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Ich habe Napirai mit mir genommen, denn sie ist das einzige, was mir geblieben ist. Auch weiß ich, daß ich nie mehr Kinder haben werde. Ohne Napirai könnte ich nicht überleben. Sie ist mein Leben! Bitte, bitte Lketinga, vergib mir! Ich bin nicht länger stark genug, um in Kenia zu leben. Dort war ich immer sehr al ein, hatte niemanden, und Du hast mich wie eine Verbrecherin behandelt. Du merkst es selber nicht, denn dies ist Afrika. Noch einmal sage ich Dir, ich habe nie etwas Unrechtes getan.

Nun mußt Du überlegen, was Du mit dem Shop machen willst. An Sophia schreibe ich ebenfalls, sie kann Dir helfen. Ich schenke Dir das ganze Geschäft. Aber wenn Du es verkaufen willst, mußt Du mit Anil, dem Inder, verhandeln. Von hier aus will ich Dir helfen, so gut ich kann, und wil Dich nicht fal en lassen. Falls Du Probleme hast, sage es Sophia. Die Shopmiete ist bis Mitte Dezember bezahlt, doch wenn Du nicht mehr arbeiten wil st, mußt Du unbedingt mit Anil sprechen. Auch den Wagen schenke ich Dir. Ich lege Dir für ihn ein unterzeichnetes Papier bei. Wenn Du den Wagen verkaufen wil st, bekommst Du mindestens noch 80000 Schillinge, aber Du mußt jemanden Guten finden, der Dir hilft. Danach bist Du ein reicher Mann.

Bitte, Lketinga, sei nicht traurig, Du wirst eine bessere Frau finden, denn Du bist jung und schön. Bei Napirai werde ich Dich in guter Erinnerung halten. Bitte versteh mich! Ich würde in Kenia sterben, und ich denke nicht, daß Du das willst. Meine Familie denkt nicht schlecht von Dir, sie haben Dich immer noch gern, doch wir sind zu verschieden.

Viele Grüße von Corinne und Familie

Lieber James,

ich hoffe, Du bist okay. Ich bin in der Schweiz und sehr traurig. Mir ist jetzt klar, daß ich nie mehr nach Kenia zurückkommen werde. Heute habe ich dies Lketinga geschrieben, denn ich bin nicht länger stark genug, um mit Deinem Bruder zu leben.

Ich fühlte mich sehr allein, weil ich eben weiß bin. Du hast uns erlebt. Ich habe ihm eine Chance in Mombasa gegeben, doch es ist nicht besser, sondern noch schlechter geworden. Dabei habe ich ihn einmal so sehr geliebt! Aber seit dem Krach wegen Napirai hat diese Liebe einen großen Riß bekommen. Seit diesem Tag haben wir uns von morgens bis abends nur noch gestritten. Seine Gedanken sind nur negativ. Ich glaube nicht, daß er weiß, was Liebe ist, denn wenn man jemanden liebt, kann man nicht solche Sachen sagen.

Mombasa war meine letzte Hoffnung, aber er änderte sich nicht. Es war wie im Gefängnis. Wir haben einen guten Laden eröffnet, doch ich glaube nicht, daß er allein dort arbeiten kann. Bitte fahre so schnell wie möglich nach Mombasa, und rede mit ihm! Er hat jetzt niemanden mehr und ist ganz allein. Wenn er den Shop verkaufen will, kann ich mit Anil telefonieren, aber ich muß wissen, was geschehen soll. Auch den Wagen kann er behalten. Please, James, geh so schnel wie möglich nach Mombasa, denn Lketinga braucht Dich sehr, wenn er meinen Brief bekommt.

Ich werde von der Schweiz aus helfen, so gut ich kann. Wenn er alles verkauft, wird er ein reicher Mann sein. Er muß aber vorsichtig sein, denn sonst wird die große Verwandtschaft al es Geld schnell verbrauchen. Ich weiß nicht, wie der Shop funktioniert ohne mich, aber bis jetzt hatten wir ein gutes Geschäft. Bitte gehe nachschauen, denn im Geschäft steckt viel Geld in Form von Goldschmuck und anderem. Ich wil nicht, daß man Lketinga betrügt. Hoffentlich können mir alle das, was ich tun mußte, verzeihen. Käme ich nach Kenia zurück, würde ich dort sehr schnel sterben.

Bitte erkläre al es Mama. Ich liebe sie und werde sie nie vergessen. Leider kann ich ja mit ihr nicht sprechen. Erzähle ihr, daß ich al es versucht habe, mit Lketinga zu leben. Doch sein Kopf lebt in einer anderen Welt. Bitte schreibe schnel zurück, wenn Du diesen Brief bekommen hast. Ich selber habe auch viele Probleme, denn ich weiß nicht, ob ich in der Schweiz bleiben kann. Wenn nicht, wird es Deutschland sein. Für die nächsten drei Monate lebe ich bei meiner Mama.

Liebe Grüße von Corinne

Lieber Pater Giuliano,

ich bin nun seit dem 6. Oktober 1990 in der Schweiz. Nach Kenia werde ich nicht zurückkommen. Ich bin nicht länger stark genug, um mit meinem Ehemann zu leben.

Dies habe ich ihm vor zwei Wochen in einem Brief mitgeteilt. Nun warte ich auf seine Antwort. Es wird ihn hart treffen, denn ich ließ ihn in der Meinung, daß ich nur ferienhalber in die Schweiz reise. Andernfalls hätte er mir nie erlaubt, zusammen mit Napirai das Land zu verlassen.

Wie Sie wissen, haben wir an der Südküste einen tollen Laden eröffnet. Wir hatten vom ersten Tag an ein gutes Geschäft. Doch mit meinem Ehemann ist es nicht besser geworden. Er war so eifersüchtig, auch wenn ich nur mit Touristen sprach. Er hat mir nie vertraut in all den Jahren. In Mombasa war es wie im Gefängnis. Die ganze Zeit haben wir nur noch gestritten, was auch nicht gut für Napirai war.

Das Herz meines Mannes ist gut, doch in seinem Kopf stimmt etwas nicht. Es ist sehr hart für mich, das zu sagen, doch ich bin mit dieser Meinung nicht allein. Alle unsere Freunde haben uns verlassen. Selbst einige Touristen bekamen Angst vor ihm. Es war nicht jeden Tag gleich schlimm, doch zuletzt fast täglich. Ich habe ihn mit allem zurückgelassen, Shop, Auto etc. Er kann al es verkaufen und als reicher Mann nach Barsaloi zurückkehren. Ich wäre glücklich, wenn er eine gute Frau und viele Kinder bekommen würde.

Ich lege noch ein paar Kenia-Schil inge in diesen Brief die sie der Mutter meines Mannes geben können. Auf der Barclays Bank habe ich noch Geld. Vielleicht könnten Sie dafür sorgen, daß die Mama dieses Geld erhält? Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar. Bitte geben Sie mir Bescheid.

Ich habe Ihnen diesen Brief geschrieben, damit Sie mich verstehen, wenn Sie eines Tages von diesen Geschehnissen hören. Sie können mir glauben, ich habe mein Bestes versucht. Ich hoffe, auch Gott kann mir verzeihen.

Viele Grüße von Corinne und Napirai

Hallo Sophia!

Gerade eben habe ich Deinen und Lketingas Anruf erhalten. Ich bin sehr traurig und nur noch am Weinen. Ich habe Dir jetzt gesagt, daß ich nicht mehr zurückkomme. Es ist die Wahrheit. Es war mir klar, noch bevor ich die Schweiz erreicht hatte. Du kennst meinen Mann auch ein bißchen. So sehr habe ich ihn geliebt wie niemanden vorher in meinem Leben! Für ihn war ich bereit, ein richtiges Samburu-Leben zu führen.

Dabei wurde ich so oft krank in Barsaloi, doch ich blieb da, weil ich ihn liebte.

Vieles hat sich verändert, seit ich Napirai zur Welt brachte. Eines Tages hat er behauptet, dieses Kind sei nicht von ihm. Seit diesem Tag ist meine Liebe zerbrochen. Die Tage sind vergangen mit Höhen und Tiefen, und er hat mich oft schlecht behandelt.

Sophia, ich sage Dir bei Gott, ich hatte nie einen anderen Mann, nie! Dennoch mußte ich mir dies von morgens bis abends anhören. In Mombasa habe ich meinem Mann und mir noch eine Chance gegeben. Aber so kann ich nicht weiterleben. Er selbst merkt es nicht einmal! Ich habe alles aufgegeben, sogar mein Heimatland.

Sicher habe auch ich mich verändert, doch ich denke, das ist unter diesen Umständen normal. Es tut mir sehr leid für ihn und für mich. Wo ich in Zukunft bleiben kann, weiß ich noch nicht.

Mein größtes Problem ist Lketinga. Er hat nun niemanden mehr für den Shop, den er nicht managen kann. Bitte laß mich wissen, ob er ihn behalten will. Ich wäre froh, wenn er damit zurecht käme, wenn nicht, soll er alles verkaufen. Das gleiche gilt für den Wagen. Napirai bleibt bei mir. Ich weiß, sie ist so glücklicher. Bitte, Sophia, kümmere Dich ein bißchen um Lketinga, er wird nun viele Probleme haben. Leider kann ich ihm nicht viel helfen. Wenn ich nochmals nach Kenia käme, würde er mich niemals mehr in die Schweiz zurücklassen.

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