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„Woher wißt Ihr, daß ich dort war?“

Catherine widmete ihm einen verächtlichen Blick. „Nun, ich wußte, daß Ihr mit Tuan Loguire gesprochen habt — und wo sonst, als im Haus Clovis?“

Und woher wußte sie, daß er mit Tuan zusammengewesen war? Tuan — Loguire? Loguire! „Verzeiht, Majestät, sagtet Ihr tatsächlich Tuan Loguire? Ich dachte, sein Name sei — uh -

McReady.“

Catherine lachte. „O nein! Er ist der zweite Sohn des Hohen Lords Loguire. Wußtet Ihr das denn nicht?“

Zweiter Sohn! Dann war Tuan selbst der Narr, den er als solchen bezeichnet hatte! Und sein älterer Bruder war der Mann, der einen „alten Groll gegen die Königin“ hegte und der eine der Hauptbedrohungen für den Thron war. „Nein“, murmelte Rod. „Das wußte ich nicht.“ Gekabs Stimme murmelte: „Die Daten deuten auf das Vorhandensein eines ausgezeichneten Nachrichtendienstes hin.“ Rod stöhnte innerlich. Roboter waren vielleicht eine Hilfe! Er starrte Catherine an: „Ihr sagtet, Ihr hättet keine Spione im Haus Clovis, und wenn anzunehmen ist, daß Ihr die Wahrheit sprecht, bedeutet das…“

Er ließ den Satz unbeendet. Gekab würde schon für den Rest sorgen. Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann summte es heftig hinter Rods Ohr, und schließlich klickte es. Rod fluchte lautlos. Wenn Catherine keine Spione hatte, konnte sie logischerweise nicht wissen, was sie wußte. Er hatte damit also Gekab wieder einmal ein Paradoxon zu lösen gegeben, und der Schaltkreis des Roboters war kurzgeschlossen. Epileptische Roboter konnten einem schon zur Verzweiflung bringen! Catherine funkelte ihn an. „Natürlich spreche ich die Wahrheit!“

„Das bezweifle ich auch nicht. Aber Ihr seid schließlich eine Herrscherin und so erzogen. Und gewiß war eine der ersten Lektionen, zu lügen, ohne eine Miene zu verziehen.“ Catherines Gesicht erstarrte. Sie beugte den Kopf und betrachtete ihre Hände. Als sie wieder hochschaute, waren ihre Züge gespannt, und sie hatte die Maske abgelegt. Ihre Augen wirkten gequält. „Wieder einmal trog meine Ahnung mich nicht“, murmelte sie. „Ihr versteht mehr als nur das Soldatenhandwerk, Rod Gallowglass!“

Rod nickte schwer. Er hatte einen weiteren Fehler begangen. Söldner beschäftigen sich nicht mit Politik. „Sagt mir, wie Ihr heute abend ins Haus Clovis kamt.“ „Meine Königin“, erwiderte Rod ernst. „In einer Gasse war ein

Mann von drei Schurken überfallen worden. Ich stand ihm bei, und er nahm mich mit ins Haus Clovis, um mir mit einem Krug Wein zu danken. Auf diese Weise lernte ich Tuan Loguire kennen.“

Sie zog nachdenklich die Brauen zusammen. „Wenn ich Euch nur glauben könnte“, murmelte sie. Wieder ließ sie Schultern und Kopf hängen. „Ich werde in der Stunde der Wahrheit, die bevorsteht, alle meine Freunde brauchen“, murmelte sie. „Und ich glaube, Ihr seid der wahrste meiner Freunde, wenn ich auch nicht sagen kann, weshalb.“ Sie hob den Kopf zu ihm, und da sah er, daß ihre Augen tränenverschleiert waren. „Die Zeit ist nah, da jeder der Hohen Lords sich für oder gegen mich entscheiden muß, und ich fürchte, nur wenige werden meinem Banner folgen.“

Sie trat näher zu ihm, mit einem zitternden Lächeln auf den Lippen. Rods Herz pochte heftig in seinen Ohren. Dicht vor ihm blieb sie stehen und berührte das Medaillon um ihren Hals.

„Werdet Ihr mir an jenem Tag zur Seite stehen, Rod Gallowglass?“

Rod nickte verlegen und murmelte ein Ja. In diesem Moment hätte er ihr sicher die gleiche Antwort gegeben, selbst wenn sie seine Seele verlangt hätte. Und dann plötzlich war sie in seinen Armen, geschmeidig, grazil, und ihre Lippen vereinten sich mit seinen.

Einen zeitlosen Augenblick später senkte sie den Kopf und machte einen Schritt zurück, doch sie hielt sich an seinem Arm fest, als brauchte sie eine Stütze.

„Ich bin eine schwache Frau!“ murmelte sie. „Geht jetzt, Rod Gallowglass, mit dem Dank einer Königin.“ Sie sagte noch etwas, das Rod nicht so recht verstand, und irgendwie fand er sich auch schon vor der Tür in dem fackelerhellten Korridor.

Was immer man auch von ihren politischen Fähigkeiten halten mag, dachte er, sie versteht jedenfalls, einen Mann in ihre Dienste zu binden.

Er stolperte und fing sich. Das, wogegen er geprallt war, schob eine Hand an seine Hüfte, um ihn zu stützen. „Paß doch auf deine großen Füße auf“, brummte Brom O'Berin, „ehe du dir den Kopf einschlägst und die Fliesen beschmutzt.“ Der Zwerg studierte ihn besorgt, doch dann nickte er befriedigt. „Was brachte die Unterredung mit Catherine, Rod Gallowglass?“ fragte er.

„Was sie brachte?“ fragte Rod stirnrunzelnd. „Nun, ich leistete ihr den Treueid…“

„Ah!“ Brom nickte und es wirkte fast mitleidig. „Was mehr könntest du verlangen!“

Ja, was mehr konnte er verlangen? Er straffte das Kinn und plötzlicher Ärger stieg in ihm auf. Dieses Mädchen bedeutete ihm nichts — sie war nur eine Figur in dem großen Spiel, ein Werkzeug, mit dessen Hilfe sich eine Demokratie aufbauen ließ. Und warum wurde er so wütend? Dazu hatte er auch kein Recht! Zum Teufel! Er brauchte eine objektive Analyse.

„Gekab!“ Er wollte es gar nicht laut sagen, aber es entfuhr ihm wie Donnerhall. Brom O'Berin schaute ihn erstaunt an. „Was ist Gekab?“ wollte er wissen.

„Mein Rappe“, erklärte Rod verlegen, und da fiel ihm erst ein, daß der Roboter ja wieder einmal einen Kurzschluß hatte. „Ich habe mich heute nacht noch nicht um ihn gekümmert, und er ist die einzige Seele, der ich unbesorgt anvertrauen kann.“

Broms Augen wurden weich, er lächelte gütig. „Du bist nun einer von uns, Rod Gallowglass, einer der wenigen, die der Königin treu ergeben sind.“

Rod las die Zuneigung in den Augen des Trolles und fragte sich, was den Zwerg an Catherines Dienste band — und plötzlich haßte er sie wieder, weil es ihr Spaß machte, die Männer zu benutzen. Mit wütenden Riesenschritten eilte er den Korridor weiter, daß Brom seine liebe Not hatte, neben ihm zu bleiben.

„Wenn meine Menschenkenntnis mich nicht trügt“, knurrte er durch die Zähne, „so hat die Königin einen weiteren Freund im Haus Clovis, und doch nennt sie ihn ihren Feind. Wieso, Brom? Deshalb, weil er der Sohn ihres Feindes, des Herzogs Loguire ist?“

Brom hielt ihn mit der Hand an der Hüfte an und schaute mit halbem Lächeln zu Rod hoch. „Nicht ihr Feind, Rod Gallowglass, sondern jemand, den sie wahrhaft liebt. Er ist ihr Onkel, ihr Blutsverwandter, der sie fünf Jahre bei sich aufnahm und sich um sie sorgte, während ihr Vater die rebellierenden Barone im Norden niederwarf.“

Rod nahm die Augen nicht von Brom O'Berin. „Sie zeigt ihre Liebe auf seltsame Weise.“

Brom nickte. „Wahrlich seltsam, aber zweifle nicht daran, daß sie ihn liebt, sowohl den Herzog als auch seinen Sohn Tuan. Es ist eine lange verwickelte Geschichte, und das Ende und der Anfang ist Tuan Loguire.“

„Der Bettlerkönig?“

„Ja“, Brom nickte schwer. „Der Herr des Hauses Clovis.“

„Der die Königin liebt.“

„Der sie liebt und auch kein Hehl daraus macht.“

„Aber du glaubst ihm nicht?“

Brom verschränkte die Hände hinter seinem Nacken und stapfte mit gesenktem Kopf weiter. „Er spricht entweder die Wahrheit, Rod Gallowglass, oder er ist ein glaubhafter Lügner.

Er wurde von seinem Vater zur Wahrheit erzogen, und doch ist er Herr des Hauses Clovis, Herr jener, die darauf bestehen, daß der Herrscher wie der alte König Clovis gewählt werden soll, nämlich durch die Anerkennung jener, über die er herrscht.“

„Na ja, da haben sie die Geschichte ein wenig verfälscht“, brummte Rod. „Aber ich nehme an, ihre Pläne verlangen Catherines Sturz?“

„Ja. Und wie kann ich ihm da glauben, wenn er sagt, daß er sie liebt?“ Brom schüttelte traurig den Kopf. „Er ist ein äußerst wertvoller Mensch, großherzig, ehrlich und ein Troubadour,

der mit Laute, Liedern und Worten genauso gut umzugehen versteht wie mit dem Schwert. Er war immer von Grund auf anständig, und Unredlichkeit kannte er nicht.“ „Du scheinst ihn wohl recht gut gekannt zu haben.“ „O ja, das tat ich allerdings, aber kenne ich ihn jetzt noch?“ Brom seufzte tief und schüttelte den Kopf. „Als sie mit sieben auf die Burg der Loguires im Süden kam, war Tuan acht. Sie spielten und tobten unter meiner Aufsicht, und sie waren so unschuldig, Rod Gallowglass, und so glücklich. Er liebte sie schon damals. Er pflückte ihr Blumen für einen Kranz, und als sie versehentlich einen kostbaren Kelch zerbrach, nahm er die Schuld auf sich.“

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