Литмир - Электронная Библиотека
A
A

So verging eine Woche, und schon am Ende derselben fingen die Rosen ihrer Wangen an, einigermaßen zu verbleichen. Kleider, die ihr sonst wohl paßten, waren zu weit und ihre sonst so raschen und muntern Glieder matt und schwach geworden, als der Freund wieder erschien und ihr durch seinen Besuch neue Stärke und Leben gab. Er ermahnte sie, in ihrem Vorsatze zu beharren, munterte sie durch sein Beispiel auf und ließ von weitem die Hoffnung eines ungestörten Genusses durchblicken. Nur kurze Zeit hielt er sich auf und versprach, bald wiederzukommen.

Die wohltätige Arbeit ging aufs neue muntrer fort, und von der strengen Diät ließ man keineswegs nach. Aber auch, leider! hätte sie durch eine große Krankheit nicht mehr erschöpft werden können. Ihr Freund, der sie am Ende der Woche abermals besuchte, sah sie mit dem größten Mitleiden an und stärkte sie durch den Gedanken, daß die Hälfte der Prüfung nun schon vorüber sei.

Nun ward ihr das ungewohnte Fasten, Beten und Arbeiten mit jedem Tage lästiger, und die übertriebene Enthaltsamkeit schien den gesunden Zustand eines an Ruhe und reichliche Nahrung gewöhnten Körpers gänzlich zu zerrütten. Die Schöne konnte sich zuletzt nicht mehr auf den Füßen halten und war genötigt, ungeachtet der warmen Jahrszeit sich in doppelte und dreifache Kleider zu hüllen, um die beinah völlig verschwindende innerliche Wärme einigermaßen zusammenzuhalten. Ja sie war nicht länger imstande, aufrecht zu bleiben, und sogar gezwungen, in der letzten Zeit das Bett zu hüten.

Welche Betrachtungen mußte sie da über ihren Zustand machen! Wie oft ging diese seltsame Begebenheit vor ihrer Seele vorbei, und wie schmerzlich fiel es ihr, als zehn Tage vergingen, ohne daß der Freund erschienen wäre, der sie diese äußersten Aufopferungen kostete! Dagegen aber bereitete sich in diesen trüben Stunden ihre völlige Genesung vor, ja sie ward entschieden. Denn als bald darauf ihr Freund erschien und sich an ihr Bette auf eben dasselbe Taburett setzte, auf dem er ihre erste Erklärung vernommen hatte, und ihr freundlich, ja gewissermaßen zärtlich zusprach, die kurze Zeit noch standhaft auszudauern, unterbrach sie ihn mit Lächeln und sagte:»Es bedarf weiter keines Zuredens, mein werter Freund, und ich werde mein Gelübde diese wenigen Tage mit Geduld und mit der Überzeugung ausdauern, daß Sie es mir zu meinem Besten auferlegt haben. Ich bin jetzt zu schwach, als daß ich Ihnen meinen Dank ausdrücken könnte, wie ich ihn empfinde. Sie haben mich mir selbst erhalten; Sie haben mich mir selbst gegeben, und ich erkenne, daß ich mein ganzes Dasein von nun an Ihnen schuldig bin.

Wahrlich! mein Mann war verständig und klug und kannte das Herz einer Frau; er war billig genug, sie über eine Neigung nicht zu schelten, die durch seine Schuld in ihrem Busen entstehen konnte, ja er war großmütig genug, seine Rechte der Forderung der Natur hintanzusetzen. Aber Sie, mein Herr, Sie sind vernünftig und gut; Sie haben mich fühlen lassen, daß außer der Neigung noch etwas in uns ist, das ihr das Gleichgewicht halten kann, daß wir fähig sind, jedem gewohnten Gut zu entsagen und selbst unsere heißesten Wünsche von uns zu entfernen. Sie haben mich in diese Schule durch Irrtum und Hoffnung geführt; aber beide sind nicht mehr nötig, wenn wir uns erst mit dem guten und mächtigen Ich bekannt gemacht haben, das so still und ruhig in uns wohnt und so lange, bis es die Herrschaft im Hause gewinnt, wenigstens durch zarte Erinnerungen seine Gegenwart unaufhörlich merken läßt. Leben Sie wohl! Ihre Freundin wird Sie künftig mit Vergnügen sehen; wirken Sie auf Ihre Mitbürger wie auf mich; entwickeln Sie nicht allein die Verwirrungen, die nur zu leicht über Besitztümer entstehen, sondern zeigen Sie ihnen auch durch sanfte Anleitung und durch Beispiel, daß in jedem Menschen die Kraft der Tugend im Verborgenen keimt; die allgemeine Achtung wird Ihr Lohn sein, und Sie werden mehr als der erste Staatsmann und der größte Held den Namen Vater des Vaterlandes verdienen.»

4
{"b":"90848","o":1}