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„Und um dem Faß die Krone aufzusetzen, ist auch noch mein Bier warm geworden!“ schrie Rod. „Du nennst dich Wirt und wagst es, einen Söldnergentleman so zu behandeln!“ „Verzeiht, Eure Lordschaft!“ wimmerte der Wirt und versuchte sich mit bewundernswertem Eifer, doch vergebens aus Rods Griff zu befreien. „Ich meinte es nicht böse, Mylord, ich wollte nur…“

„Mich berauben!“ schnaubte Rod. Er gab ihn abrupt frei und half noch ein bißchen nach, daß er rückwärts auf einen Tisch fiel. „Einen Becher heißen Wein, ehe ich bis drei gezählt habe, dann untersage ich mir vielleicht das Vergnügen, dir die Ohren zu strecken und unter dem Kinn zusammenzuknüpfen.

Verschwinde!“

Er zählte, mit drei Sekunden Pause zwischen eins und zwei und zwei und drei, bis drei, und schon war der Becher in seiner Hand. Mit den Händen an die Ohren gepreßt, brachte der Wirt sich in Sicherheit. Rod nippte an dem heißen Wein und überlegte, was ein Karmacker war. Nach einer Weile brüllte er nach dem Wirt und befahl ihm, ein Zimmer zu richten und extra Decken bereitzulegen. Dann trat er hinaus auf den Hof und atmete die frische Luft ein.

Während er seinen Gedanken nachhing, zog ihn jemand am Ärmel. Rod wirbelte herum. Es war der große Tom, der sich bemühte, mit seinen zwei Meter fünfzehn kleiner als Rod auszusehen. „Guten Abend, Herr“, murmelte er.

Rod starrte ihn einen Augenblick verblüfft an, dann fragte er: „Was willst du denn?“

Der große Tom nahm den Hut in die Hand, ließ die Schultern hängen und kratzte sich am Hinterkopf. „Eh, Meister, Ihr habt mich zum Gespött der Leute gemacht. Ich kann mich hier nicht mehr sehen lassen…“

„Aha!“ knurrte Rod wütend, „und jetzt willst du vielleicht auch noch, daß ich Schadenersatz dafür leiste, heh?“

„Nein, nein, Herr!“ Tom wich erschrocken zurück. „Es ist nur -

es ist ganz anders — ich hab' mir gedacht — ich meine, ob…“ Er verdrehte und zerknüllte den Hut zwischen seinen mächtigen Pranken, daß es fraglich war, ob er je seine Form zurückbekommen würde. „Ich — ich dachte, ob Ihr nicht vielleicht einen Burschen — einen Knecht — einen Knappen braucht, und…“ Seine Stimme erlosch. Unter niedergeschlagenen Lidern beäugte er Rod ängstlich und hoffnungsvoll.

Rod war einen Moment wie erstarrt und betrachtete das offene Gesicht des Riesen, das ihn geradezu anzubeten schien. Er überkreuzte die Arme und lehnte sich an den Türrahmen. „Was soll denn das, Tom? Vor einer halben Stunde wolltest du mich noch fertigmachen und ausrauben, und jetzt soll ich dir so sehr vertrauen, daß ich dich als Knappen nehme?“ Tom zog die Brauen zusammen und biß sich auf die Unterlippe. „Ich weiß, es ist viel verlangt, Meister, aber…“ Seine Hand beschrieb eine vage Geste. „Es ist so, Ihr seid der erste, der mich schlagen konnte, und…“ Wieder verstummte er. Rod nickte bedächtig, ohne den Blick von Toms Gesicht zu lassen. „Und deshalb mußt du mir dienen?“

Tom schob gekränkt die Unterlippe vor. „Ich muß nicht, Herr — ich möchte es.“

„Ein Räuber und Dieb“, murmelte Rod, „und ich soll dir trauen! Aber du hast ein offenes Gesicht, das seine Gefühle nicht verbirgt.“

Gekabs Stimme erklang hinter Rods Ohr. „Die vorläufig vorhandenen Daten lassen auf eine simple Persönlichkeitsstruktur schließen. Die Wahrscheinlichkeit, daß dieses Individuum als verläßliche Auskunftsquelle für hiesige Zustände dienen wird, ist höher als die, daß er ein falsches Spiel mit Ihnen treiben wird.“

Rod kramte in seinem Beutel und holte ein Silberstück heraus — es roch ein wenig nach Knoblauch, von dem Rest der Wurst, den er sich in die Tasche gesteckt hatte, und drückte es in die Hand des Riesen.

Tom starrte das Silber blinzelnd an, dann Rod. Schließlich schloß er die leicht zitternde Faust, während seine Augen an Rod hingen.

„Du hast das Handgeld angenommen“, sagte Rod, „also bist du mein Knappe!“

Tom grinste von Ohr zu Ohr. Er verneigte sich tief. „Ja, Herr! Ich danke Euch, Herr! Ich werde Euch immer danken, Herr! Ich…“

„Ist schon gut“, wehrte Rod ab. Er mochte es nicht, wenn ein Erwachsener sich klein machte. „Du kannst gleich mit deinem Dienst anfangen. Sag, wie schwierig ist es, als Söldner in der Armee der Königin unterzukommen?“

„Gar nicht schwierig, Herr. Sie braucht ständig neue Soldaten.“

Ein schlechtes Zeichen, dachte Rod. „Also gut“, brummte er.

„Geh du in die Wirtschaft zurück, erkundige dich, welches Zimmer ich habe und vergewissere dich, daß sich dort keine Meuchelmörder versteckt haben.“

„Ja, Herr, sofort, Herr!“ Tom rannte ins Haus.

Ein fernes Heulen zerschnitt die Nacht und wurde zu einem schrillen Kreischen. Erstaunt horchte Rod auf. Sirenen. In dieser Kultur? Das Heulen kam von links. Er blickte hoch und sah die Burg auf der Bergkuppe. Und dort auf den Zinnen unter einem Turm leuchtete und schrillte etwas wie ein Polizeiwagen.

Die Gäste kamen aus der Wirtschaft gerannt und starrten und deuteten.

„Das Gespenst!“ riefen sie. „Schon wieder!“ „Es wird schon nichts passieren. Ist es nicht bereits dreimal erschienen und die Königin lebt immer noch?“

„Gekab!“ sagte Rod leise in den Empfänger. „Auf den Burgzinnen ist ein 'Gespenst'. Gekab, hörst du? Ein 'Gespenst'!“

Es erfolgte keine Antwort. Und dann erhob sich ein gräßliches Summen hinter Rods Ohr und schwoll an, bis es seinen Schädel zu zersprengen drohte, ehe es endlich wieder aufhörte.

Rod schüttelte den Kopf und schlug sich mit der Hand gegen die Schläfe. „Ich muß den Burschen doch überholen lassen“, 44-

brummte er. „Früher waren seine Anfälle wenigstens leise!“ Natürlich wäre es unklug gewesen, wenn er sich gleich in den Stall begeben hätte, um den Unterbrecher wieder zu arretieren, solange der Hof voller Neugieriger war. Also begab er sich auf sein Zimmer und legte sich nieder, um sich ein wenig zu entspannen. Und natürlich war er, als es auf dem Hof endlich wieder ruhig wurde, viel zu müde, um noch in den Stall zu gehen und den Roboter wieder einzuschalten. In der Nacht würde er ihn ja nicht brauchen.

In seinem Zimmer war es dunkel und still, wenn man von Toms Schnarchen absah, der sich am Fuß des Bettes zusammengekauert hatte und schlafend noch mehr Krach machte als wach.

Tom war ihm ein Rätsel. Rod hatte noch nie gekämpft, ohne daß er nicht zumindest einen Hieb abbekommen hatte, doch Tom hatte keinen einzigen gelandet. Das war merkwürdig, denn auch große, kräftige Männer konnten flink sein… Warum hatte der Rie se sich so leicht schlagen lassen? Damit er ihn in seine Dienste aufnahm?

Und was war mit Adam und Einohr? Ihrem Gespräch nach hatten sie an der Kundgebung am Kai teilgenommen. Das bedeutete demnach, daß sie der Proletarierpartei angehörten, dem Haus Clovis, richtig. Aber wenn Adam und Einohr typische Vertreter waren, mußte das Haus Clovis in sich gesplittert sein. Offenbar gab es zwei Fraktionen, die eine, die hinter Loguire stand — war das der jugendlichen Redner? — und eine andere, die von dem Spötter — wer immer das war — geführt wurde. Also die üblichen gegesätzlichen Faktionen, eine, die ihr Ziel mit friedlichen Mitteln erreichen wollte, und die andere mit Gewalt — Zunge und Schwert!

Weshalb wollte der große Tom seinen Butler spielen? Um in der Gesellschaft aufzusteigen? Nein, der Typ war er nicht. Eines besseren Lohnes wegen? Aber als der Oberschläger hier dürfte es ihm an Mitteln nicht mangeln.

Vielleicht, um auf ihn, Rod, ein Auge zu haben?

Rod rollte sich auf die Seite. Möglicherweise hatte das Haus Clovis ihn geschickt, um auf ihn aufzupassen. Aber sie konnten doch unmöglich etwas ahnen, oder?

Wenn allerdings Gekab mit seiner Annahme recht hatte, dann war es durchaus möglich, daß hinter dieser Partei eine fremde Macht stand, die sehr wohl Verdacht geschöpft haben mochte -

wie, spielte jetzt keine Rolle. Er war hellwach und jeder Muskel angespannt. Seufzend rollte er sich aus dem Bett. Er konnte jetzt nicht mehr schlafen. Es war besser, er würde Gekab wieder einschalten und sich seine Meinung anhören.

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