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«Wir sind wieder fromm geworden«— so bekennen diese Abtrünnigen; und Manche von ihnen sind noch zu feige, also zu bekennen.

Denen sehe ich in's Auge, — denen sage ich es in's Gesicht und in die Röthe ihrer Wangen: ihr seid Solche, welche wieder beten!

Es ist aber eine Schmach, zu beten! Nicht für Alle, aber für dich und mich und wer auch im Kopfe sein Gewissen hat. Für dich ist es eine Schmach, zu beten!

Du weisst es wohl: dein feiger Teufel in dir, der gerne Hände-falten und Hände-in-den-Schooss-legen und es bequemer haben möchte: — dieser feige Teufel redet dir zu» es giebt einen Gott!»

Damit aber gehörst du zur lichtscheuen Art, denen Licht nimmer Ruhe lässt; nun musst du täglich deinen Kopf tiefer in Nacht und Dunst stecken!

Und wahrlich, du wähltest die Stunde gut: denn eben wieder fliegen die Nachtvögel aus. Die Stunde kam allem lichtscheuen Volke, die Abend— und Feierstunde, wo es nicht — »feiert.»

Ich höre und rieche es: es kam ihre Stunde für Jagd und Umzug, nicht zwar für eine wilde Jagd, sondern für eine zahme lahme schnüffelnde Leisetreter— und Leisebeter-Jagd,

— für eine Jagd auf seelenvolle Duckmäuser: alle Herzens— Mausefallen sind jetzt wieder aufgestellt! Und wo ich einen Vorhang aufhebe, da kommt ein Nachtfalterchen herausgestürzt.

Hockte es da wohl zusammen mit einem andern Nachtfalterchen? Denn überall rieche ich kleine verkrochne Gemeinden; und wo es Kämmerlein giebt, da giebt es neue Bet-Brüder drin und den Dunst von Bet-Brüdern.

Sie sitzen lange Abende bei einander und sprechen: lasset uns wieder werden wie die Kindlein und» lieber Gott «sagen!«— an Mund und Magen verdorben durch die frommen Zuckerbäcker.

Oder sie sehen lange Abende einer listigen lauernden Kreuzspinne zu, welche den Spinnen selber Klugheit predigt und also lehrt:»unter Kreuzen ist gut spinnen!»

Oder sie sitzen Tags über mit Angelruthen an Sümpfen und glauben sich tief damit; aber wer dort fischt, wo es keine Fische giebt, den heisse ich noch nicht einmal oberflächlich!

Oder sie lernen fromm-froh die Harfe schlagen bei einem Lieder-Dichter, der sich gern jungen Weibchen in's Herz harfnen möchte: — denn er wurde der alten Weibchen müde und ihres Lobpreisens.

Oder sie lernen gruseln bei einem gelehrten Halb-Tollen, der in dunklen Zimmern wartet, dass ihm die Geister kommen — und der Geist ganz davonläuft!

Oder sie horchen einem alten umgetriebnen Schnurr— und Knurrpfeifer zu, der trüben Winden die Trübsal der Töne ablernte; nun pfeift er nach dem Winde und predigt in trüben Tönen Trübsal.

Und Einige von ihnen sind sogar Nachtwächter geworden: die verstehen jetzt in Hörner zu blasen und Nachts umherzugehn und alte Sachen aufzuwecken, die lange schon eingeschlafen sind.

Fünf Worte von alten Sachen hörte ich gestern Nachts an der Garten-Mauer: die kamen von solchen alten betrübten trocknen Nachtwächtern.

«Für einen Vater sorgt er nicht genug um seine Kinder: Menschen-Väter thun diess besser!»

«Er ist zu alt! Er sorgt schon gar nicht mehr um seine Kinder«— also antwortete der andere Nachtwächter.

«Hat er denn Kinder? Niemand kann's beweisen, wenn er's selber nicht beweist! Ich wollte längst, er bewiese es einmal gründlich.»

«Beweisen? Als ob Der je Etwas bewiesen hätte! Beweisen fällt ihm schwer; er hält grosse Stücke darauf, dass man ihm glaubt.»

«Ja! Ja! Der Glaube macht ihn selig, der Glaube an ihn. Das ist so die Art alter Leute! So geht's uns auch!»

— Also sprachen zu einander die zwei alten Nachtwächter und Lichtscheuchen, und tuteten darauf betrübt in ihre Hörner: so geschah's gestern Nachts an der Garten-Mauer.

Mir aber wand sich das Herz vor Lachen und wollte brechen und wusste nicht, wohin? und sank in's Zwerchfell.

Wahrlich, das wird noch mein Tod sein, dass ich vor Lachen ersticke, wenn ich Esel betrunken sehe und Nachtwächter also an Gott zweifeln höre.

Ist es denn nicht lange vorbei auch für alle solche Zweifel? Wer darf noch solche alte eingeschlafne lichtscheue Sachen aufwecken!

Mit den alten Göttern gieng es ja lange schon zu Ende: — und wahrlich, ein gutes fröhliches Götter-Ende hatten sie!

Sie» dämmerten «sich nicht zu Tode, — das lügt man wohl! Vielmehr: sie haben sich selber einmal zu Tode — gelacht!

Das geschah, als das gottloseste Wort von einem Gotte selber ausgieng, — das Wort:»Es ist Ein Gott! Du sollst keinen andern Gott haben neben mir!»

— ein alter Grimm-Bart von Gott, ein eifersüchtiger vergass sich also:

Und alle Götter lachten damals und wackelten auf ihren Stühlen und riefen:»Ist das nicht eben Göttlichkeit, dass es Götter, aber keinen Gott giebt?»

Wer Ohren hat, der höre.

Also redete Zarathustra in der Stadt, die er liebte und welche zubenannt ist die bunte Kuh. Von hier nämlich hatte er nur noch zwei Tage zu gehen, dass er wieder in seine Höhle käme und zu seinen Thieren; seine Seele aber frohlockte beständig ob der Nähe seiner Heimkehr.

Die Heimkehr

Oh Einsamkeit! Du meine Heimat Einsamkeit! Zu lange lebte ich wild in wilder Fremde, als dass ich nicht mit Thränen zu dir heimkehrte!

Nun drohe mir nur mit dem Finger, wie Mütter drohn, nein lächle mir zu, wie Mütter lächeln, nun sprich nur:»Und wer war das, der wie ein Sturmwind einst von mir davonstürmte?

«— der scheidend rief: zu lange sass ich bei der Einsamkeit, da verlernte ich das Schweigen! D a s — lerntest du nun wohl?

«Oh Zarathustra, Alles weiss ich: und dass du unter den Vielen verlassener warst, du Einer, als je bei mir!

«Ein Anderes ist Verlassenheit, ein Anderes Einsamkeit: Das — lerntest du nun! Und dass du unter Menschen immer wild und fremd sein wirst:

«-Wild und fremd auch noch, wenn sie dich lieben: denn zuerst von Allem wollen sie geschont sein!

«Hier aber bist du bei dir zu Heim und Hause; hier kannst du Alles hinausreden und alle Gründe ausschütten, Nichts schämt sich hier versteckter, verstockter Gefühle.

«Hier kommen alle Dinge liebkosend zu deiner Rede und schmeicheln dir: denn sie wollen auf deinem Rücken reiten. Auf jedem Gleichniss reitest du hier zu jeder Wahrheit.

«Aufrecht und aufrichtig darfst du hier zu allen Dingen reden: und wahrlich, wie Lob klingt es ihren Ohren, dass Einer mit allen Dingen — gerade redet!

«Ein Anderes aber ist Verlassensein. Denn, weisst du noch, oh Zarathustra? Als damals dein Vogel über dir schrie, als du im Walde standest, unschlüssig, wohin? unkundig, einem Leichnam nahe:

«— als du sprachst: mögen mich meine Thiere führen! Gefährlicher fand ich's unter Menschen, als unter Thieren: — Das war Verlassenheit!

«Und weisst du noch, oh Zarathustra? Als du auf deiner Insel sassest, unter leeren Eimern ein Brunnen Weins, gebend und ausgebend, unter Durstigen schenkend und ausschenkend:

«— bis du endlich durstig allein unter Trunkenen sassest und nächtlich klagtest» ist Nehmen nicht seliger als Geben? Und Stehlen noch seliger als Nehmen?«— Das war Verlassenheit!

«Und weisst du noch, oh Zarathustra? Als deine stillste Stunde kam und dich von dir selber forttrieb, als sie mit bösem Flüstern sprach: Sprich und zerbrich!»

«— als sie dir all dein Warten und Schweigen leid machte und deinen demüthigen Muth entmuthigte: Das war Verlassenheit!»

Oh Einsamkeit! Du meine Heimat Einsamkeit! Wie selig und zärtlich redet deine Stimme zu mir!

Wir fragen einander nicht, wir klagen einander nicht, wir gehen offen mit einander durch offne Thüren.

Denn offen ist es bei dir und hell; und auch die Stunden laufen hier auf leichteren Füssen. Im Dunklen nämlich trägt man schwerer an der Zeit, als im Lichte.

Hier springen mir alles Seins Worte und Wort-Schreine auf: alles Sein will hier Wort werden, alles Werden will hier von mir reden lernen.

Da unten aber — da ist alles Reden umsonst! Da ist Vergessen und Vorübergehn die beste Weisheit: Das — lernte ich nun!

Wer Alles bei den Menschen begreifen wollte, der müsste Alles angreifen. Aber dazu habe ich zu reinliche Hände.

Ich mag schon ihren Athem nicht einathmen; ach, dass ich so lange unter ihrem Lärm und üblem Athem lebte!

Oh selige Stille um mich! Oh reine Gerüche um mich! Oh wie aus tiefer Brust diese Stille reinen Athem holt! Oh wie sie horcht, diese selige Stille!

Aber da unten — da redet Alles, da wird Alles überhört. Man mag seine Weisheit mit Glocken einläuten: die Krämer auf dem Markte werden sie mit Pfennigen überklingeln!

Alles bei ihnen redet, Niemand weiss mehr zu verstehn. Alles fällt in's Wasser, Nichts fällt mehr in tiefe Brunnen.

Alles bei ihnen redet, Nichts geräth mehr und kommt zu Ende. Alles gackert, aber wer will noch still auf dem Neste sitzen und Eier brüten?

Alles bei ihnen redet, Alles wird zerredet. Und was gestern noch zu hart war für die Zeit selber und ihren Zahn: heute hängt es zerschabt und zernagt aus den Mäulern der Heutigen.

Alles bei ihnen redet, Alles wird verrathen. Und was einst Geheimniss hiess und Heimlichkeit tiefer Seelen, heute gehört es den Gassen-Trompetern und andern Schmetterlingen.

Oh Menschenwesen, du wunderliches! Du Lärm auf dunklen Gassen! Nun liegst du wieder hinter mir: — meine grösste Gefahr liegt hinter mir!

Im Schonen und Mitleiden lag immer meine grösste Gefahr; und alles Menschenwesen will geschont und gelitten sein.

Mit verhaltenen Wahrheiten, mit Narrenhand und vernarrtem Herzen und reich an kleinen Lügen des Mitleidens: — also lebte ich immer unter Menschen.

Verkleidet sass ich unter ihnen, bereit, mich zu verkennen, dass ich sie ertrüge, und gern mir zuredend» du Narr, du kennst die Menschen nicht!»

Man verlernt die Menschen, wenn man unter Menschen lebt: zu viel Vordergrund ist an allen Menschen, — was sollen da weitsichtige, weit-süchtige Augen!

Und wenn sie mich verkannten: ich Narr schonte sie darob mehr, als mich: gewohnt zur Härte gegen mich und oft noch an mir selber mich rächend für diese Schonung.

Zerstochen von giftigen Fliegen und ausgehöhlt, dem Steine gleich, von vielen Tropfen Bosheit, so sass ich unter ihnen und redete mir noch zu:»unschuldig ist alles Kleine an seiner Kleinheit!»

Sonderlich Die, welche sich» die Guten «heissen, fand ich als die giftigsten Fliegen: sie stechen in aller Unschuld, sie lügen in aller Unschuld; wie vermöchten sie, gegen mich — gerecht zu sein!

Wer unter den Guten lebt, den lehrt Mitleid lügen. Mitleid macht dumpfe Luft allen freien Seelen. Die Dummheit der Guten nämlich ist unergründlich.

Mich selber verbergen und meinen Reichthum — das lernte ich da unten: denn jeden fand ich noch arm am Geiste. Das war der Lug meines Mitleidens, dass ich bei jedem wusste,

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