Литмир - Электронная Библиотека
A
A

Irgend etwas geht vor, ich sehe es am Gesichtsausdruck meines Mannes. Er ist wütend, und es wird heftig debattiert, während der Boy etwas abseits lässig zuschaut. Immer wieder höre ich „Duka“, „Shop“. Da ich weiß, daß der Chief Englisch spricht, will ich von ihm wissen, um was es geht. Ich bekomme keine Antwort, statt dessen geben sich alle die Hand, und Lketinga schleicht verstört davon. Mit drei Schritten bin ich neben ihm, packe ihn bei der Schulter und wil wissen, was hier abgelaufen ist. Müde dreht er sich zu mir um und erzählt, er müsse dem Boy noch fünf Ziegen abgeben für seine Arbeit im Shop, ansonsten droht ihm der Vater des Boys mit einer Anzeige bei der Polizei. Er will aber nicht ins Gefängnis. Ich verstehe überhaupt nicht, was los ist.

Eindringlich frage ich meinen Mann, ob der Boy seinen Lohn jeden Monat bekommen hat. „Yes, Corinne, I don't know, why they want five goats, but I don't want to go again in prison, I'm a good man. The father of this boy is a big man!“

Ich kann Lketinga glauben, daß er das Geld bezahlt hat. Ihm mit Gefängnis zu drohen für nichts und wieder nichts ist wirklich das letzte, das ich ertragen kann, zumal dieser Boy schuld daran ist. Wutentbrannt stürze ich auf ihn los und schreie ihn an: „What do you want from me?“ „From you nothing, only from your husband“, lächelt er mich blöde an. Nun kann ich nicht mehr an mich halten und schlage und trete blindlings auf ihn ein. Er will ausweichen, doch ich erwische sein Hemd und zerre ihn heran, während ich ihn lauthals mit deutschen Flüchen eindecke und anspucke.

Die umstehenden Männer halten mich fest, und Napirai schreit wie am Spieß.

Inzwischen ist Lketinga da und sagt ärgerlich: „Corinne, you are crazy, go home!“

„I'm not crazy, really not crazy, but if you give goats to this boy, I don't open again this shop!“

Der Boy wird von seinem Vater festgehalten, sonst würde er mich sicher anfallen.

Wütend reiße ich mich los und laufe mit der schreienden Napirai nach Hause. Ich verstehe meinen Mann nicht, warum er sich so einschüchtern läßt und kann auch den Chief nicht begreifen. Ab jetzt werde ich mir jeden Handgriff bezahlen lassen.

Niemand kommt mehr in unseren Wagen, ohne vorher bezahlt zu haben! Viele starren mich an, als ich an ihnen vorbeirase, doch mir ist es egal. Mir ist klar, daß ich den Burschen und seinen Vater schwer beleidigt habe, denn hier schlagen die Frauen keine Männer, eher umgekehrt.

Es dauert nicht lange, und Lketinga kommt mit dem Chief nach Hause. Sofort wollen sie wissen, warum ich das gemacht habe. Mein Mann ist verstört und entsetzt, was mich gleich wieder aufbrausen läßt. Dem Chief lege ich unser Kreditbuch auf den Tisch, damit er sieht, wie viele tausend Schillinge wir wegen des Burschen ausstehen, wenn nicht verloren haben. Außerdem steht er selbst mit über 300

Schillingen bei uns in der Kreide. Und so einer will fünf Ziegen, was einen halben Jahreslohn bedeutet! Nun dämmert es auch dem Chief, und er entschuldigt sich für seinen Entscheid. Wir müssen aber einen Weg finden, uns mit dem Alten zu einigen, da Lketinga bereits mit Handschlag das Urteil akzeptiert hat.

Höflichkeitshalber muß ich für den Chief Tee kochen. Ich entzünde die Holzkohle in unserem Öfchen und stelle es ins Freie, damit der Luftzug die Kohle schnel er zum Glühen bringt. Es ist eine sternenklare Nacht. Gerade wil ich zurück ins Haus, als ich nur ein paar Meter von mir entfernt eine Gestalt mit einem blitzenden Gegenstand bemerke. Augenblicklich verspüre ich Gefahr und trete sofort ins Haus, um meinen Mann zu informieren. Er geht hinaus, und ich folge dicht hinter ihm. Der Chief bleibt in der Hütte. Ich höre Lketinga fragen, wer hier sei. Kurz darauf erkenne ich die Stimme und die Gestalt des Boys, der eine Machete in der Hand hält. Böse frage ich, was er hier zu suchen habe. Er antwortet kurz, er sei hier, um mit der „Mzungu“

abzurechnen. Sofort stürze ich ins Haus zurück und frage den Chief, ob er alles gehört habe. Er nickt und kommt nun ebenfalls heraus.

Erschrocken wil der Bursche wegrennen, doch Lketinga hält ihn fest und nimmt ihm die gefährliche Machete aus der Hand. Triumphierend schaue ich den Chief an, nun sei er Zeuge eines Mordversuchs geworden. Er sol ihn festnehmen, und morgen fahren wir al e zusammen nach Maralal. Diesen gemeingefährlichen Idioten will ich nicht mehr in unserer Nähe sehen. Der Bursche versucht, al es abzuwiegeln, doch ich bestehe auf einer Festnahme. Der Chief geht mit dem Burschen weg. Mein Mann verschwindet auch, und ich verriegle zum ersten Mal die Haustür.

Kurze Zeit später klopft es. Nach vorsichtigem Nachfragen öffne ich dem Veterinär.

Er hat den Lärm gehört und will wissen, was passiert ist. Ich biete ihm Tee an und erzähle den Vorfall. Er bestätigt mich in meinem Vorhaben und bietet mir seine Hilfe an. Ohnehin hat er nie verstanden, warum wir diesen verrückten Burschen bei uns arbeiten ließen, denn er hat schon manches angerichtet, das sein Vater ausbügeln mußte. Während wir uns unterhalten, kommt mein Mann nach Hause. Verdutzt schaut er zum Veterinär und dann zu mir. Der Veterinär beginnt ein Gespräch mit ihm. Ich verabschiede mich und krieche unter das Moskitonetz zu meiner Napirai.

Der Vorfal geht mir nicht aus dem Kopf, und ich habe Mühe einzuschlafen. Später kommt Lketinga ebenfalls ins Bett. Er versucht, mit mir zu schlafen. Ich habe überhaupt kein Verlangen, außerdem liegt Napirai bei uns. Aber er will einfach wieder einmal Sex. Wir probieren es, doch es tut mir wahnsinnig weh. Wütend vor Schmerz stoße ich ihn weg und verlange Geduld von ihm, schließlich ist Napirai erst fünf Wochen alt. Lketinga versteht meine Abweisung nicht und behauptet ärgerlich, ich hätte es wohl schon mit dem Veterinär getrieben. Als er mir das an den Kopf wirft, habe ich endgültig genug für heute. Ich breche in Tränen aus, doch sprechen kann und will ich nicht mehr. Das einzige, was ich ihm erwidere, ist, daß er heute nicht hier im Bett schlafen kann. Seine Nähe könnte ich im Moment, nach diesem Vorwurf und nach al em, was ich heute erlebt habe, nicht mehr ertragen. So richtet er sich ein Nachtlager im vorderen Raum ein. Napirai kommt in der Nacht zwei- bis dreimal an die Brust, anschließend müssen die Windeln gewechselt werden.

Um etwa sechs Uhr morgens, als sie sich gerade wieder meldet, klopft es an unsere Tür. Es wird wohl der Chief sein, doch bin ich nach unserer Auseinandersetzung nicht mehr in der Stimmung, nach Maralal zu fahren. Lketinga öffnet, und vor der Tür steht der Vater des Boys mit dem Chief. Während ich in meinen Rock steige, wird draußen heftig debattiert. Nach einer halben Stunde kommt mein Mann mit dem Chief in unser Haus. Es fäl t mir schwer, die Männer anzusehen.

Der Chief gibt mir eine Entschuldigung des Boys und dessen Vater weiter und erklärt, wenn wir nicht nach Maralal fahren würden, sei der Vater bereit, uns fünf Ziegen zu geben. Ich entgegne ihm, daß damit mein Leben nicht außer Gefahr sei, vielleicht versuche er es morgen oder übermorgen wieder, in Maralal hingegen verschwinde er für zwei bis drei Jahre im Gefängnis.

Der Chief teilt dem alten Mann meine Bedenken mit. Er verspricht mir, den Burschen für eine Weile zu Verwandten zu bringen. Auf meinen Wunsch hin bürgt er dafür, daß sein Sohn nie wieder näher als 150 Meter an unser Haus herankommt.

Nachdem mir der Chief diese Vereinbarung schriftlich bestätigt hat, bin ich einverstanden. Lketinga geht mit dem Alten die Ziegen abholen, bevor sie den Kral verlassen.

Ich bin froh, daß er fort ist, und gehe gegen Mittag zur Mission, um meine Tochter zu zeigen. Pater Giuliano hat sie seit Wamba nicht mehr gesehen, und Pater Roberto kennt sie überhaupt noch nicht. Beide freuen sich sehr über meinen Besuch.

Aufrichtig bewundert Pater Giuliano mein schönes Mädchen, das ihm neugierig ins weiße Gesicht schaut. Als er hört, daß mein Mann unterwegs ist, lädt er mich zum Mittagessen ein. Ich bekomme hausgemachte Teigwaren und Salat. Wie lange habe ich keinen Salat mehr gegessen! Ich komme mir vor wie im Schlaraffenland.

66
{"b":"154432","o":1}