Литмир - Электронная Библиотека
A
A

„Es war Ehre genug…“

„Später“, unterbrach Rod ihn hastig. Gekab hatte seine Standardpredigt über die noblesse oblige Tradition der

Maximaroboter, die er nur zu gern hielt, sobald man ihm die geringste Gelegenheit dazu gab. „Wir haben immer noch das Namensproblem“, erinnerte er Gekab.

„Wenn Sie meinen“, brummte der Roboter ein wenig verärgert. „Söldner, wieder einmal?“

„Ja, das gibt mir einen guten Vorwand, weit herumzukommen.“

„Sie könnten sich als wandernder Minnesänger ausgeben.“ Rod schüttelte den Kopf. „Minnesänger müssen immer mit den allerletzten Neuigkeiten vertraut sein. Aber es wäre vielleicht keine schlechte Idee, mir eine Harfe zu besorgen — vor allem, wenn das Regierungs oberhaupt eine Frau ist. Lieder finden auch dort Einlaß, wo Schwerter es nicht können…“ „Es ist jedesmal das gleiche… Wie gefällt Ihnen,Gallowglass'? Das war die irische Bezeichnung für Söldner.“ „Gallowglass…“ Rod rollte das Wort auf seiner Zunge. „Nicht schlecht. Es hat Esprit.“ „Genau wie Sie!“

„Täusche ich mich, oder klang es wirklich ironisch? Aber es ist tatsächlich ein gutes, solides Wort — und man kann es wirklich nicht als schön bezeichnen…“

„Darum paßt es ja so gut zu Ihnen“, murmelte der Roboter. „Ja, ich würde sagen, der Name ist genau richtig. Rod Gallowglass. Brrrl“

Rod zerrte am Zügel und runzelte die Stirn. Von irgendwo geradeaus vor ihnen erklang das gedämpfte Gemurmel einer Menschenmenge.

„Was das wohl zu bedeuten hat?“ „Rod, darf ich Ihnen zu Vorsicht raten?“ „Keine schlechte Idee. Lauf weiter, aber so leise wie möglich. Achte auf deine Hufe, bitte.“ Gekab trottete durch die schmale, mondhelle Straße und hielt sich so dicht es ging im Schatten der verwitterten Häusermauern. An einer Ecke blieb er stehen und schob seinen Pferdeschädel vorsichtig vor. „Was siehst du?“

„Einen Mob.“

„Großartige Beobachtungsgabe, Dr. Watson. Noch etwas?“ „Fackellicht und einen jungen Mann, der auf eine Plattform klettert. Wenn Sie mir den Vergleich verzeihen, Rod, es hat viel Ähnlichkeit mit einer Ihrer Studentenkundgebungen.“ „Genau das ist es auch vielleicht.“ Rod schwang sich aus dem Sattel. „Du bleibst hier, alter Freund. Ich gehe mal kundschaften.“

Im stolzen Marschschritt des Soldaten und mit der Hand um den Rapierknauf trat er um die Ecke. Sein erster Eindruck war, daß es sich hier um ein Treffen der Vagabundenunion handeln mußte. Kein einziges ungeflicktes Wams war zu sehen. Er rümpfte die Nase. Seife und Wasser schienen hier verdammt selten zu sein. Was für eine Meute!

Der Versammlungsort war ein riesiger freier Platz mit einem Fluß und Hafenanlagen, wo hölzerne Schiffe vertäut lagen, an einer Seite. An den anderen drei befanden sich armselige Wohnhäuser, Läden mit See-mansbedarf und ähnlichem, und Lagerhäuser. Alle Gebäude waren teilweise aus Holz, und bei sämtlichen war das erste Stockwerk überstehend. Der brüllende, drängende Mob füllte den gesamten Platz, dem brennende, knisternde Nadelholzzweige ein dämonisches Licht verliehen.

Ein näherer Blick auf die Menge offenbarte Augenklappen, verkümmerte Gliedmaßen, ohrenlose Köpfe — ein auffallender Gegensatz zu der Gestalt, die auf der provisorischen Plattform stand. Es handelte sich bei ihr um einen breitschultrigen, blonden jungen Mann. Sein Gesicht war sauber und ungezeichnet, mit einer Stupsnase und blauen Augen. Es war ein rundes, fast unschuldig wirkendes Gesicht, offen und ehrlich, erfüllt von der Überzeugung eines Mannes, der an seine Mission glaubt. Sein Wams und seine Hose waren erstaunlich sauber, und aus gutem Stoff maßgeschneidert. Ein Schwert hing von seiner Seite.

„Ein Bursche aus gutem Haus“, murmelte Rod. „Was, bei den sieben Höllen, macht er unter diesem Lumpenpack?“

Der Jüngling hob die Arme. Die Menge brüllte und hielt die brennenden Zweige höher, um ihm zu leuchten „Welche Schultern tragen die schwerste Last?“ schrie der junge Mann.

„Unsere!“ brüllte die Menge.

„Wessen Hände sind narbig und schwielig von härtester Plackerei?“

„Unsere!“

„Wer hat all den Reichtum ermöglicht, den die Adeligen zum Fenster hinauswerfen?“

„Wir!“

„Wer hat ihre hohen Burgen aus Granit erbaut?“

„Wir!“

„Habt ihr euch nicht einen Teil ihres Reichtums und Luxus verdient?“

„Das haben wir!“

„Schon allein in einer einzigen Bucht liegen genug Schätze, um jeden von euch zum König zu machen!“

Der Mob tobte.

„Hörst du alles, Gekab?“

„Ja, Rod. Könnte eine Mischung von Karl Marx und Huey Long sein.“

„Ungewöhnliche Synthese, und doch nicht so ungewöhnlich, wenn man es genauer betrachtet.“

„Es sind eure Schätze, es ist euer Reichtum!“ schrie der Jüngling. „Ihr habt ein Recht darauf!“

Wieder tobte die Meute.

„Und bekommt ihr, was man euch schuldig ist?“

Plötzlich wurde der Mob still. Ein beunruhigendes Gemurmel breitete sich aus.

„Nein!“ brüllte der junge Mann. „Deshalb müßt ihr es verlangen, es steht euch rechtmäßig zu!“

Er warf die Arme hoch. „Die Königin hat euch Brot und Wein gegeben, als Hungersnot herrschte, genau wie sie den Hexen, die sie beherbergt, Fleisch und Wein gewährt.“ Totenstille senkte sich für eine Weile über die Menge. Dann verbreitete sich ein Flüstern. „Die Hexen! Die Hexen!“ „Ja!“ brüllte der Redner. „Selbst den Hexen, den Ausgestoßenen, den Geächteten. Wie viel mehr wird sie dann euch gewähren, die ihr so viel auf euch genommen habt? Sie wird euch geben, was euch zusteht!“ Die Menge brüllte.

„Wohin werdet ihr gehen?“ schrie der junge Demosthenes. „Zur Burg!“ rief einer, und andere nahmen seinen Ruf auf. „Zur Burg! Zur Burg!“ Es wurde zum rhythmischen Singsang. „Zur Burg!“

Ein hoher, heulender Laut schrillte durch die Luft. Der Mob verstummte. Eine hagere, verkrüppelte Gestalt hinkte zum Rand eines Lagerhausdachs und rief über den Platz: „Soldaten! Eine Kompanie oder mehr!“

„Zieht euch durch die Gassen und über die Kais zurück!“ befahl der junge Mann. „Wir treffen uns in einer Stunde im HausClovis!“

Zu Rods Staunen verhielt die Menge sich völlig ruhig. Sie verlor sich, ohne zu drängen und ohne daß Panik ausbrach, durch die Gassen.

Rod drückte sich in einen Hauseingang und sah zu, wie die brennenden Zweige gelöscht wurden. Dutzende um Dutzende von Bettlern rannten leise an ihm vorbei und wurden von den Nebenstraßen und Gassen verschluckt.

Der Platz leerte sich. In der plötzlichen Stille hörte Rod näherkommendes Hufgedröhn. Hastig kehrte er zu Gekab zurück und schwang sich in den Sattel. „Schnell und leise in einen besseren Stadtteil!“ befahl er dem Roboter. Gekab konnte mehrere Zentimeter dicke Gummipolster für seine Hufe ausfahren, wenn Lautlosigkeit erforderlich war. Er

hatte auch die Luftaufnahmen der Stadt studiert und jede Einzelheit im Gedächtnis behalten. Ein Roboterpferd hat schon seine Vorteile.

Sie flohen durch die Stadt in ein Viertel mit besser gebauten und erhaltenen Häusern. „Was hältst du von der ganzen Sache, Gekab?“

„Eine totalitäre Bewegung. Ein Machthungriger, der das Lumpenpack anführt, um der Regierung Bedingungen zu stellen, die sie nicht akzeptieren kann. Die Weigerung der Krone wird den Mob zur Gewalttätigkeit anstacheln, und schon kommt es zur Revolution.“

„Könnte es nicht vielleicht lediglich ein ehrgeiziger Adeliger sein, der den Thron an sich reißen möchte?“

„Usurpation verlangt die Unterstützung der oberen Klassen, Rod. Nein, das ist eine proletarische Revolution — ein Präludium zu einer totalitären Regierungsform.“

Rod spitzte die Lippen. „Glaubst du, daß vielleicht eine höher entwickelte Gesellschaft von außerhalb des Planeten ihre Hand im Spiel hat? Ich meine, in dieser Art von Kultur findet man doch normalerweise keine proletarische Revolution, oder?“

„Selten, Rod, und wenn es dazu kommt, ist die Propaganda rudimentär, sie würde in einer mittelalterlichen Gesellschaft nie auf die Grundrechte hinweisen. Dieses Konzept ist einer solchen Kultur absolut fremd. Die Wahrscheinlichkeit einer Einmischung ist groß…“

6
{"b":"110887","o":1}