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Ungerechtigkeit und Schmutz werfen sie nach dem Einsamen: aber, mein Bruder, wenn du ein Stern sein willst, so musst du ihnen desshalb nicht weniger leuchten!

Und hüte dich vor den Guten und Gerechten! Sie kreuzigen gerne Die, welche sich ihre eigne Tugend erfinden, — sie hassen den Einsamen.

Hüte dich auch vor der heiligen Einfalt! Alles ist ihr unheilig, was nicht einfältig ist; sie spielt auch gerne mit dem Feuer — der Scheiterhaufen.

Und hüte dich auch vor den Anfällen deiner Liebe! Zu schnell streckt der Einsame Dem die Hand entgegen, der ihm begegnet.

Manchem Menschen darfst du nicht die Hand geben, sondern nur die Tatze: und ich will, dass deine Tatze auch Krallen habe.

Aber der schlimmste Feind, dem du begegnen kannst, wirst du immer dir selber sein; du selber lauerst dir auf in Höhlen und Wäldern.

Einsamer, du gehst den Weg zu dir selber! Und an dir selber fuhrt dein Weg vorbei und an deinen sieben Teufeln!

Ketzer wirst du dir selber sein und Hexe und Wahrsager und Narr und Zweifler und Unheiliger und Bösewicht.

Verbrennen musst du dich wollen in deiner eignen Flamme: wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist!

Einsamer, du gehst den Weg des Schaffenden: einen Gott willst du dir schaffen aus deinen sieben Teufeln!

Einsamer, du gehst den Weg des Liebenden: dich selbst liebst du und desshalb verachtest du dich, wie nur Liebende verachten.

Schaffen will der Liebende, weil er verachtet! Was weiss Der von Liebe, der nicht gerade verachten musste, was er liebte!

Mit deiner Liebe gehe in deine Vereinsamung und mit deinem Schaffen, mein Bruder; und spät erst wird die Gerechtigkeit dir nachhinken.

Mit meinen Thränen gehe in deine Vereinsamung, mein Bruder. Ich liebe Den, der über sich selber hinaus schaffen will und so zu Grunde geht.

Also sprach Zarathustra.

Von alten und jungen Weiblein

«Was schleichst du so scheu durch die Dämmerung, Zarathustra? Und was birgst du behutsam unter deinem Mantel?

«Ist es ein Schatz, der dir geschenkt? Oder ein Kind, das dir geboren wurde? Oder gehst du jetzt selber auf den Wegen der Diebe, du Freund der Bösen?»

Wahrlich, mein Bruder! sprach Zarathustra, es ist ein Schatz, der mir geschenkt wurde: eine kleine Wahrheit ist's, die ich trage.

Aber sie ist ungebärdig wie ein junges Kind; und wenn ich ihr nicht den Mund halte, so schreit sie überlaut.

Als ich heute allein meines Weges gieng, zur Stunde, wo die Sonne sinkt, begegnete mir ein altes Weiblein und redete also zu meiner Seele:

«Vieles sprach Zarathustra auch zu uns Weibern, doch nie sprach er uns über das Weib.»

Und ich entgegnete ihr:»über das Weib soll man nur zu Männern reden.»

«Rede auch zu mir vom Weibe, sprach sie; ich bin alt genug, um es gleich wieder zu vergessen.»

Und ich willfahrte dem alten Weiblein und sprach also zu ihm:

Alles am Weibe ist ein Räthsel, und Alles am Weibe hat Eine Lösung: sie heisst Schwangerschaft.

Der Mann ist für das Weib ein Mittel: der Zweck ist immer das Kind. Aber was ist das Weib für den Mann?

Zweierlei will der ächte Mann: Gefahr und Spiel. Desshalb will er das Weib, als das gefährlichste Spielzeug.

Der Mann soll zum Kriege erzogen werden und das Weib zur Erholung des Kriegers: alles Andre ist Thorheit.

Allzusüsse Früchte — die mag der Krieger nicht. Darum mag er das Weib; bitter ist auch noch das süsseste Weib.

Besser als ein Mann versteht das Weib die Kinder, aber der Mann ist kindlicher als das Weib.

Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen. Auf, ihr Frauen, so entdeckt mir doch das Kind im Manne!

Ein Spielzeug sei das Weib, rein und fein, dem Edelsteine gleich, bestrahlt von den Tugenden einer Welt, welche noch nicht da ist.

Der Strahl eines Sternes glänze in eurer Liebe! Eure Hoffnung heisse:»möge ich den übermenschen gebären!»

In eurer Liebe sei Tapferkeit! Mit eurer Liebe sollt ihr auf Den losgehn, der euch Furcht einflösst!

In eurer Liebe sei eure Ehre! Wenig versteht sich sonst das Weib auf Ehre. Aber diess sei eure Ehre, immer mehr zu lieben, als ihr geliebt werdet, und nie die Zweiten zu sein.

Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es liebt: da bringt es jedes Opfer, und jedes andre Ding gilt ihm ohne Werth.

Der Mann fürchte sich vor dem Weibe, wenn es hasst: denn der Mann ist im Grunde der Seele nur böse, das Weib aber ist dort schlecht.

Wen hasst das Weib am meisten? — Also sprach das Eisen zum Magneten:»ich hasse dich am meisten, weil du anziehst, aber nicht stark genug bist, an dich zu ziehen.»

Das Glück des Mannes heisst: ich will. Das Glück des Weibes heisst: er will.

«Siehe, jetzt eben ward die Welt vollkommen!«— also denkt ein jedes Weib, wenn es aus ganzer Liebe gehorcht.

Und gehorchen muss das Weib und eine Tiefe finden zu seiner Oberfläche. Oberfläche ist des Weibes Gemüth, eine bewegliche stürmische Haut auf einem seichten Gewässer.

Des Mannes Gemüth aber ist tief, sein Strom rauscht in unterirdischen Höhlen: das Weib ahnt seine Kraft, aber begreift sie nicht.

Da entgegnete mir das alte Weiblein:»Vieles Artige sagte Zarathustra und sonderlich für Die, welche jung genug dazu sind.

«Seltsam ist's, Zarathustra kennt wenig die Weiber, und doch hat er über sie Recht! Geschieht diess desshalb, weil beim Weibe kein Ding unmöglich ist?

«Und nun nimm zum Danke eine kleine Wahrheit! Bin ich doch alt genug für sie!

«Wickle sie ein und halte ihr den Mund: sonst schreit sie überlaut, diese kleine Wahrheit.»

«Gieb mir, Weib, deine kleine Wahrheit!«sagte ich. Und also sprach das alte Weiblein:

«Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!»

Also sprach Zarathustra.

Vom Biss der Natter

Eines Tages war Zarathustra unter einem Feigenbaume eingeschlafen, da es heiss war, und hatte seine Arme über das Gesicht gelegt. Da kam eine Natter und biss ihn in den Hals, so dass Zarathustra vor Schmerz aufschrie. Als er den Arm vom Gesicht genommen hatte, sah er die Schlange an: da erkannte sie die Augen Zarathustra's, wand sich ungeschickt und wollte davon.»Nicht doch, sprach Zarathustra; noch nahmst du meinen Dank nicht an! Du wecktest mich zur Zeit, mein Weg ist noch lang.«»Dein Weg ist noch kurz, sagte die Natter traurig; mein Gift tödtet. «Zarathustra lächelte.»Wann starb wohl je ein Drache am Gift einer Schlange? — sagte er. Aber nimm dein Gift zurück! Du bist nicht reich genug, es mir zu schenken. «Da fiel ihm die Natter von Neuem um den Hals und leckte ihm seine Wunde.

Als Zarathustra diess einmal seinen Jüngern erzählte, fragten sie:»Und was, oh Zarathustra, ist die Moral deiner Geschichte?«Zarathustra antwortete darauf also:

Den Vernichter der Moral heissen mich die Guten und Gerechten: meine Geschichte ist unmoralisch.

So ihr aber einen Feind habt, so vergeltet ihm nicht Böses mit Gutem: denn das würde beschämen. Sondern beweist, dass er euch etwas Gutes angethan hat.

Und lieber zürnt noch, als dass ihr beschämt! Und wenn euch geflucht wird, so gefällt es mir nicht, dass ihr dann segnen wollt. Lieber ein Wenig mitfluchen!

Und geschah euch ein grosses Unrecht, so thut mir geschwind fünf kleine dazu! Grässlich ist Der anzusehn, den allein das Unrecht drückt.

Wusstet ihr diess schon? Getheiltes Unrecht ist halbes Recht. Und Der soll das Unrecht auf sich nehmen, der es tragen kann!

Eine kleine Rache ist menschlicher, als gar keine Rache. Und wenn die Strafe nicht auch ein Recht und eine Ehre ist für den übertretenden, so mag ich auch euer Strafen nicht.

Vornehmer ist's, sich Unrecht zu geben als Recht zu behalten, sonderlich wenn man Recht hat. Nur muss man reich genug dazu sein.

Ich mag eure kalte Gerechtigkeit nicht; und aus dem Auge eurer Richter blickt mir immer der Henker und sein kaltes Eisen.

Sagt, wo findet sich die Gerechtigkeit, welche Liebe mit sehenden Augen ist?

So erfindet mir doch die Liebe, welche nicht nur alle Strafe, sondern auch alle Schuld trägt!

So erfindet mir doch die Gerechtigkeit, die Jeden freispricht, ausgenommen den Richtenden!

Wollt ihr auch diess noch hören? An Dem, der von Grund aus gerecht sein will, wird auch noch die Lüge zur Menschen-Freundlichkeit.

Aber wie wollte ich gerecht sein von Grund aus! Wie kann ich Jedem das Seine geben! Diess sei mir genug: ich gebe Jedem das Meine.

Endlich, meine Brüder, hütet euch Unrecht zu thun allen Einsiedlern! Wie könnte ein Einsiedler vergessen! Wie könnte er vergelten!

Wie ein tiefer Brunnen ist ein Einsiedler. Leicht ist es, einen Stein hineinzuwerfen; sank er aber bis zum Grunde, sagt, wer will ihn wieder hinausbringen?

Hütet euch, den Einsiedler zu beleidigen! Thatet ihr's aber, nun, so tödtet ihn auch noch!

Also sprach Zarathustra.

Von Kind und Ehe

Ich habe eine Frage für dich allein, mein Bruder: wie ein Senkblei werfe ich diese Frage in deine Seele, dass ich wisse, wie tief sie sei.

Du bist jung und wünschest dir Kind und Ehe. Aber ich frage dich: bist du ein Mensch, der ein Kind sich wünschen darf?

Bist du der Siegreiche, der Selbstbezwinger, der Gebieter der Sinne, der Herr deiner Tugenden? Also frage ich dich.

Oder redet aus deinem Wunsche das Thier und die Nothdurft? Oder Vereinsamung? Oder Unfriede mit dir?

Ich will, dass dein Sieg und deine Freiheit sich nach einem Kinde sehne. Lebendige Denkmale sollst du bauen deinem Siege und deiner Befreiung.

über dich sollst du hinausbauen. Aber erst musst du mir selber gebaut sein, rechtwinklig an Leib und Seele.

Nicht nur fort sollst du dich pflanzen, sondern hinauf! Dazu helfe dir der Garten der Ehe!

Einen höheren Leib sollst du schaffen, eine erste Bewegung, ein aus sich rollendes Rad, — einen Schaffenden sollst du schaffen.

Ehe: so heisse ich den Willen zu Zweien, das Eine zu schaffen, das mehr ist, als die es schufen. Ehrfurcht vor einander nenne ich Ehe als vor den Wollenden eines solchen Willens.

Diess sei der Sinn und die Wahrheit deiner Ehe. Aber Das, was die Viel-zu-Vielen Ehe nennen, diese überflüssigen, — ach, wie nenne ich das?

Ach, diese Armuth der Seele zu Zweien! Ach, dieser Schmutz der Seele zu Zweien! Ach diess erbärmliche Behagen zu Zweien!

Ehe nennen sie diess Alles; und sie sagen, ihre Ehen seien im Himmel geschlossen.

Nun, ich mag ihn nicht, diesen Himmel der überflüssigen! Nein, ich mag sie nicht, diese im himmlischen Netz verschlungenen Thiere!

Ferne bleibe mir auch der Gott, der heranhinkt, zu segnen, was er nicht zusammenfügte!

Lacht mir nicht über solche Ehen! Welches Kind hätte nicht Grund, über seine Eltern zu weinen?

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