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Dieser Muth, endlich fein geworden, geistlich, geistig, dieser Menschen-Muth mit Adler-Flügeln und Schlangen-Klugheit: der, dünkt mich, heisst heute —»

«Zarathustra«! schrien Alle, die beisammen sassen, wie aus Einem Munde und machten dazu ein grosses Gelächter; es hob sich aber von ihnen wie eine schwere Wolke. Auch der Zauberer lachte und sprach mit Klugheit:»Wohlan! Er ist davon, mein böser Geist!

Und habe ich euch nicht selber vor ihm gewarnt, als ich sagte, dass er ein Betrüger sei, ein Lug— und Truggeist?

Sonderlich nämlich, wenn er sich nackend zeigt. Aber was kann ich für seine Tücken! Habe ich ihn und die Welt geschaffen?

Wohlan! Seien wir wieder gut und guter Dinge! Und ob schon Zarathustra böse blickt — seht ihn doch! er ist mir gram —:

— bevor die Nacht kommt, lernt er wieder, mich lieben und loben, er kann nicht lange leben, ohne solche Thorheiten zu thun.

Der — liebt seine Feinde: diese Kunst versteht er am besten von Allen, die ich sah. Aber er nimmt Rache dafür — an seinen Freunden!»

Also sprach der alte Zauberer, und die höheren Menschen zollten ihm Beifall: so dass Zarathustra herumgieng und mit Bosheit und Liebe seinen Freunden die Hände schüttelte, — gleichsam als Einer, der an Allen Etwas gutzumachen und abzubitten hat. Als er aber dabei an die Thür seiner Höhle kam, siehe, da gelüstete ihn schon wieder nach der guten Luft da draussen und nach seinen Thieren, — und er wollte hinaus schlüpfen.

Unter Töchtern der Wüste

1

«Gehe nicht davon! sagte da der Wanderer, welcher sich den Schatten Zarathustra's nannte, bleibe bei uns, es möchte uns sonst die alte dumpfe Trübsal wieder anfallen.

Schon gab uns jener alte Zauberer von seinem Schlimmsten zum Besten, und siehe doch, der gute fromme Papst da hat Thränen in den Augen und hat sich ganz wieder auf's Meer der Schwermuth eingeschifft.

Diese Könige mögen wohl vor uns noch gute Miene machen: das lernten Die nämlich von uns Allen heute am Besten! Hätten sie aber keine Zeugen, ich wette, auch bei ihnen fienge das böse Spiel wieder an

— das böse Spiel der ziehenden Wolken, der feuchten Schwermuth, der verhängten Himmel, der gestohlenen Sonnen, der heulenden Herbst-Winde,

— das böse Spiel unsres Heulens und Nothschreiens: bleibe bei uns, oh Zarathustra! Hier ist viel verborgenes Elend, das reden will, viel Abend, viel Wolke, viel dumpfe Luft!

Du nährtest uns mit starker Manns-Kost und kräftigen Sprüchen: lass es nicht zu, dass uns zum Nachtisch die weichlichen weiblichen Geister wieder anfallen!

Du allein machst die Luft um dich herum stark und klar! Fand ich je auf Erden so gute Luft als bei dir in deiner Höhle?

Viele Länder sah ich doch, meine Nase lernte vielerlei Luft prüfen und abschätzen: aber bei dir schmecken meine Nüstern ihre grösste Lust!

Es sei denn, — es sei denn — , oh vergieb eine alte Erinnerung! Vergieb mir ein altes Nachtisch-Lied, das ich einst unter Töchtern der Wüste dichtete:

— bei denen nämlich gab es gleich gute helle morgenländische Luft; dort war ich am fernsten vom wolkigen feuchten schwermüthigen Alt-Europa!

Damals liebte ich solcherlei Morgenland-Mädchen und andres blaues Himmelreich, über dem keine Wolken und keine Gedanken hängen.

Ihr glaubt es nicht, wie artig sie dasassen, wenn sie nicht tanzten, tief, aber ohne Gedanken, wie kleine Geheimnisse, wie bebänderte Räthsel, wie Nachtisch-Nüsse

bunt und fremd fürwahr! aber ohne Wolken: Räthsel, die sich rathen lassen: solchen Mädchen zu Liebe erdachte ich damals einen Nachtisch-Psalm.»

Also sprach der Wanderer und Schatten; und ehe Jemand ihm antwortete, hatte er schon die Harfe des alten Zauberers ergriffen, die Beine gekreuzt und blickte gelassen und weise um sich: — mit den Nüstern aber zog er langsam und fragend die Luft ein, wie Einer, der in neuen Ländern neue fremde Luft kostet. Darauf hob er mit einer Art Gebrüll zu singen an.

2

Die Wüste wächst: weh Dem, der Wüsten birgt!

— Ha! Feierlich!

In der That feierlich!

Ein würdiger Anfang!

Afrikanisch feierlich!

Eines Löwen würdig,

Oder eines moralischen Brüllaffen

— aber Nichts für euch,

Ihr allerliebsten Freundinnen,

Zu deren Füssen mir

Zum ersten Male,

Einem Europäer, unter Palmen

Zu sitzen vergönnt ist. Sela.

Wunderbar wahrlich!

Da sitze ich nun,

Der Wüste nahe und bereits

So fern wieder der Wüste,

Auch in Nichts noch verwüstet:

Nämlich hinabgeschluckt

Von dieser kleinsten Oasis —:

— sie sperrte gerade gähnend

Ihr liebliches Maul auf.

Das wohlriechendste aller Mäulchen:

Da fiel ich hinein,

Hinab, hindurch — unter euch,

Ihr allerliebsten Freundinnen! Sela.

Heil, Heil jenem Wallfische,

Wenn er also es seinem Gaste

Wohl sein liess! — ihr versteht

Meine gelehrte Anspielung?

Heil seinem Bauche,

Wenn er also

Ein so lieblicher Oasis-Bauch war

Gleich diesem: was ich aber in Zweifel ziehe,

— dafür komme ich aus Europa,

Das zweifelsüchtiger ist als alle

ältlichen Eheweibchen.

Möge Gott es bessern!

Amen!

Da sitze ich nun,

In dieser kleinsten Oasis,

Einer Dattel gleich,

Braun, durchsüsst, goldschwürig, lüstern

Nach einem runden Mädchenmunde,

Mehr noch aber nach mädchenhaften

Eiskalten schneeweissen schneidigen

Beisszähnen: nach denen nämlich

Lechzt das Herz allen heissen Datteln. Sela.

Den genannten Südfrüchten

ähnlich, allzuähnlich

Liege ich hier, von kleinen

Flügelkäfern

Umtänzelt und umspielt,

Insgleichen von noch kleineren

Thörichteren boshafteren

Wünschen und Einfällen,

Umlagert von euch,

Ihr stummen, ihr ahnungsvollen

Mädchen-Katzen,

Dudu und Suleika,

— umsphinxt, dass ich in Ein Wort

Viel Gefühle stopfe:

(Vergebe mir Gott

Diese Sprach-Sünde!)

— sitze hier, die beste Luft schnüffelnd,

Paradieses-Luft wahrlich,

Lichte leichte Luft, goldgestreifte,

So gute Luft nur je

Vom Monde herabfiel

Sei es aus Zufall,

Oder geschah es aus übermuthe?

Wie die alten Dichter erzählen.

Ich Zweifler aber ziehe es

In Zweifel, dafür aber komme ich

Aus Europa,

Das zweifelsüchtiger ist als alle

ältlichen Eheweibchen.

Möge Gott es bessern!

Amen!

Diese schönste Luft trinkend,

Mit Nüstern geschwellt gleich Bechern,

Ohne Zukunft, ohne Erinnerungen,

So sitze ich hier, ihr

Allerliebsten Freundinnen,

Und sehe der Palme zu,

Wie sie, einer Tänzerin gleich,

Sich biegt und schmiegt und in der Hüfte wiegt,

— man thut es mit, sieht man lange zu!

Einer Tänzerin gleich, die, wie mir scheinen will,

Zu lange schon, gefährlich lange

Immer, immer nur auf Einem Beine stand?

— da vergass sie darob, wie mir scheinen will,

Das andre Bein?

Vergebens wenigstens

Suchte ich das vermisste

Zwillings-Kleinod

— nämlich das andre Bein

In der heiligen Nähe

Ihres allerliebsten, allerzierlichsten

Fächer— und Flatter— und Flitterröckchens.

ja, wenn ihr mir, ihr schönen Freundinnen,

Ganz glauben wollt:

Sie hat es verloren!

Es ist dahin!

Auf ewig dahin!

Das andre Bein!

Oh schade um dieses liebliche andre Bein!

Wo — mag es wohl weilen und verlassen trauern?

Das einsame Bein?

In Furcht vielleicht vor einem

Grimmen gelben blondgelockten

Löwen-Unthiere? Oder gar schon

Abgenagt, abgeknabbert

Erbärmlich, wehe! wehe! abgeknabbert! Sela.

Oh weint mir nicht,

Weiche Herzen!

Weint mir nicht, ihr

Dattel-Herzen! Milch-Busen!

Ihr Süssholz-Herz

Beutelchen!

Weine nicht mehr,

Bleiche Dudu!

Sei ein Mann, Suleika! Muth! Muth!

— Oder sollte vielleicht

Etwas Stärkendes, Herz-Stärkendes,

Hier am Platze sein?

Ein gesalbter Spruch?

Ein feierlicher Zuspruch?

Ha! Herauf, Würde!

Tugend-Würde! Europäer-Würde!

Blase, blase wieder,

Blasebalg der Tugend!

Ha!

Noch Ein Mal brüllen,

Moralisch brüllen!

Als moralischer Löwe

Vor den Töchtern der Wüste brüllen!

— Denn Tugend-Geheul,

Ihr allerliebsten Mädchen,

Ist mehr als Alles

Europäer-Inbrunst, Europäer-Heisshunger!

Und da stehe ich schon,

Als Europäer,

Ich kann nicht anders, Gott helfe mir!

Amen!

Die Wüste wächst: weh Dem, der Wüsten birgt!

Die Erweckung

1

Nach dem Liede des Wanderers und Schattens wurde die Höhle mit Einem Male voll Lärmens und Lachens; und da die versammelten Gäste alle zugleich redeten, und auch der Esel, bei einer solchen Ermuthigung, nicht mehr still blieb, überkam Zarathustra ein kleiner Widerwille und Spott gegen seinen Besuch: ob er sich gleich ihrer Fröhlichkeit erfreute. Denn sie dünkte ihm ein Zeichen der Genesung. So schlüpfte er hinaus in's Freie und sprach zu seinen Thieren.

«Wo ist nun ihre Noth hin? sprach er, und schon athmete er selber von seinem kleinen überdrusse auf, — bei mir verlernten sie, wie mich dünkt, das Nothschrein!

— wenn auch, leider, noch nicht das Schrein. «Und Zarathustra hielt sich die Ohren zu, denn eben mischte sich das I-A des Esels wunderlich mit dem Jubel-Lärm dieser höheren Menschen.

«Sie sind lustig, begann er wieder, und wer weiss? vielleicht auf ihres Wirthes Unkosten; und lernten sie von mir lachen, so ist es doch nicht mein Lachen, das sie lernten.

Aber was liegt daran! Es sind alte Leute: sie genesen auf ihre Art, sie lachen auf ihre Art; meine Ohren haben schon Schlimmeres erduldet und wurden nicht unwirsch.

Dieser Tag ist ein Sieg: er weicht schon, er flieht, der Geist der Schwere, mein alter Erzfeind! Wie gut will dieser Tag enden, der so schlimm und schwer begann!

Und enden will er. Schon kommt der Abend: über das Meer her reitet er, der gute Reiter! Wie er sich wiegt, der Selige, Heimkehrende, in seinen purpurnen Sätteln!

Der Himmel blickt klar dazu, die Welt liegt tief: oh all ihr Wunderlichen, die ihr zu mir kamt, es lohnt sich schon, bei mir zu leben!»

Also sprach Zarathustra. Und wieder kam da das Geschrei und Gelächter der höheren Menschen aus der Höhle: da begann er von Neuem.

«Sie beissen an, mein Köder wirkt, es weicht auch ihnen ihr Feind, der Geist der Schwere. Schon lernen sie über sich selber lachen: höre ich recht?

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