Zu dieser Gemütsstimmung traf ein sonderbarer Zufall, der ihm eine reizende Gelegenheit gab, dasjenige zu tun, wozu er nur einen dunkeln und unentschiedenen Trieb gefühlt hatte.
Sein Vater gab ihm den Auftrag, einen Kasten alter Briefe durchzusehen und zu ordnen. Eines Sonntags, da er allein war, trug er ihn durch das Zimmer, wo der Schreibtisch stand, der des Vaters Kasse enthielt. Der Kasten war schwer; er hatte ihn unrecht gefaßt und wollte ihn einen Augenblick absetzen oder vielmehr nur anlehnen. Unvermögend, ihn zu halten, stieß er gewaltsam an die Ecke des Schreibtisches, und der Deckel desselben flog auf. Er sah nun alle die Rollen vor sich liegen, zu denen er manchmal nur hineingeschielt hatte, setzte seinen Kasten nieder und nahm, ohne zu denken und zu überlegen, eine Rolle von der Seite weg, wo der Vater gewöhnlich sein Geld zu willkürlichen Ausgaben herzunehmen schien. Er drückte den Schreibtisch wieder zu und versuchte den Seitenstoß: der Deckel flog jedesmal auf, und es war so gut, als wenn er den Schlüssel zum Pulte gehabt hätte.
Mit Heftigkeit suchte er nunmehr jede Vergnügung wieder, die er bisher hatte entbehren müssen. Er war fleißiger um seine Schöne; alles, was er tat und vornahm, war leidenschaftlicher; seine Lebhaftigkeit und Anmut hatten sich in ein heftiges, ja beinahe wildes Wesen verwandelt, das ihm zwar nicht übel ließ, doch niemanden wohltätig war.
Was der Feuerfunke auf ein geladnes Gewehr, das ist die Gelegenheit zur Neigung, und jede Neigung, die wir gegen unser Gewissen befriedigen, zwingt uns, ein Übermaß von physischer Stärke anzuwenden; wir handeln wieder als wilde Menschen, und es wird schwer, äußerlich diese Anstrengung zu verbergen.
Je mehr ihm seine innere Empfindung widersprach, desto mehr häufte Ferdinand künstliche Argumente aufeinander, und desto mutiger und freier schien er zu handeln, je mehr er sich selbst von einer Seite gebunden fühlte.
Zu derselbigen Zeit waren allerlei Kostbarkeiten ohne Wert Mode geworden. Ottilie liebte sich zu schmücken; er suchte einen Weg, sie ihr zu verschaffen, ohne daß Ottilie selbst eigentlich wußte, woher die Geschenke kamen. Die Vermutung ward auf einen alten Oheim geworfen, und Ferdinand war doppelt vergnügt, indem ihm seine Schöne ihre Zufriedenheit über die Geschenke und ihren Verdacht auf den Oheim zugleich zu erkennen gab.
Aber um sich und ihr dieses Vergnügen zu machen, mußte er noch einigemal den Schreibtisch seines Vaters eröffnen, und er tat es mit desto weniger Sorge, als der Vater zu verschiedenen Zeiten Geld hineingelegt und herausgenommen hatte, ohne es aufzuschreiben.