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Eva дrgerte sich.

»Ja, sie ist ein gutes Mдdchen.« Oma sprach mit vol­lem Mund. Eva konnte den Knцdel-Rotkrautbrei zwi­schen ihren Zдhnen sehen.

»Nur der Berthold«, fuhr der Vater fort. »Der Ber­thold ist faul. Nicht dass er etwa dumm wдre! Faul ist er.«

Berthold wurde rot. Er hatte den Mund voll, kaute verzweifelt und wьrgte. Er musste husten und hielt sich schnell die Hand vor den Mund. Eva betrachtete ihren Vater. Er schaute mit finsterem Gesicht zu, wie die Mutter unbeholfen auf Bertholds Rьcken klopfte.

»Trink etwas«, sagte er. Gehorsam griff Berthold nach dem Glas mit Apfelsaft. Seine Hand war gespren­kelt mit Saucenflecken, braun wie Sommersprossen. Er trank hastig.

»Wenn Marianne ihn nicht so verwцhnt hдtte«, sagte der Vater.

»Ja, ja«, antwortete Oma. »Bei Kindern muss man auch mal hart durchgreifen.«

Die Mutter sagte kein Wort.

»Aber die Eva«, wiederholte der Vater, »die Eva macht uns viel Freude. Sie schreibt nur gute Noten.«

»Ja, ja, das Evachen«, sagte die Oma und schob ein Stьck Knцdel in den Mund. »Das Evachen ist ein gutes Kind. Du warst auch immer ein gutes Kind, Fritz.«

Eva aЯ ihren Teller leer.

Nach dem Essen spьlte die Mutter das Geschirr, Eva trocknete ab. »Aber das musst du doch nicht machen, Marianne«, sagte die Oma jeden Sonntag. Und jeden Sonntag antwortete die Mutter: »Aber das mach ich doch gern, Oma, wo du uns doch schon so was Schц­nes gekocht hast.«

Eva war schlecht von dem vielen Essen.

Zum Kaffeetrinken waren sie dann schon zu Hause. Es gab wieder den besonders guten Kuchen.

»Adelheids Sohn wird studieren«, sagte der Vater bitter. »Und meiner? Mein Sohn geht nicht mal aufs Gymnasium.«

»Hack doch nicht immer auf dem Jungen herum«, sagte die Mutter.

Das Gesicht des Vaters wurde bцse. »Du halt dich da raus! Warum hat er denn die Ьbertrittstests nicht geschafft, wie? Weil er nicht rechnen kann! Und das will mein Sohn sein!«

Eva musste sich auf die Zunge beiЯen, um nicht laut zu lachen. Wahrscheinlich, dachte sie, wдre er viel lie­ber der Sohn von jemand anders. Laut sagen konnte sie das natьrlich nicht. Der Vater war Buchhalter und bildete sich viel darauf ein, dass er sehr schnell und sehr sicher rechnen konnte. Fьr ihn war die Note in

Mathematik ein MaЯstab fьr die Intelligenz eines Men­schen, und Intelligenz war das, womit man es im Le­ben zu etwas brachte, beispielsweise zu einer gut ein­gerichteten Wohnung, Farbfernseher, Waschmaschine, Spьlmaschine und so weiter.

»Wie willst du es denn im Leben je zu etwas brin­gen, wenn du so faul bist?«

Na bitte, hatte sie es nicht gewusst?

»Ich will Fernfahrer werden«, sagte Berthold in ei­nem Anfall von Trotz. »Da brauche ich kein Gymna­sium.«

»Ich wдre froh gewesen, wenn ich hдtte lernen dьr­fen«, antwortete der Vater bitter. »Aber bei uns war kein Geld da fьr so etwas. Und weil ich das besser be­urteilen kann als du, sage ich dir, dass du im nдchsten Jahr so viel lernen wirst, dass dir die Dummheiten schon vergehen. Und dein Zeugnis wird nach der fьnf­ten Klasse besser, verstanden?«

Berthold senkte die Augen auf den Teller. Eva sah ihm an, dass er am liebsten geweint hдtte. Stattdessen beugte er sich vor und schob ein Stьck Kuchen in den Mund. Er setzte die Tasse an und trank Kakao nach. Dann schluckte er und biss sofort wieder in den Ku­chen. Eva schaute ihm verstohlen zu. Berthold aЯ sehr schnell, man konnte eigentlich nur schlingen dazu sa­gen. Er schaute nicht mehr von seinem Teller auf. Ver­bissen stopfte er sich voll.

»Eva, warum isst du nicht?«, fragte der Vater.

Sie merkte erst jetzt, dass das Stьck Kuchen noch unberьhrt vor ihr auf dem Teller lag. Ohne den Vater anzuschauen, sagte sie: »Bei deiner Meckerei kann ei­nem ja der Appetit vergehen.«

»Eva!« Die Stimme der Mutter klang erschrocken.

»Ist doch wahr!«

»Ach, die junge Dame wird aufmьpfig, wie?«, sagte der Vater. »Bis jetzt habe ich allerdings noch nie ge­merkt, dass dir der Appetit vergangen wдre. Du siehst jedenfalls nicht so aus.«

»Hцrt doch auf!«, sagte die Mutter beunruhigt. »Ich weiЯ gar nicht, was heute in euch gefahren ist. Beim Essen streitet man nicht. Das ist nicht gesund.«

Eva schwieg. Was hдtte sie auch sagen kцnnen ? Wenn es nach der Mutter ging, war es ьberhaupt nie gesund zu streiten. Aber fьr den Vater war es offen­sichtlich gesund, jeden Tag zu meckern. Eva kaute auf ihrem Kuchen herum. Er war trocken und brцsehg. Sie legte ihn wieder auf den Teller.

»Das Stьck Kuchen wirst du doch noch essen kцn­nen«, sagte die Mutter. »Nur das eine Stьckchen.«

Eva machte es wie Berthold. Sie trank viel Kakao nach.

Eva und Michel saЯen in der Milchbar. Es regnete. Eva trug die Haare wieder offen. Michel hielt ihre Hand und sie schauten sich ьber den Tisch hinweg an.

»Kцnnten wir nicht nachher in die Diskothek ge­hen?«

»Warum?«, fragte Michel. »Ich wдre viel lieber mit dir allein irgendwo. Kцnnen wir wirklich nicht zu dir nach Hause gehen?«

»Nein«, sagte Eva. »Du kennst meinen Vater nicht.«

»Schade.«

»Ich mцchte so gern einmal in eine Diskothek ge­hen. Ich war noch nie.«

Michel zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Aber es ist sehr laut dort. Und teuer.«

»Ich habe noch Geld.«

»Gut, dann gehen wir in die Disko am Josephs­platz.«

Eva zцgerte. »Ich habe noch nie getanzt. AuЯer mit meinem Vater Walzer.«

An Neujahr war das gewesen. Vater hatte Sekt ge­trunken und war sehr lustig gewesen. Aus dem Radio klang laute Tanzmusik.

Plцtzlich rдumte Vater die Sessel und den Tisch zur

Seite, ganz aufgekratzt war er, und stellte das Radio noch lauter.

»Komm, Mama, jetzt zeigen wir mal den Kindern, wie man Walzer tanzt.«

Die Mutter wehrte ab. »Ach nein, Fritz. Wir haben schon so lange nicht mehr getanzt.«

»Los«, sagte der Vater und zog die widerstrebende Mutter aus dem Sessel. »Los, Marianne. Keine Mьdig­keit vorschьtzen.«

Und dann tanzten sie und der Vater sang laut mit. »Donau, so blau, so blau, so blau ...!«

Sie tanzten Tango und Walzer, Cha-Cha-Cha und Foxtrott, so lange, bis die Mutter rote Backen bekam.

»Eva, jetzt bist du dran«, sagte der Vater, als die Mutter sich schwer atmend in einen Sessel fallen lieЯ.

»Ich kann doch nicht tanzen«, antwortete Eva.

»Dann wird es Zeit, dass du es lernst.«

Eva war plцtzlich sehr aufgeregt. Sie bewunderte den Vater, der seinen schweren Kцrper so gewandt und sicher bewegte. Er sah anders aus als sonst. Jьnger.

»Euer Vater hat frьher einmal den ersten Preis bei einem groЯen Tanzwettbewerb gewonnen. Das war da­mals, als wir uns kennen gelernt haben.«

Eva sah ihren Vater ьberrascht an. »Wirklich?«

Sie fьhlte sich tцlpelhaft und ungeschickt, kam aus dem Takt und trat ihrem Vater auf die FьЯe.

»Nicht so, Eva. Du darfst nicht an deine Beine den­ken. Achte nur auf

den Takt und lass dich fьhren.

Hцrst du? Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei.«

Und dann war es wirklich ganz leicht. Eva drehte sich und drehte sich, lieЯ sich in die Musik und in Va­ters Arm fallen und fьhlte sich leicht und glьcklich.

»Das machst du prima, Eva. Wirklich! Mama, wir mьssen bald mal mit unserer groЯen Tochter tanzen gehen.«

Mama nickte gerьhrt. Berthold war ьber seinem Mickymausheft eingeschlafen.

»Mit meinem Vater habe ich getanzt«, sagte Eva und sah Michel wieder an. »Er hat frьher mal den ersten Preis bei einem Tanzwettbewerb gewonnen.«

»Wirklich?«

»Ja, das war damals, als er meine Mutter kennen lernte.«

Michel sah sie zweifelnd an. »Aber in einer Disko tanzt man keinen Walzer.«

Eva lachte. »Das weiЯ ich. Ich habe das schon oft im Fernsehen gesehen.« Sie dachte an die heimlichen Tanzversuche in ihrem Zimmer. So schwer konnte das doch nicht sein.

In der Diskothek war es sehr voll. Eva wдre am liebsten wieder hinausgegangen, als sie all die schlan­ken, schцnen Mдdchen sah. Na ja, nicht alle waren so schlank. Es waren auch ein paar Dicke dabei. Eine stand mit einer Colaflasche in der Hand da, mitten zwischen anderen Jungen und Mдdchen, und lachte.

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