Das Ende des Ersten Weltkriegs stellt fur die Geschichte Estlands einen besonderen Wendepunkt dar: Nach der Februarrevolution hatte sich in Estland ein Nationalrat gegrundet, welcher den Staat am 24. Februar 1918 erstmals als unabhangig proklamierte. Nach erfolgreichen Kampfen gegen die einen Tag spater eingefallene deutsche Landwehr erkannte die Sowjetunion im Frieden von Tartu am 2. Februar 1920 die estnische Unabhangigkeit auf alle Zeiten an. Fur den jungen Kleinstaat galt es nun, sich in der Folgezeit innenpolitisch zu festigen, sich international zu etablieren und die staatliche Unabhangigkeit abzusichern. Die eigene Rolle auf der internationalen Buhne musste gefunden werden. Die Bedingungen, unter welchen dieser Prozess erfolgen sollte, waren jedoch auerst kritisch. Europa bestand zu jenem Zeitpunkt aus zwei unterschiedlichen Lagern - zum einen aus totalitaren und zum anderen aus demokratischen Staaten, deren Gegensatze im Laufe der 20 kommenden, kriegsfreien Jahre immer starker wurden. Das Schicksal des Landes wurde sowohl vom geschickten Handeln der eigenen Fuhrung als auch von den aueren Umstanden abhangen. Die vorliegende Untersuchung setzt sich zum Ziel, die Rolle Estlands im internationalen Kontext zu untersuchen. Inwieweit war Estland im internationalen System anerkannt und integriert? Welche Versuche der Fuhrung gab es, um die Unabhangigkeit des Landes abzusichern, zu bewahren und sie nach ihrem Verlust 1940 wiederzuerlangen? Oder waren es gar die falschen Einschatzungen der estnischen Elite, die das Land in die Situation von 1940 brachten?