«Gott«, sprach der Hofmarschall,»der gnädigste Fürst haben gewiß die konsiderabelsten Gedanken, vielleicht gar Pläne«.
Es war dem so. – Fürst Irenäus dachte an den Reichtum des Prinzen, an seine Verwandtschaft mit mächtigen Häuptern, er rief sich die Überzeugung in's Gedächtnis, daß Prinz Hektor gewiß noch den Degen mit dem Zepter vertauschen werde, und ihm kam der Gedanke, daß die Vermählung des Prinzen mit der Prinzessin Hedwiga von den ersprießlichsten Folgen sein könne. Ganz im geheimsten Geheim mußte der Kammerherr, den der Fürst sogleich absandte, um dem Prinzen seinerseits namhaftes Beileid über den Tod des Vaters zu bezeigen, das bis auf die Farbe der Haut wohlgetroffene Miniaturbild der Prinzessin in die Tasche stecken. – Es ist hier zu bemerken, daß die Prinzessin in der Tat eine vollendete Schönheit zu nennen gewesen, hätte ihre Haut weniger in's Gelbe gespielt. Daher war ihr die Beleuchtung des Kerzenscheins günstig. —
Der Kammerherr richtete den geheimen Auftrag des Fürsten – niemanden, selbst nicht der Fürstin, hatte dieser das mindeste von seiner Absicht vertraut, – sehr geschickt aus. Als der Prinz das Gemälde sah, geriet er beinahe in dieselbe Ekstase, wie sein prinzlicher Kollege in der» Zauberflöte«. Wie Tamino hätte er beinahe, wenn auch nicht gesungen,»Doch gerufen:»dies Bildnis ist bezaubernd schön«, und dann weiter:»Soll die Empfindung Liebe sein, ja, ja die Liebe ist's allein!«– Bei Prinzen ist es sonst eben nicht die Liebe allein, die sie streben läßt nach der Schönsten, indessen dachte Prinz Hektor gerade nicht an andere Verhältnisse, als er sich hinsetzte und an den Fürsten Irenäus schrieb: es möge ihm vergönnet sein, sich um Herz und Hand der Prinzessin Hedwiga zu bewerben.
Fürst Irenäus antwortete, daß, da er mit Freuden in eine Vermählung willige, die er schon seines verstorbenen fürstlichen Freundes halber aus dem Grunde des Herzens wünsche, es gar keiner weitern Bewerbung eigentlich bedürfe. Da aber die Form sauviert werden müsse, möge der Prinz einen artigen Mann von dem gehörigen Stande nach Sieghartsweiler senden, den er ja auch gleich mit Vollmacht versehen könne, die Trauung zu vollziehen, und nach altem schönem Herkommen, gestiefelt und gespornt, den Bettsprung zu unternehmen. Der Prinz schrieb zurück:»Ich komme selbst, mein Fürst!«—
Dem Fürsten war das nicht recht, er hielt die Trauung durch einen Bevollmächtigten für schöner, erhabner, fürstlicher, hatte sich im Innersten auf das Fest gefreut, und beruhigte sich nur damit, daß vor dem Beilager ein großes Ordensfest gefeiert werden könne. Er wollte nämlich das Großkreuz eines Hausordens, den sein Vater gestiftet hatte, und den kein Ritter mehr trug, nicht tragen durfte, dem Prinzen umhängen auf die solenneste Weise.
Prinz Hektor kam also nach Sieghartsweiler, um die Prinzessin Hedwiga heimzuführen, und nebenher das Großkreuz eines verschollenen Hausordens zu erhalten. Es schien ihm erwünscht, daß der Fürst seine Absicht geheim gehalten, er bat vorzüglich, rücksichts Hedwiga's in diesem Schweigen zu verharren, da er erst der vollen Liebe Hedwiga's versichert sein müsse, ehe er mit seiner Bewerbung hervortreten könne.
Der Fürst verstand nicht recht, was der Prinz damit sagen wollte, und meinte, daß, so viel er wisse und sich erinnere, diese Form, was nämlich die Versicherung der Liebe vor dem Beilager beträfe, in fürstlichen Häusern niemals üblich gewesen sei. Verstehe der Prinz aber darunter weiter nichts, als die Äußerung eines gewissen Attachements, so dürfe das vorzüglich während des Brautstandes wohl eigentlich nicht stattfinden, könne aber, da doch die leichtsinnige Jugend über alles, was die Etikette gebiete, hinwegzuspringen geneigt, ja in der Kürze abgemacht werden, drei Minuten vor dem Ringewechseln. Herrlich und erhaben wär's freilich, wenn das fürstliche Brautpaar in diesem Augenblick einigen Abscheu gegeneinander bewiese, leider wären aber diese Regeln des höchsten Anstandes in neuester Zeit zu leeren Träumen geworden.
Als der Prinz Hedwiga zum erstenmal erblickte, flüsterte er seinem Adjutanten in, den andern unverständlichem, neapolitanischen Dialekt zu:»Bei allen Heiligen! sie ist schön, aber unfern des Vesuvs geboren, und sein Feuer blitzt aus ihren Augen.«
Prinz Ignaz hatte sich bereits sehr angelegentlich erkundigt, ob es in Neapel schöne Tassen gebe, und wieviel davon Prinz Hektor besitze, so daß dieser, durch die ganze Tonleiter der Begrüßungen durchgestiegen, sich wieder zu Hedwiga wenden wollte, als die Türen sich öffneten, und der Fürst den Prinzen einlud zu der Prachtszene, die er durch Zusammenberufung sämtlicher Personen, welche nur im mindesten was Hoffähiges an und in sich trugen, im Prunksaal bereitet. Er war diesmal in dem Auswählen weniger strenge gewesen als sonst, da der Zirkel in Sieghartshof eigentlich für eine Landpartie zu achten. Auch die Benzon war zugegen mit Julien.
Prinzessin Hedwiga war still, in sich gekehrt, teilnahmlos, sie schien den schönen Fremdling aus dem Süden nicht mehr, nicht weniger zu beachten, als jede andere neue Erscheinung am Hofe, und fragte ziemlich mürrisch ihr Hoffräulein, die rotwangige Nannette, ob sie närrisch geworden, als diese nicht aufhören konnte, ihr in's Ohr zu flüstern, der fremde Prinz sei doch gar zu hübsch und eine schönere Uniform habe sie zeit ihres Lebens nicht gesehen.
Prinz Hektor entfaltete nun vor der Prinzessin den bunten prahlenden Pfauenschweif seiner Galanterie, sie, beinahe verletzt durch den Ungestüm seiner süßlichen Verzücktheit, fragte nach Italien, nach Neapel. Der Prinz gab ihr die Beschreibung eines Paradieses, in dem sie als herrschende Göttin wandelte. Er bewährte sich als ein Meister in der Kunst, zu der Dame so zu sprechen, daß alles, alles sich gestaltet, als ein Hymnus, der ihre Schönheit, ihre Anmut preiset. Mitten aus diesem Hymnus sprang aber die Prinzessin heraus, und hin zu Julien, die sie in der Nähe gewahrte. Die drückte sie an ihre Brust, nannte sie mit tausend zärtlichen Namen, rief:»Das ist meine liebe, liebe Schwester, meine herrliche, süße Julia!«als der Prinz etwas betroffen über Hedwiga's Flucht, hinzutrat. Der Prinz heftete einen langen, seltsamen Blick auf Julien, so daß diese, über und über errötend, die Augen niederschlug, und sich scheu zur Mutter wandte, die hinter ihr stand. Aber die Prinzessin umarmte sie auf's Neue und rief:»Meine liebe, liebe Julia«, und dabei traten ihr die Tränen in die Augen.»Prinzessin«, sprach die Benzon leise,»warum dieses krampfhafte Benehmen?«Die Prinzessin, ohne die Benzon zu beachten, drehte sich zu dem Prinzen, dem wirklich über alles das der Strom der Rede versiegt, und war sie erst still, ernst, mißmütig gewesen, so schweifte sie beinahe jetzt aus in seltsamer, krampfhafter Lustigkeit. Endlich ließen die zu stark gespannten Saiten nach, und die Melodien, die nun aus ihrem Innern heraustönten, waren weicher, milder, jungfräulich zarter. Sie war liebenswürdiger als jemals, und der Prinz schien ganz und gar hingerissen. Endlich begann der Tanz. Der Prinz, nachdem mehrere Tänze gewechselt, erbot sich, einen neapolitanischen Nationaltanz anzuführen, und es gelang ihm bald, den Tanzenden die volle Idee davon zu geben, so daß sich alles gar artig fügte, und selbst der leidenschaftlich zärtliche Charakter des Tanzes gut hervortrat.
Niemand hatte aber eben diesen Charakter so ganz begriffen, als Hedwiga, die mit dem Prinzen tanzte. Sie verlangte die Wiederholung, und als der Tanz zum zweitenmal geendet, bestand sie, des Mahnens der Benzon, die auf ihren Wangen schon die verdächtige Blässe wahrnahm, nicht achtend, darauf, zum drittenmal den Tanz auszuführen, der ihr nun erst recht gelingen werde. Der Prinz war entzückt. Er schwebte hin mit Hedwiga, die in jeder Bewegung die Anmut selbst schien. Bei einer der vielen Verschlingungen, die der Tanz gebot, drückte der Prinz die Holde stürmisch an die Brust, aber in demselben Augenblicke sank auch Hedwiga entseelt in seinen Armen zusammen. —