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Am nächsten Tag gehe ich lustlos arbeiten. Kaum habe ich geöffnet, erscheint der Lehrer und bedankt sich überschwenglich für meine Hilfe, fragt dabei aber nicht einmal, wie es seiner Frau ergangen ist. So ein Heuchler!

Etwas später kommt Pater Giuliano und läßt sich von mir berichten. Ihm tut es leid, was wir durchmachen mußten, und es ist für mich kein Trost, daß er mir die Fahrt großzügig entschädigt. Der Frau gehe es der Situation entsprechend gut, was er über Radiocall erfahren habe.

Der Streß im Laden nimmt mich mehr mit, als ich wahrhaben will. Seit diesem Erlebnis schlafe ich schlecht und träume in Hinblick auf meine Schwangerschaft nur schreckliche Dinge. Am dritten Morgen nach dem Ereignis bin ich so zerschlagen, daß ich Lketinga allein in den Shop schicke. Er soll mit Anna arbeiten. Ich sitze zu Hause mit Mama unter dem großen Baum. Nachmittags kommt der Arzt vorbei und erzählt mir, die Lehrersfrau sei über dem Berg, müsse aber noch ein paar Wochen in Maralal bleiben.

Wir unterhalten uns über das Geschehen, und er versucht, mein Gewissen zu beruhigen, indem er sagt, es sei nur so gekommen, weil sie dieses Kind gar nicht haben wollte. Sie hätte mit ihrer mentalen Kraft den Wagen zum Stillstand gebracht.

Zum Abschied fragt er mich, was mit mir los sei. Ich erwähne meinen schlappen Zustand, den ich den letzten Aufregungen zuschreibe. Besorgt warnt er mich vor einer eventuel en Malaria, weil meine Augen einen gelben Stich haben.

Angst um mein Kind

Abends wird bei uns ein Schaf geschlachtet. Noch nie hatte ich hier Schaffleisch, deshalb bin ich richtig neugierig. Mama bereitet unseren Anteil zu. Sie kocht mehrere Stücke einfach in Wasser. Tassenweise trinken wir den fetten, aber faden Sud.

Mama meint, das sei gut, wenn man schwanger ist und kräftiger werden muß.

Offensichtlich vertrage ich es nicht, denn in der Nacht bekomme ich Durchfall.

Gerade noch kann ich meinen Mann wecken, der mir hilft, das Tor vom Dornengestrüpp zu öffnen, dann schaffe ich keine zwanzig Meter mehr.

Der Durchfall nimmt kein Ende. Ich schleppe mich zurück zu unserer Manyatta, und Lketinga ist ernsthaft besorgt um mich und unser Kind. Am frühen Morgen erlebe ich das gleiche und muß anschließend erbrechen. Mich fröstelt trotz der enormen Hitze. Nun bemerke ich auch meine gelben Augen und schicke Lketinga zur Mission.

Ich habe Angst wegen des Kindes, denn ich bin sicher, daß das der Anfang der nächsten Malaria ist. Es dauert keine zehn Minuten, bis ich den Missionswagen höre und Pater Giuliano unsere Hütte betritt. Als er mich sieht, fragt er, was passiert ist.

Zum ersten Mal erzähle ich ihm, daß ich im fünften Monat schwanger bin. Er ist überrascht, weil er nichts davon bemerkt hatte. Sofort schlägt er vor, mich nach Wamba ins Missionsspital zu bringen, da ich sonst viel eicht das Kind durch eine Frühgeburt verlieren könnte. Ich packe gerade noch ein paar Sachen, dann fahren wir. Lketinga bleibt zurück, weil wir ja den Shop geöffnet haben.

Pater Giuliano besitzt einen Wagen, der komfortabler als meiner ist. Er fährt halsbrecherisch, doch er kennt die Straße sehr gut. Trotzdem habe ich Mühe, mich festzuhalten, weil ich mit einer Hand meinen Bauch stütze. Gesprochen wird nicht viel auf der knapp dreistündigen Fahrt zum Missionsspital. Wir werden von zwei weißen Schwestern erwartet. Von ihnen gestützt werde ich in ein Untersuchungszimmer geführt, wo ich mich auf ein Bett legen kann. Ich staune über die Sauberkeit und Ordnung. Dennoch erfaßt mich, so hilflos auf dem Bett liegend, eine tiefe Traurigkeit. Als Giuliano hereinkommt, um sich zu verabschieden, schießen mir die Tränen aus den Augen. Erschrocken fragt er, was los ist. Ich weiß es ja selbst nicht! Ich habe Angst um mein Kind. Außerdem habe ich meinen Mann mit dem Shop al ein gelassen. Er versucht, mich zu beruhigen und verspricht, jeden Tag nach dem Rechten zu sehen und über Radiocal der Schwester die Neuigkeiten durchzugeben. Bei all dem Verständnis, das er mir entgegenbringt, heule ich wieder los.

Er holt eine Schwester, und ich bekomme eine Spritze. Dann erscheint der Arzt, der mich untersucht. Als er hört, in welchem Monat ich schwanger bin, äußert er besorgt, ich sei viel zu dünn und habe zu wenig Blut. Das Kind sei deshalb viel zu klein. Dann folgt die Diagnose: Malaria im Anfangsstadium.

Ängstlich frage ich, welche Folgen das für mein Kind hat. Er winkt ab und meint, erst müsse ich mich erholen, dann passiert auch dem Kind nichts mehr. Wäre ich später gekommen, hätte der Körper infolge Blutarmut die frühzeitige Geburt selber eingeleitet. Aber es besteht gute Hoffnung, auf jeden Fall lebt das Kind. Bei diesen Worten bin ich so glücklich, daß ich al es daran setzen wil, so schnell wie möglich gesund zu werden. Ich werde in der Geburten-Abteilung in einem Vierbett-Zimmer einquartiert.

Draußen blühen rote Blumenbüsche, al es ist anders als in Maralal. Ich bin froh, so schnel gehandelt zu haben. Die Schwester kommt und erklärt mir, ich werde täglich zwei Spritzen bekommen und gleichzeitig eine Infusion mit Kochsalzlösung. Dies sei dringend nötig, sonst trockne der Körper aus. So ist also Malaria zu behandeln, und ich begreife, wie knapp ich in Maralal mit dem Leben davongekommen bin. Die Schwestern kümmern sich rührend um mich. Am dritten Tag bin ich endlich von der Infusion befreit. Die Spritzen muß ich allerdings zwei weitere Tage über mich ergehen lassen.

Im Geschäft sei al es bestens, höre ich von den Schwestern. Ich fühle mich wie neu geboren und kann es nicht erwarten, endlich nach Hause zu meinem Mann zu kommen. Am siebten Tag erscheint er mit zwei Kriegern. Ich freue mich sehr, wundere mich aber trotzdem, wieso er das Geschäft verlassen hat. „No problem, Corinne, my brother is there!“

antwortet er lachend. Dann erzählt er, Anna habe er rausgeworfen, da sie uns bestohlen und zum Teil Lebensmittel verschenkt habe. Das kann ich nicht glauben und frage ängstlich, wer mir in Zukunft helfen soll. Er habe einen Burschen eingestellt, der von seinem älteren Bruder und von ihm kontrolliert werde. Nun muß ich fast lachen, denn wie zwei Analphabeten einen ehemaligen Schüler kontrollieren wollen, ist mir ein Rätsel. Außerdem sei der Shop fast leer. Deshalb sei er mit dem Landrover hier und wol e weiter nach Maralal, um mit den beiden Kriegern einen Laster zu organisieren. Entsetzt frage ich: „Mit welchem Geld?“ Er zeigt mir seine Tasche voller Geldscheine. Er habe al es bei Pater Giuliano geholt. Ich überlege fieberhaft, was zu tun ist. Wenn er mit diesen beiden Kriegern nach Maralal fährt, wird er ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Das Geld liegt ungebündelt in seiner Plastiktasche, und er weiß nicht mal, wieviel es ist.

Noch während ich nachdenke, kommt die Arztvisite, und die Krieger müssen hinaus. Der Arzt meint, die Malaria sei für diesmal besiegt. Ich bitte um meine Entlassung, die er mir für morgen verspricht. Nur arbeiten sol ich nicht viel, mahnt er.

Spätestens drei Wochen vor dem Geburtstermin sol e ich mich im Spital einfinden.

Ich bin erleichtert über meine Entlassung und teile es Lketinga mit. Auch er freut sich und verspricht, mich morgen abzuholen. Sie selber werden in Wamba ein Lodging nehmen.

Für die Fahrt nach Maralal übernehme ich das Steuer, und wie immer, wenn mein Mann dabei ist, gibt es keine Schwierigkeiten. Wir können bereits für den nächsten Tag einen Lastwagen buchen. Im Lodging zähle ich das Geld, das Lketinga dabei hat. Zu meinem Entsetzen stel e ich fest, daß einige tausend Kenia-Schil inge fehlen, um die Ladung zu bezahlen. Ich befrage Lketinga, und er meint ausweichend, es gebe noch einiges im Lager. So bleibt mir nichts anderes übrig, als wieder Geld abzuholen, statt Gewinn auf die Bank zu bringen. Aber, ich freue mich, daß wir so schnel nach Barsaloi zurückkehren können. Schließlich war ich mehr als zehn Tage nicht mehr zu Hause.

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