«Erzeigen Sie, «sprach Meister Abraham,»mir die Güte, beste Exzellenz, und beobachten Sie sich selbst! Hat Ihnen der Himmel nicht ein schönes volltönendes Stimmorgan verliehen, und wenn Ihnen das Französische ankommt, da beginnen Sie plötzlich zu zischen, zu lispeln, zu schnarren, und dabei verzerren sich Dero angenehme Gesichtszüge ganz erschrecklich, und selbst der hübsche, feste, ernste Anstand, dessen Dieselben sonst mächtig, wird verstört durch allerlei seltsame Konvulsionen. Was kann dies alles anders bedeuten, als empörtes Treiben irgendeines fatalen Krankheitskobolds im Innern!« – Der Hofmarschall lachte sehr, und zum Lachen war auch wirklich Meister Abrahams Hypothese von der Krankheit fremder Sprachen.
Ein sinnreicher Gelehrter gibt in irgendeinem Buche den Rat, daß man sich bemühen möge in der fremden Sprache, die man rasch erlernen will, zu denken. Der Rat ist vortrefflich, seine Ausführung aber nicht ohne Gefahr. Es gelang mir nämlich sehr bald, pudelisch zu denken, ich vertiefte mich aber in diese pudelischen Gedanken so sehr, daß meine eigentliche Sprachfertigkeit zurückblieb, und ich selbst nicht verstand was ich dachte. Diese nicht verstandenen Gedanken brachte ich meistenteils zu Papier, und ich erstaune über die Tiefe dieser Sprache, die ich unter dem Titel» Akanthusblätter «gesammelt, und die ich noch nicht verstehe.
Ich glaube, daß diese kurzen Andeutungen über die Geschichte meiner Jugendmonate hinreichen dürften, dem Leser ein deutliches Bild davon zu geben was ich bin und wie ich es wurde.
Unmöglich kann ich mich aber von der Blütezeit meines merkwürdigen ereignisreichen Lebens trennen, ohne noch eines Vorfalls zu erwähnen, der gewissermaßen meinen Übertritt in die Jahre der reifern Bildung bezeichnet. Die Katerjugend wird daraus lernen, daß keine Rose ohne Dornen ist, und daß dem mächtig emporstrebenden Geiste manches Hindernis gelegt, mancher Stein des Anstoßes in den Weg geworfen wird, an dem er sich die Pfoten wund stoßen muß. – Und der Schmerz solcher Wunden ist empfindlich, sehr empfindlich! —
Gewiß, hast du mich, geliebter Leser, beinahe beneidet um meine glückliche Jugendzeit, um den günstigen Stern der über mich wachte! – In Dürftigkeit von vornehmen aber armen Eltern geboren, dem schmachvollen Tode nahe, komme ich plötzlich in den Schoß des Überflusses, in den Peruschacht der Literatur! – Nichts stört meine Bildung, nichts widerstrebt meinen Neigungen, mit Riesenschritten gehe ich der Vollkommenheit entgegen, die mich hoch erhebt über meine Zeit. Da hält mich plötzlich ein Zollverwalter an und fordert den Tribut, dem alles hienieden unterworfen!
Wer hätte denken sollen, daß unter den Banden der süßesten, innigsten Freundschaft die Dornen verborgen, die mich ritzen, verwunden, blutig verwunden mußten!
Jeder, der ein gefühlvolles Herz im Busen trägt, wie ich, wird aus dem, was ich über mein Verhältnis mit dem Pudel Ponto gesagt, sehr leicht entnehmen können, was der Teure mir war, und doch mußte er es sein, der den ersten Anlaß gab zu der Katastrophe, die mich gänzlich verderben konnte, hätte der Geist meines großen Ahnherrn nicht über mich gewacht. – Ja mein Leser! – ich hatte einen Ahnherrn, einen Ahnherrn, ohne den ich gewissermaßen gar nicht existieren würde – einen großen vortrefflichen Ahnherrn, einen Mann von Stande, Ansehen, Vermögen, ausgebreiteter Wissenschaft, mit einer ganz vortrefflichen Sorte Tugend, mit der feinsten Menschenliebe begabt, einen Mann von Eleganz und Geschmack, nach dem neuesten Geschmack – einen Mann der – doch dies alles jetzt nur beiläufig gesagt, künftig mehr von dem Würdigen, der niemand anders war, als der berühmte Premierminister Hinz von Hinzenfeldt, der der Welt so teuer, so über alles wert worden unter dem Namen des gestiefelten Katers. —
Wie gesagt, künftig mehr von dem edelsten der Kater! —
Konnt' es anders sein; mußt' ich, als ich mich im Pudelischen leicht und zierlich auszudrücken vermochte, mit meinem Freunde Ponto nicht davon reden, was mir das Höchste im Leben war, nämlich von mir selbst und von meinen Werken? So kam es, daß er mit meinen besondern Geistesgaben, mit meiner Genialität, mit meinem Talent bekannt wurde, und hier entdeckte ich zu meinem nicht geringen Leid, daß ein unüberwindlicher Leichtsinn, ja ein gewisser Übermut es dem jungen Ponto unmöglich machte, in den Künsten und Wissenschaften etwas zu tun. Statt in Erstaunen zu geraten über meine Kenntnis, versicherte er, daß es gar nicht zu begreifen, wie ich darauf fallen könnte, mich mit derlei Dingen abzugeben, und daß er seinerseits, was Künste betreffe, sich lediglich darauf beschränke, über den Stock zu springen, und seines Herrn Mütze aus dem Wasser zu apportieren, die Wissenschaften anlangend er aber der Meinung sei, daß Leute, wie ich und er, sich nur den Magen dabei verdürben und allen Appetit gänzlich verlören.
Bei einem solchen Gespräch, in dem ich mich mühte, meinen jungen leichtsinnigen Freund eines Bessern zu belehren, geschah das Entsetzliche. Denn ehe ich mir's versah, sprang…
(Mak. Bl.) —»Und immer werden Sie«, erwiderte die Benzon, mit dieser phantastischen Überspanntheit,»mit dieser herzzerschneidenden Ironie nichts anstiften als Unruhe – Verwirrung – völlige Dissonanz aller konventionellen Verhältnisse, wie sie nun einmal bestehen.«
«O wundervoller Kapellmeister«, rief Johannes Kreisler lachend, der solcher Dissonanzen mächtig!
«Seien Sie ernst«, fuhr die Rätin fort,»Sie entkommen mir nicht durch bittern Scherz! Ich halte Sie fest, lieber Johannes! – Ja, so will ich Sie nennen, mit dem sanften Namen Johannes, damit ich wenigstens hoffen darf, daß hinter der Satyrmaske am Ende ein sanftes, weiches Gemüt verborgen. Und dann! – nimmermehr werde ich mich davon überzeugen, daß der bizarre Name: Kreisler, nicht eingeschwärzt, nicht einem ganz andern Familien-Namen untergeschoben sein sollte!«
«Rätin«, sprach Kreisler, indem sein ganzes Gesicht in einem seltsamen Muskelspiel an tausend Falten und Furchen vibrierte,»teuerste Rätin, was haben Sie gegen meinen ehrlichen Namen? – Vielleicht führte ich sonst einen andern, aber das ist lange her, und mir geht es so wie dem Ratgeber in Tiecks ›Blaubart‹, der da sagt: ›Ich hatte sonst einmal einen ganz vortrefflichen Namen, durch die Länge der Zeit hab' ich ihn fast vergessen, ich kann mich nur noch dunkel daran erinnern. ‹«
Besinnen Sie sich, Johannes, rief die Rätin, ihn mit leuchtenden Blicken durchbohrend, der halbvergessene Name kommt Ihnen gewiß wieder in die Gedanken!
«Durchaus nicht, Teuerste«, erwiderte Kreisler,»es ist unmöglich, und ich vermute beinahe, daß die dunkle Erinnerung, wie ich sonst, was eben meine äußere Gestalt rücksichts des Namens als Lebenspasseport betrifft, anders gestaltet, aus der angenehmen Zeit herrührt, da ich eigentlich noch gar nicht geboren. – Erzeigen Sie mir die Güte, Verehrungswürdigste, betrachten Sie meinen schlichten Namen im gehörigen Licht, und Sie werden ihn, was Zeichnung, Kolorit und Physiognomie betrifft, allerliebst finden! Noch mehr! stülpen Sie ihn um, sezieren Sie ihn mit dem grammatischen Anatomiermesser, immer herrlicher wird sich sein innerer Gehalt zeigen. Es ist ganz unmöglich, Vortreffliche! daß Sie meines Namens Abstammung in dem Worte Kraus finden, und mich, nach der Analogie des Wortes Haarkräusler, für einen Tonkräusler, oder gar für einen Kräusler überhaupt halten können, da ich mich alsdann eben Kräusler schreiben müßte. Sie können nicht wegkommen von dem Worte Kreis, und der Himmel gebe, daß Sie dann gleich an die wunderbaren Kreise denken mögen, in denen sich unser ganzes Sein bewegt, und aus denen wir nicht herauskommen können, wir mögen es anstellen wie wir wollen. In diesen Kreisen kreiselt sich der Kreisler, und wohl mag es sein, daß er oft, ermüdet von den Sprüngen des St. Veits-Tanzes, zu dem er gezwungen, rechtend mit der dunklen unerforschlichen Macht, die jene Kreise umschrieb, sich mehr als es einem Magen, der ohnedies nur schwächlicher Konstitution, zusagt, hinaussehnt ins Freie. Und der tiefe Schmerz dieser Sehnsucht mag nun wieder eben jene Ironie sein, die Sie, Verehrte! so bitter tadeln, nicht beachtend, daß die kräftige Mutter einen Sohn gebar, der in das Leben eintritt wie ein gebietender König. Ich meine den Humor, der nichts gemein hat mit seinem ungeratenen Stiefbruder, dem Spott! – Ja, sprach die Rätin, eben dieser Humor, dieser Wechselbalg einer ausschweifenden, grillenhaften Phantasie ohne Gestalt, ohne Farbe, von dem ihr harten Männerseelen selbst nicht wißt, für wen ihr ihn ausgeben sollt nach Stand und Würden, eben dieser ist es, den ihr uns gern als etwas Großes, Herrliches unterschieben möchtet, wenn ihr alles, was uns lieb und wert, in bitterm Hohne zu vernichten trachtet. Wissen Sie wohl, Kreisler, daß Prinzessin Hedwiga noch jetzt ganz außer sich ist über Ihre Erscheinung, über Ihr Betragen im Park? Reizbar, wie sie ist, verwundet sie jeder Scherz, in dem sie nur die leiseste Verspottung ihrer Persönlichkeit findet, überdies aber beliebten Sie, lieber Johannes, sich ihr als ein vollkommen Wahnsinniger darzustellen, und ihr so ein Entsetzen zu erregen, das sie hätte auf das Krankenlager werfen können. Ist das zu entschuldigen?«