Вильгельм Гауф
Карлик Нос и другие любимые сказки. Уровень 1 / Der Zwerg Nase und andere Lieblingsmärchen
© Матвеев С. А., адаптация текста, коммент., упражнения и словарь, 2024
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Die Karawane
Es zog einmal eine große Karawane durch die Wüste. Auf der ungeheuren Ebene[1], wo man nichts als Sand und Himmel sieht, hörte man schon in weiter Ferne die Glocken der Kamele und die silbernen Röllchen der Pferde. Eine dichte Staubwolke, die ihr vorherging, verkündete ihre Nähe[2]. Wenn ein Luftzug die Wolke teilte, blendeten funkelnde Waffen und helleuchtende Gewänder das Auge.
So stellte sich die Karawane einem Manne dar. Er ritt ein schönes arabisches Pferd, mit einer Tigerdecke, an dem hochroten Riemenwerk hingen silberne Glöckchen. Auf dem Kopf des Pferdes wehte ein schöner Reiherbusch. Der Reiter sah stattlich aus. Sein Anzug war wunderbar. Ein weißer Turban bedeckte das Haupt. Der Rock und die weiten Beinkleider waren von brennendem Rot. Und ein gekrümmtes Schwert mit reichem Griff an seiner Seite. Er hat den Turban tief ins Gesicht gedrückt. Und die schwarzen Augen, und der lange Bart, der unter der gebogenen Nase herabhing! Die gaben ihm ein wildes, kühnes Aussehen.
Als der Reiter ungefähr auf fünfzig Schritt dem Vortrab der Karawane[3] nahe war, spornte er sein Pferd an. Dann war er in wenigen Augenblicken an der Spitze des Zuges angelangt. Die Wächter des Zuges entgegenstreckten ihm ihre Lanzen.
«Was wollt ihr?«rief der Reiter.»Wird ein einzelner Mann eure Karawane angreifen?«
Die Wächter schwangen ihre Lanzen wieder auf. Der Anführer ritt an den Fremden heran. Dann fragte der Anführer nach seinem Begehr.
«Wer ist der Herr der Karawane?«fragte der Reiter.
«Sie gehört nicht einem Herrn«, antwortete der Anführer.»Die Kaufleute ziehen von Mekka in ihre Heimat. Wir leiten die durch die Wüste.«
«So führt mich zu den Kaufleuten«, begehrte der Fremde.
«Das ist unmöglich«, antwortete der Anführer.»Wir müssen ohne Aufenthalt weiterziehen. Die Kaufleute sind hinten wenigstens eine Viertelstunde weiter. Aber wollen wir weiterreiten, um Mittagsruhe zu halten? So werde ich Eurem Wunsch willfahren.«
Der Fremde sagte nichts. Er zog eine lange Pfeife, die am Sattel festgebunden war. Und er ritt neben dem Anführer des Vortrabs weiter. Der Anführer wusste nicht, was er aus dem Fremden machen sollte. Er wollte nach seinem Namen fragen. Der Anführer sagte:
«Ihr raucht einen guten Tabak «und» Euer Pferd hat einen braven Schritt«.
Aber der Fremde antwortete nur:
«Ja, ja!«
Endlich waren sie auf dem Platz angekommen. Sie wollten Mittagsruhe halten. Der Anführer hat seine Leute als Wachen[4] aufgestellt. Er selbst war mit dem Fremden. Dreißig Kamele, schwer beladen[5], zogen vorüber. Nach diesen kamen auf schönen Pferden die fünf Kaufleute, denen die Karawane gehörte. Sie waren alt. Nur einer war viel jünger als die übrigen. Er war auch froher und lebhafter als die übrigen.
Man hatte Zelte aufgeschlagen. Die Kamele und Pferde waren in der Nähe. In der Mitte war ein großes Zelt von blauem Seidenzeug. Dorthin führte der Anführer der Wache den Fremden. Sie sahen die fünf Kaufleute auf goldgewirkten Polstern. Die Sklaven reichten ihnen Speise und Getränke.
«Wen bringt Ihr uns da?«rief der junge Kaufmann.
Der Fremde sprach:
«Ich heiße Selim Baruch. Ich bin aus Bagdad. Ich war auf einer Reise nach Mekka von einer Räuberhorde gefangen. Und habe ich mich vor drei Tagen heimlich aus der Gefangenschaft befreit. Ich hörte die Glocken eurer Karawane, und so kam ich bei euch an. Erlaubet mir, dass ich in eurer Gesellschaft reise! Und wenn ihr nach Bagdad kommet, werde ich eure Güte reichlich belohnen[6]. Ich bin der Neffe des Großwesirs.«
Der älteste der Kaufleute sagte:
«Selim Baruch, willkommen in unserem Schatten! Es macht uns Freude, dir beizustehen. Setze dich, iss und trinke mit uns!«
Selim Baruch setzte sich zu den Kaufleuten. Er aß und trank mit ihnen. Nach dem Essen räumten die Sklaven die Geschirre hinweg. Dann brachten sie lange Pfeifen und türkischen Sorbet. Die Kaufleute saßen lange schweigend. Sie sahen die bläulichen Rauchwolken zu. Die Rauchwolken verschwebten in die Luft. Der junge Kaufmann sagte endlich:
«So sitzen wir seit drei Tagen, zu Pferd und am Tisch, ohne uns durch etwas die Zeit zu vertreiben[7]. Ich verspüre gewaltig Langeweile. Nach Tisch will ich Tänzer sehen oder Gesang und Musik hören. Meine Freunde, können wir uns die Zeit vertreiben?«
Die vier älteren Kaufleute rauchten fort. Der Fremde aber sprach:
«Vielleicht auf jedem Lagerplatz kann einer von uns den anderen etwas erzählen? Dies kann uns schon die Zeit vertreiben.«
«Selim Baruch, du hast Recht«, sagte Achmet, der älteste der Kaufleute,»wir nehmen den Vorschlag an.«
«Das ist gut«, sprach Selim,»und will ich den Anfang machen.«
Vergnügt rückten die fünf Kaufleute näher zusammen. Sie ließen den Fremden in ihrer Mitte sitzen. Die Sklaven schenkten die Becher wieder voll. Sie stopften die Pfeifen ihrer Herren frisch. Sie brachten glühende Kohlen zum Anzünden. Selim nahm Sorbet, strich den langen Bart über dem Mund weg und sprach:
«So hört denn die Geschichte vom Kalif Storch.«
Die Geschichte von Kalif Storch[8]
I
Der Kalif Chasid zu Bagdad saß einmal an einem schönen Nachmittag behaglich auf seinem Sofa. Er hat ein wenig geschlafen, denn es war ein heißer Tag. Er rauchte aus einer langen Pfeife von Rosenholz. Er trank ein wenig Kaffee, den ihm ein Sklave einschenkte. Er strich sich allemal vergnügt den Bart, wenn es ihm geschmeckt hat. Es war ihm recht wohl[9]. Um diese Stunde war er immer mild und leutselig. Sein Großwesir Mansor besuchte ihn alle Tage um diese Zeit. An diesem Nachmittag kam er auch. Aber sah er sehr nachdenklich aus. Das war ganz gegen seine Gewohnheit. Der Kalif tat die Pfeife ein wenig aus dem Mund und sprach:
«Warum machst du ein so nachdenkliches Gesicht, Großwesir?«
Der Großwesir schlug seine Arme über die Brust. Er verneigte sich vor seinem Herrn und antwortete:
«Herr, ob ich ein nachdenkliches Gesicht mache, weiß ich nicht. Aber da drunten am Schloss steht ein Krämer. Er hat so schöne Sachen, dass es mich ärgert, nicht viel Geld zu haben.«
Der Kalif wollte seinem Großwesir eine Freude machen. Er schickte seinen schwarzen Sklaven hinunter, um den Krämer heraufzuholen. Bald kam der Sklave mit dem Krämer zurück. Dieser war ein kleiner, dicker Mann. Er war schwarzbraun im Gesicht. Er war in zerlumptem Anzug[10]. Er trug einen Kasten, in welchem er allerhand Waren hat. Perlen und Ringe, reichbeschlagene Pistolen, Becher und Kämme. Der Kalif und sein Wesir musterten alles durch. Der Kalif kaufte endlich für sich und Mansor schöne Pistolen, für die Frau des Wesirs aber einen Kamm. Dann sah der Kalif eine kleine Schublade. Er fragte, ob da auch noch Waren waren. Der Krämer zog die Schublade heraus. Er zeigte darin eine Dose mit schwärzlichem Pulver und ein Papier mit sonderbarer Schrift. Der Kalif und Mansor konnten das nicht lesen.