Der Radikale Konstruktivismus ist eine Wissenschaft, deren Wurzeln im metadisziplinaren Bereich der Kybernetik, der Psychologie und der Neurobiologie liegen. Seine Autoren (H. Maturana, E. v. Glasersfeld, G. Roth) vertreten gegenuber dem Realismus eine subjektivistische Wahrnehmungs- und Erkenntnistheorie, die charakterisiert ist durch die Identifikation des Subjekts mit dem Begriff des Beobachters. Der Beobachter wird definiert als ein menschliches Individuum, das aufgrund der informationellen Geschlossenheit seines Nervensystems keinen kognitiven Zugang zu seiner Umwelt hat und die Wirklichkeit konstruiert. Probleme dieser konstruktivistischen Beobachtertheorie bestehen allerdings angesichts der Konfrontation mit dem Phanomen des Selbstbewusstseins in der Dunkelheit des Begriffs des sich selbst erfahrenden Subjekts und des damit drohenden infiniten Regresses und der Zirkularitat, die eine Aporie des Radikalen Konstruktivismus und damit eine Schwache in der Argumentation gegenuber einem metaphysischen Realismus bedeuten. Der in der vorliegenden Untersuchung angestrebte Versuch der Lsung dieser Aporie sttzt sich auf die in der Transzendentalphilosophie Kants entwickelte Unterscheidung zwischen empirischem und transzendentalem Subjekt, den Rckgriff auf die in der transzendentalphilosophischen Tradition stehende historische Immanenzphilosophie und verwandte Konzepte eines Konszientialismus. Im Zuge einer Weiterfhrung der kantischen Lehre vom zweifachen Subjekt wird Bewusstsein als kontradiktorischer Gegensatz aufgefasst, in der ein transzendentales Subjekt als Nicht-Seiendes einem Objekt als Seiendem gegenbersteht. In der aus diesen Einsichten heraus umgestalteten Subjekttheorie des Radikalen Konstruktivismus, der konszientialistischen Theorie des Beobachters erster und zweiter Ordnung, wird das erkennende Subjekt, der Beobachter zweiter Ordnung in der Terminologie des Radikalen Konstruktivismus, als transzendentales Subjekt definiert, das durch die Bestimmung als unhintergehbares Prinzip den infiniten Regress vermeiden lsst. Die weitere Klrung des Subjektbegriffs des Radikalen Konstruktivismus erfolgt vom Standpunkt der transformierten Beobachtertheorie in der Auseinandersetzung mit dem metaphysischen Realismus und der philosophy of mind durch Diskussion der Subjektivittsthese. Die Untersuchung fhrt zu dem Ergebnis, dass dem Subjektbegriff des Radikalen Konstruktivismus innerhalb einer reformulierten Beobachtertheorie ein klarer Standort zugewiesen werden kann, wodurch er seinen kryptischen Charakter verliert. Die damit verbundene Auflsung der Aporie des Radikalen Konstruktivismus erffnet die Mglichkeit zur Verteidigung einer subjektivistischen Position in Kultur-, Sozial- und Naturwissenschaften.