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Die Schritte näherten sich so vorsichtig und leise wie möglich durch Laub und tote Äste unter den Bäumen. Sachte schob eine Hand einen tiefhängenden Zweig zur Seite, und das Gesicht eines Jungen tauchte auf. Es war schmutzig und sonnengebräunt, mit wachen, wachsamen Augen, dem Ausdruck von jemandem, der gewöhnt ist, im Wald zu leben. Der Junge ließ seinen Blick über den leergelaufenen Generator und die Drähte wandern und musterte dann die beiden schlafenden Männer und das Baby in der Mitte des umzäunten Gebiets. Dann machte er einen entschlossenen Schritt nach vorn und hob dabei den Arm mit einer Geste, die Ruhe befahl. Er trug einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen, ein Jagdmesser steckte in seinem Gürtel. Noch mehr Jungen tauchten auf, allesamt bewaffnet. Die einen hatten Pfeil und Bogen, andere Messer oder Gewehre. Leise kamen sie aus dem Wald geschlichen und umzingelten Dave, Carl und das Neugeborene.

Der erste Junge, der Anführer, duckte sich unter dem nutzlos gewordenen Generatorkabel hindurch, ging leise und schnell zu Dave und trat mit dem Fuß auf sein Handgelenk, damit er den Revolver nicht benutzen konnte. Die anderen rückten näher und hielten ihre Waffen einsatzbereit. Carl schreckte aus dem Schlaf und versuchte, sich aufzurichten, aber die Überraschung und die Schmerzen ließen ihn wieder auf den Boden zurücksacken. Über Nacht hatte sich die Steifheit seiner Muskeln verschlimmert und er starrte die Neuankömmlinge an und wurde sich gleichzeitig bewußt, daß er Fieber hatte und daß seine Wunde vermutlich entzündet war.

»Wer seid ihr? « fragte Dave den Anführer, nachdem er zu sich gekommen war und erkannt hatte, daß sie umzingelt waren. Er war sich über die Bedrohlichkeit der Lage, in der sie sich befanden, nicht ganz im klaren, und er hatte einen Rest Hoffnung, daß sie sich irgendwie zum Guten wenden würde, wenn er seine Karten in der richtigen Weise ausspielte. Die Hoffnung beruhte auf der Tatsache, daß sie schließlich von Jungen zwischen etwa dreizehn und achtzehn Jahren umstellt waren. Es waren ungefähr ein Dutzend von ihnen. Einer der Jungen bückte sich und hob Daves Revolver auf. Er streichelte ihn, sichtlich erfreut über die Errungenschaft. Dann klappte er den Zylinder heraus und stellte fest, daß der Revolver geladen war.

»Das ist meine Waffe«, protestierte Carl. »Und wir brauchen sie, um uns und das Baby zu schützen. Leg sie wieder auf den Boden.«

» Halt die Fresse!« gebot der Anführer leise, aber mit Autorität und Macht.

»Ich hätte gern ein bißchen mehr Munition dafür«, verlangte

der Junge mit dem Revolver selbstgefällig.

»Durchsucht sie«, befahl der Anführer der Bande.

Carl raffte sich unter Qualen auf die Füße. Er wollte nicht am

Boden herumgerollt werden. Gehorsam hob er die Hände über

den Kopf und spreizte die Beine. Die Jungen durchsuchten ihn schnell und geübt und nahmen das lange Messer und das Metzgerbeil, das neben ihm am Boden gelegen hatte. Er war weder im Besitz einer Brieftasche noch einer Uhr noch hatte er Geld. Sämtliche Wertgegenstände waren ihn von John Carters Bande schon am Vortag abgenommen worden. Dave legte das Baby sanft auf den Boden und stand ebenfalls auf. Er hob die Hände über den Kopf und ließ zu, daß seine Taschen umgestülpt wurden. Ihm nahmen die Jungen die Taschenlampe, den Revolver und die Munition, die in den Taschen seiner Jacke steckte, ab. Dann bückte sich Dave und nahm das Baby auf den Arm. Es wachte auf und fing an zu schreien.

Die Bande, enttäuscht, kein Geld gefunden zu haben, fing an, zu murren.

»Wir haben nichts«, beteuerte Carl, dem das Sprechen schwerfiel. »Wir sind schon ausgeplündert worden.« Er überlegte, ob es ratsam sei, den Jungen zu sagen, daß sie Polizisten waren, entschied aber, daß das ihre Chancen nicht vergrößern würde. Er war überzeugt, es hätte eher sogar den gegenteiligen Effekt, falls die Jungen während dieser gesetzlosen Zeiten irgendwelche Verbrechen begangen hatten. Das Baby schrie noch immer. Dave drückte es an sich und wiegte es. Er sah den Anführer an, weil er hoffte, die Feindseligkeit der Bande beruhe auf Angst und es bestehe vielleicht eine Möglichkeit, gemeinsam aus der Sache herauszukommen, indem sie einander halfen. »Das Baby hat Hunger«, erklärte Dave schließlich, als er nichts als Haß in den Augen des Jungen gesehen hatte.

»Halt die Fresse«, wiederholte der Anführer, als sei das seine einzige Antwort auf alles.

»Wir müssen das Baby zu einem Arzt schaffen«, fuhr Dave trotzdem fort. »Seine Mutter ist tot. Und mein Kollege ist verwundet.«

»Wir sind von der Polizei«, wagte Carl den Versuch.

»Klar doch. Und ich bin der Bürgermeister«, kicherte der

Junge mit dem Revolver. Er schien der zweite in der Hierarchie zu sein.

»Wo seid ihr hergekommen? « wollte der Anführer wissen. »Aus dem Farmhaus von den Millers dort unten.« Dave zeigte den Hügel hinunter. Dann tätschelte er das Baby und versuchte, es zu trösten, da es noch immer fürchterlich schrie. »Alle anderen wurden umgebracht. Die Mutter von dem Kleinen hier ist tot. Ihr könnt ja hingehen und nachschauen. « Einer der Jungen kicherte. »Sicher... und uns von all den Monstern da unten zerfleischen lassen.« Dave hatte erkannt, daß Carl und er von den Jungen keine Unterstützung erwarten konnten. Es war also ratsam, ihre Energie auf irgend etwas zu lenken, ehe sie zu gefährlich wurden. Wenn er Glück hatte, konnten Carl und er mit dem Baby und ihren Waffen entkommen. Er überlegte sich ein Argument. »Ihr seht doch, daß wir weder Geld noch irgendwelche Wertgegenstände besitzen. Warum gebt ihr uns nicht einfach unseren Revolver zurück, damit wir uns schützen und für das Baby etwas zu essen finden können? « Er sah den Anführer an.

»Nicht dumm, der Versuch«, gab der Anführer zu. »Aber den Revolver behalten wir. Wir brauchen ihn selbst. Im Augenblick heißt es >Jeder für sich!< - das solltet ihr doch wissen.« Er lachte grausam. »So, und jetzt bewegt euch!« Er hob seinen Bogen und zielte mit einem Pfeil auf Daves Brust. Dave und Carl zögerten. Die anderen Mitglieder der Bande richteten ihre Waffen ebenfalls auf sie. Der Junge, der den Revolver ergattert hatte, entsicherte ihn. Wenn er auf den Auslöser drückte, würde ein Schuß losgehen. »Los, bewegt euch, habe ich gesagt!« brüllte der Anführer. Von der Anstrengung, seiner Stimme Kraft zu verleihen, vibrierte der Pfeil ein bißchen.

Widerstrebend begannen Carl und Dave, der das noch immer schreiende Baby im Arm trug, den Abstieg den Hügel hinunter zur Straße.

Der Anführer rief hinter ihnen her und wies mit dem rechten Arm, der den Bogen hielt, in der dem Haus der Millers entgegengesetzten Richtung die Straße entlang: »Weniger als fünf Kilometer von hier gibt es noch eine Farm! Vielleicht könnt ihr dort Hilfe kriegen!«

»Zur Hölle mit ihnen«, fluchte der zweite in der Hierarchie und streichelte dabei den Revolver. »Sollen sie doch auf sich selber aufpassen. Vor allem, wenn sie wirklich Bullen sind. Und wenn sie einen Anruf durchgeben und uns die Kollegen auf den Hals hetzen? «

»Keine Sorge, die Telefonleitungen sind tot«, erwiderte der Anführer. »Und außerdem sind wir längst über alle Berge, ehe uns irgendwer was anhaben kann. Was meint ihr, wollen wir uns mal die Farm anschauen, von der sie gesprochen haben? Wenn da wirklich alle tot sind, können wir vielleicht problemlos Beute machen.«

Auf ein Zeichen des Anführers rannte die Bande schreiend und johlend den Abhang hinunter in Richtung der Stätte von Tod und Entsetzen.

Dave und Carl brauchten eine gute Stunde, um zu dem nächsten Farmhaus zu gelangen. Während des Marsches, der für Carl unendlich qualvoll war, schrie das Baby, bis es, von Hunger und Erschöpfung geschwächt, einschlief. Dave, der es trug, beobachtete wachsam die Umgebung nach etwaigen Überfällen. Die beiden Männer kamen nur langsam voran. Sie hielten sich zur Deckung im Gebüsch am Straßenrand, wenn immer sie dazu in der Lage waren. Das Gelände ober- und unterhalb der Straße war hügelig und so dicht mit undurchdringlichem Gestrüpp überwuchert, daß es nicht möglich war, dort entlangzuschleichen, schon gar nicht für Carl in seinem gegenwärtigen Zustand.

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