Литмир - Электронная Библиотека

Pyke grunzte, zufrieden oder verächtlich, das ließ sich nicht feststellen.

Dann rief er:»Zwei Mann bleiben beim Boot! Ladet jetzt eure Waffen. «Dann deutete er aufwärts in die Dunkelheit.»Ashmore, du beziehst dort oben Posten. Paß auf, daß sich kein neugieriger Halunke in der Gegend herumtreibt.»

Unsichtbar fragte Ashmore aus dem Dunkel:»Und wenn einer auftaucht, Sir?»

«Dann schlag ihm den Schädel ein, zum Teufel!«Pyke schnallte seinen Gürtel fest.»Der Rest kommt mit uns. «Zu Bolitho sagte er:»So eine Nacht wie diese ist genau richtig. «Der Schnee wirbelte um sie herum, als sie sich einen steilen, gewundenen und schlüpfrigen Pfad aufwärtstasteten. Als Bolitho einmal anhielt, um an einer besonders steilen und glatten Stelle seinem Nachfolger die Hand zu reichen, sah er weit unter sich die See, die in endloser Reihe anstürmenden, schwarzen, leuchtend weiß gekrönten Brecher.

Plötzlich dachte er an seine Mutter. Es kam ihm völlig unwirklich vor, daß sie nur etwa zwölf Meilen von ihn entfernt sein sollte; immerhin war es ein gewaltiger Unterschied zwischen der Vogelfluglinie und dem Zickzackkurs der Avenger bis in diese Bucht.

Pyke schien unermüdlich. Seine langen, hageren Beine trugen ihn mit einer Geschwindigkeit und Sicherheit aufwärts, als täten sie das jeden Tag.

Bolitho versuchte, die Kälte und den ihn blendenden Schneeregen zu ignorieren. Es war wie ein Weg ins Nirwana. Er prallte gegen Pykes Rücken, als dieser plötzlich innehielt und zischte: «Leise! Irgendwo dort oben muß die Hütte stehen. «Bolitho griff nach seinem Degen und spitzte die Ohren. Pyke nickte.»Ja, hier entlang. «Er eilte weiter auf dem Pfad, der nun allmählich flacher wurde.

Kurz darauf schimmerte wie ein heller Felsblock die Hütte aus dem Schneeregen. Sie war kaum größer als ein normales Zimmer, hatte sehr niedrige Wände, ein Strohdach und kleine, blinde Fenster.

Bolitho überlegte, wer wohl hier in der Einsamkeit wohnen mochte. Es mußte ziemlich weit sein bis zur nächsten Siedlung oder gar bis zu einem Dorf.

Pyke studierte die kleine Hütte mit beruflichem Interesse. Zu Bolitho sagte er:»Der Mann heißt Portlock und ist sich für nichts zu schade: Wildern, Spitzeln für die Anwerber, Schmuggel — er faßt alles an, was Geld bringt. «Pyke lachte kurz auf.»Wie der's all die Jahre fertiggebracht hat, dem Henker zu entgehen, ist mir ein Rätsel. «Er seufzte.»Robins, gehen Sie eine halbe Kabellänge weiter und passen Sie gut auf. Coote, Sie stellen sich auf die Rückseite der Hütte. Da ist zwar keine Tür, aber man kann nie wissen. «Er blickte Bolitho an.»Klopfen Sie lieber.«»Ich denke, wir sollen leise sein?»

«Nur zu Anfang. Bis hierher sind wir wohl unbemerkt gekommen. «Leise näherte er sich der Hütte.»Wenn wir aber jetzt beobachtet werden, Mr. Bolitho, muß es offiziell aussehen, sonst wird der redselige Mr. Portlock bald wie ein Fisch aufgeschlitzt.»

Bolitho nickte. Er lernte ständig dazu.

Dann zog er seinen Degen und schlug nach kurzem Zögern kräftig mit dem Griff gegen die Tür.

Zunächst passierte nichts, man hörte lediglich das Prasseln des Schneeregens, das keuchende Atmen der Seeleute.

*ca. 92 m

Nach einer ganzen Weile rief eine Stimme:»Wer ist da, mitten in der Nacht?»

Bolitho schluckte. Er hatte nach Pykes Beschreibung eine grobe Männerstimme erwartet, aber es war eine weibliche, noch dazu klang sie jung und verängstigt.

Er spürte die Spannung der Seeleute und rief mit fester Stimme:»Im Namen des Königs, öffnen Sie, Madam!«Langsam und zögernd wurde die Tür aufgemacht, das spärliche Licht einer trüben Laterne warf einen schwach orangefarbenen Schimmer über ihre Füße.

Pyke schob sich ungeduldig durch die Tür und rief:»Einer von euch bleibt draußen!«Er schnappte sich die Laterne, schwenkte sie suchend durch den Raum und sagte:»Wie eine verdammte Gruft!«Bolitho hielt den Atem an, als das Innere der Hütte sichtbar wurde.

Selbst bei dieser dürftigen Beleuchtung sah er, daß sie vor Schmutz starrte. Alte Fässer und Kisten lagen unordentlich auf dem Boden herum, während Treibholz und anderes Strandgut an den Wänden und rund um den fast erloschenen Kamin wie eine Barrikade aufgeschichtet waren.

Bolitho warf einen Blick auf das Mächen, das die Tür geöffnet hatte. Es trug kaum mehr als Lumpen und war trotz des kalten

Fußbodens aus festgestampfter Erde barfuß. Ihm wurde fast übel.

Sie mußte ungefähr in Nancys Alter sein, überlegte er.

Ein Mann, der wohl Portlock sein mußte, stand an der hinteren

Wand und sah genauso aus, wie Bolitho ihn sich vorgestellt hatte:

brutal, grobgesichtig, einer, der für Geld alles tun würde.

Der Kerl rief jetzt mit heiserer Stimme:»Ich hab' nichts getan!

Wer gibt euch das Recht, hier mitten in der Nacht einzudringen?»

Als niemand antwortete, wurde er kühner und reckte sich hoch auf.

«Was für ein Offizier sind Sie eigentlich?»

Er starrte Bolitho so haßerfüllt an, daß dieser die Wut des

Mannes fast körperlich zu spüren glaubte.

«Das lasse ich mir nicht gefallen, nicht von so einem grünen

Jungen!»

Pyke huschte hinüber wie ein Schatten. Sein erster Schlag warf Portlock keuchend auf die Knie, der zweite schleuderte ihn zu Boden, wo er auf der Seite liegenblieb. Ein roter Blutfaden lief über sein Kinn.

Pyke war nicht einmal außer Atem.»Nur damit wir uns richtig verstehen!«Er trat zurück und balancierte auf den Fußballen, während Portlock sich stöhnend vom Boden erhob.»In Zukunft wirst du einen Offizier des Königs mit Respekt behandeln, gleichgültig, wie alt er ist, verstanden?»

Bolitho hatte das Gefühl, daß ihm die Führung entglitt.»Sie wissen genau, warum wir hier sind. «Er sah, wie sich der Blick des Mannes in Sekundenschnelle von Wut in Unterwürfigkeit wandelte.

«Ich mußte doch ganz sichergehen, junger Herr.»

Bolitho wandte sich angeekelt ab.»Oh, stellen Sie ihm in Gottes

Namen schon Ihre Fragen«, sagte er zu Pyke.

Er blickte nach unten, weil eine Hand seinen Arm berührte. Es war das Mädchen, das seinen durchnäßten Rock befühlte, wobei es leise vor sich hinsummte wie eine Mutter, die ihr Kind im Arm hält.

«Zurück, Mädchen!«rief ein Seemann scharf. Zu Bolitho gewandt, sagte er heftig:»Diesen Blick kenne ich, Sir. So gierig, wie wenn sie die Gehenkten noch am Galgen fleddern!«Pyke fügte hinzu:»Oder die Unglücklichen, die das Pech hatten, hier zu stranden!»

Portlock sagte:»Von alldem weiß ich nichts, Sir!»

«Wir werden ja sehen. «Pyke betrachtete ihn kalt.»Ist die

Ladung noch hier?»

Portlock nickte, wobei er den Bootsmann wie ein verängstigtes Kaninchen anstarrte.»Aye.»

«Gut. Und wann soll sie abgeholt werden?«Sein Ton wurde schärfer.»Lüg' nicht!»

«Morgen früh, bei Niedrigwasser.»

Pyke blickte Bolitho an.»Ich glaube ihm. Bei Niedrigwasser ist es leichter, die Ware auf den Haken zu bekommen. «Er zog eine Grimasse.»Außerdem sind die Zollboote dann gezwungen, im tieferen Wasser zu bleiben.»

Bolitho sagte:»Dann rufen wir wohl besser die Leute wieder zusammen.»

Pyke aber beobachtete Portlock noch immer. Schließlich sagte er:

«Du bleibst hier.»

Portlock protestierte.»Aber mein Geld! Man hat mir versprochen…»

«Verdammt sei dein Geld!«Bolitho konnte sich nicht beherrschen, obwohl er merkte, daß Pyke ihn amüsiert betrachtete.»Wenn du uns verrätst, geht es dir genauso dreckig wie denen, die du jetzt an uns verraten hast!»

Er blickte das Mädchen an, sah den blauen Fleck auf seiner Wange, den Ausschlag um den Mund. Als er aber die Hand tröstend ausstreckte, schreckte sie zurück und hätte ihn wohl angespuckt, wäre nicht ein stämmiger Seemann dazwischengetreten.

Pyke verließ die Hütte und wischte sich dabei das Gesicht ab.»Sparen Sie sich Ihr Mitleid, Mr. Bolitho. Abschaum zeugt Abschaum.»

Bolitho fiel neben Pyke in Schritt. Die funkelnden Geschütze und hellen Segelpyramiden eines Linienschiffes schienen ihm weiter entfernt denn je. Dies hier war Verkommenheit auf ihrer untersten Stufe, wo selbst die kleinste Regung von Anstand als Schwäche ausgelegt wurde.

10
{"b":"112651","o":1}