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Als ich wieder ruhiger atmen kann, versuche ich, ihm meinen Orgasmus zu erklären. Doch er versteht das nicht und lacht nur ungläubig. So etwas gibt es nur bei den Weißen, ist seine Erkenntnis. Glücklich und müde schlafe ich schließlich ein.

Am frühen Morgen kaufen wir richtig ein: Reis, Kartoffeln, Gemüse, Früchte, sogar Ananas. Auch das zweite Benzinfaß können wir auffül en, da es wie zum Hohn in Maralal wieder Benzin gibt. Voll beladen machen wir uns auf die Heimreise. Zwei Samburu-Männer nehmen wir auch noch mit.

Lketinga will den kürzeren Weg durch den Busch fahren. Ich habe meine Zweifel, doch in seiner Gegenwart schwinden sie schnell. Die Fahrt verläuft gut, bis wir an den schrägen Teil gelangen. Da die gefüllten Fässer das Schaukeln des Fahrzeugs verstärken, bitte ich die beiden Mitfahrenden, al es Eingekaufte und sich selber auf der Bergseite zu plazieren, denn ich habe Angst, der Wagen könnte kippen. Keiner spricht, als ich die zweihundert Meter in Angriff nehme. Wir schaffen es, und das Geschnatter im Auto geht weiter. Bei den Felsen müssen al e aussteigen, und Lketinga lotst mich gut über die großen Brocken. Als das ebenfalls gelungen ist, fühle ich mich erleichtert und stolz. Problemlos erreichen wir Barsaloi.

Alltagsleben

Die nächsten Tage können wir richtig genießen. Es ist genug Eßbares da und Benzin in Hülle und Fülle. Täglich besuchen wir Verwandte mit dem Auto oder gehen Feuerholz schlagen, das wir mit dem Wagen nach Hause bringen. Ab und zu fahren wir zum River, vol ziehen unser Waschritual und bringen für halb Barsaloi die Wasserkanister mit hoch, manchmal bis zu zwanzig Stück. Diese kleineren Ausflüge verbrauchen viel von unserem kostbaren Benzin, so daß ich Einspruch erhebe. Doch es entsteht jedesmal eine große Debatte.

Heute morgen, berichtet ein Moran, habe eine seiner Kühe gekalbt. Dieses Ereignis müssen wir besichtigen. Wir fahren nach Sitedi. Da dies keine offiziel e Straße ist, muß ich ständig aufpassen, daß wir nicht über Dornen fahren. Wir besuchen im Kral seinen Halbbruder. Hier sind die Kühe abends versammelt.

Deshalb stapfen wir durch Mengen von Kuhfladen, die Tausende von Fliegen anziehen. Lketingas Halbbruder zeigt uns das neugeborene Kalb. Die Mutterkuh bleibt am ersten Tag zu Hause. Lketinga strahlt, während ich mit den Fliegen kämpfe. Meine Plastiksandalen versinken im Kuhmist. Jetzt sehe ich den Unterschied zwischen unserem Kral ohne Kühe und diesem. Nein, hier wil ich nicht lange bleiben.

Wir werden zu Chai eingeladen, und Lketinga führt mich in die Hütte seines Halbbruders und dessen junger Frau, die ein zwei Wochen altes Baby hat. Sie scheint erfreut über unseren Besuch. Es wird viel geschwatzt, aber ich verstehe kein Wort. Die Scharen von Fliegen machen mich völlig fertig. Während des Teetrinkens halte ich ständig die Hand über den heißen Becher, damit ich wenigstens keine verschlucke. Das Baby hängt nackt in einem Kanga an der Mutter. Als ich mit der Hand auf den Kanga deute, da das Baby unbemerkt sein Geschäftchen erledigt, lacht die Frau, nimmt das Kind heraus und putzt es, indem sie auf den Po spuckt und ihn abreibt. Kanga und Rock werden ausgeschüttelt und mit Sand trocken gerieben.

Mich würgt es bei der Vorstellung, daß dies täglich mehrmals passiert und so das Säuberungsritual vor sich geht. Ich spreche Lketinga darauf an, doch er meint, das sei normal. Jedenfalls helfen die Fliegen mit, die Überreste verschwinden zu lassen.

Als ich nun endlich nach Hause will, teilt Lketinga mir mit: „Das geht nicht, heute schlafen wir hier!“ Er will bei der Kuh bleiben, und sein Halbbruder möchte für uns eine Ziege schlachten, da auch seine Frau dringend Fleisch benötige nach der Geburt. Der Gedanke, hier zu übernachten, läßt mich fast in Panik geraten.

Einerseits darf ich die Gastfreundschaft nicht verletzen, andererseits fühle ich mich hier wirklich verloren.

Lketinga ist die meiste Zeit mit anderen Kriegern bei den Kühen, und ich sitze währenddessen mit drei Frauen in der dunklen Hütte und kann kein Wort sprechen.

Sie reden ganz offensichtlich über mich oder kichern komisch. Eine prüft meine weiße Haut am Arm, die andere greift mir in die Haare. Die langen, hellen Haare verunsichern sie sehr. Alle haben rasierte Schädel, dafür sind sie geschmückt mit farbigen Perlenstirnbändern und langen Ohrringen.

Die Frau stil t wieder ihr Baby und hält es mir kurz darauf entgegen. Ich nehme es in den Arm, kann mich aber nicht recht erwärmen, da ich befürchte, daß es mir bald ähnlich ergehen wird wie vorher der Mama. Es ist mir schon klar, daß es hier keine Windeln gibt, doch kann ich mich im Moment noch nicht daran gewöhnen. Nachdem ich es eine Weile bestaunt habe, reiche ich es erleichtert zurück.

Lketinga schaut in die Hütte. Ich frage ihn, wo er so lange war. Lachend erklärt er mir, er trinke mit den Kriegern Milch. Nachher wol en sie die Ziege töten und uns gute Stücke bringen. Er muß wieder im Busch essen. Ich will mitkommen, doch diesmal geht es nicht. Der Kral ist riesig, und es sind zu viele Frauen und Krieger hier. Also warten wir ungefähr zwei Stunden, bis unser Fleischanteil gebracht wird.

Mittlerweile ist es dunkel, und die Frau kocht unser Fleisch. Wir sind drei Frauen und vier Kinder, die sich eine halbe Ziege teilen. Die andere Hälfte hat Lketinga mit seinem Halbbruder verzehrt. Als ich satt bin, krieche ich aus der Hütte und geselle mich zu meinem Massai und den anderen Kriegern, die abseits bei den Kühen hocken. Ich frage Lketinga, wann er schlafen kommt. Er lacht: „O no, Corinne, here I cannot sleep in this house together with ladies, I sleep here with friends and the cows.“

Mir bleibt nichts anderes übrig, als zurück zu den fremden Frauen zu kriechen. Es ist die erste Nacht ohne Lketinga, und seine Wärme fehlt mir sehr. An meinem Kopfende in der Hütte sind drei kleine neugeborene Ziegen befestigt, die immer wieder meckern. In dieser Nacht schlafe ich nicht. Am frühen Morgen ist das Treiben viel größer als bei uns in Barsaloi. Hier müssen nicht nur die Ziegen gemolken werden, sondern auch die Kühe. Überal meckert und muht es ungeduldig. Das Melken besorgen die Frauen oder Mädchen. Nach dem Chai brechen wir endlich auf.

Mich überkommt geradezu ein Hochgefühl, wenn ich an unsere saubere Manyatta mit dem vielen Essen und an den River denke. Unser Landrover ist voll besetzt mit Frauen, die ihre Milch in Barsaloi verkaufen wollen. Sie sind froh, daß sie heute nicht den weiten Weg laufen müssen. Es dauert nicht lange, bis Lketinga drängt, er wolle auch mal steuern. Mit allen Mitteln versuche ich ihn davon abzubringen. Bald finde ich keine überzeugenden Worte mehr, da die Frauen Lketinga anscheinend anstacheln. Er greift mir ständig ins Steuer, bis ich entnervt anhalte. Stolz steigt er auf den Fahrersitz, und al e Frauen klatschen. Mir ist elend zumute, und verzweifelt versuche ich, ihm wenigstens noch Gas und Bremse zu erklären. Er wehrt ab: „I know, I know“,

rumpelt los und strahlt vor Glück. Ich kann dieses Glück nur für Sekunden teilen, denn schon nach etwa hundert Metern rufe ich: „Slowly, slowly!“

Lketinga jedoch wird schnel er statt langsamer und steuert geradewegs auf einen Baum zu. Er scheint alles zu verwechseln. Ich schreie: „Langsam, mehr links!“ In meiner Panik reiße ich kurz vor dem Baum das Steuer nach links. So entkommen wir zwar einer Frontalkol ision, aber der Wagen hängt mit dem Kotflügel am Baum, der Motor stirbt ab.

Jetzt kann ich mich nicht mehr beherrschen. Ich steige aus, schaue mir den Schaden an und schlage auf das verdammte Fahrzeug ein. Die Frauen kreischen, aber nicht wegen des Unfalls, sondern weil ich einen Mann anschreie. Lketinga steht neben mir und ist völlig fertig. Das wollte er nicht. Verstört packt er seine Speere und wil zu Fuß nach Hause. Nie mehr will er in dieses Auto steigen. Als ich ihn so sehe, nachdem er zwei Minuten zuvor noch so lustig war, tut er mir leid. Ich fahre den Landrover rückwärts, und da al es noch funktioniert, bringe ich Lketinga soweit, daß er wieder einsteigt. Der Rest der Fahrt verläuft schweigend, und ich male mir schon jetzt die Blamage in Maralal aus, wenn die Mzungu mit dem verbeulten Fahrzeug ankommt.

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