

»Ich weiß nicht«, sagte Ralph und dachte: Aber angenommen, es war etwas mehr als ungewöhnlich, John? Angenommen, es war vollkommen unmöglich? Ich meine, wir reden hier von kleinen kahlköpfigen Ärzten aus dem Weltraum und leuchtenden Fußabdrücken und Auren, die nur ich sehen kann. Beziehungsweise die nur Ed Deepneau und ich sehen können.

»Ich auch nicht«, sagte Leydecker. »Ihr Haus hat Fenster zur Harris Avenue raus, richtig, aber das haben rund drei Dutzend andere auch… und daß der Anrufer gesagt hat, er hätte sich drinnen aufgehalten, heißt ja noch lange nicht, daß es so war, oder?«

»Wohl nicht. Vor dem Red Apple steht eine Telefonzelle, von der er angerufen haben könnte, und beim Spirituosenladen ist auch eine. Und zwei im Strawford Park, wenn sie funktionieren.«

»Tatsächlich sind es vier im Park, und die funktionieren alle. Wir haben es überprüft.«

»Warum sollte er nicht sagen, von wo er angerufen hat?«

»Höchstwahrscheinlich weil alles andere auch gelogen war. Wie auch immer, Donna Hagen sagte, der Mann hätte sich sehr jung und selbstsicher angehört.« Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, zuckte er zusammen und schlug sich mit der Hand auf die Stirn. »Das war nicht so gemeint, Ralph. Bitte entschuldigen Sie.«

»Schon gut - der Gedanke, daß ich mich wie ein pensionierter alter Furz anhöre, ist nicht gerade neu für mich. Ich bin ein pensionierter alter Furz. Nur weiter.«

»Chris Nell kümmerte sich um den Anruf - er war der erste am Tatort. Sie erinnern sich, er war auch dabei, als wir Ed festgenommen haben.«

»Ich erinnere mich an den Namen.«

»Hm-hmm. Steve Utterback nahm den Notruf als diensthabender Detective entgegen. Er ist ein guter Mann.«

Der mit der Strickmütze, dachte Ralph.

»Die Dame lag tot im Bett, aber Spuren von Gewaltanwendung waren nicht zu sehen. Und es war offensichtlich auch nichts mitgenommen worden, obwohl alte Damen wie May Locher normalerweise nicht viel besitzen, was sich mitzunehmen lohnt

- keinen Videorecorder, keine große teure Stereoanlage, nichts dergleichen. Aber sie hatte einen dieser Böse Waves und zwei oder drei hübsche Schmuckstücke. Was nicht heißen soll, daß es keinen Schmuck gegeben hat, der nicht genauso hübsch oder hübscher gewesen wäre, aber -«

»Aber warum sollte ein Einbrecher einiges und nicht alles nehmen?«

»Genau. Interessanter ist, daß die Eingangstür - wo die beiden Männer laut dem Anrufer angeblich herausgekommen sind -von innen verschlossen war. Und nicht nur mit einem Türschloß, sondern mit Riegel und Kette. Dasselbe übrigens an der Hintertür. Wenn also der Anrufer nicht gelogen hat und May Locher tot war, als die beiden Männer gegangen sind, wer hat dann die Türen abgesperrt?«

Vielleicht war es der Scharlachrote König, dachte Ralph… und hätte es zu seinem Entsetzen fast laut ausgesprochen.

»Ich weiß nicht, was ist mit den Fenstern?«

»Geschlossen. Riegel nach unten. Und falls sich das für Sie noch nicht genug nach Agatha Christie anhört, Steve sagt, daß die Sturmläden geschlossen waren. Ein Nachbar hat gesagt, sie hat erst letzte Woche einen Jungen dafür bezahlt, daß er sie anbringt.«

»Klar, das ha., öie«, sagte Ralph. »Pat Monroe, der auch die Zeitung austrägt. Jetzt fällt mir wieder ein, ich habe ihn dabei gesehen.«

67
{"b":"273188","o":1}